FDP und Koalitionsbruch Rücktritte bei der FDP nach Papier zum Ampel-Ausstieg
Keine 24 Stunden nach dem Bekanntwerden eines detaillierten FDP-Papiers zum Ausstieg aus der Ampel-Koalition gibt es personelle Konsequenzen. Der Generalsekretär und der Bundesgeschäftsführer gehen.
Berlin - Die FDP zieht nach dem Bekanntwerden eines detaillierten Plans zum Ampel-Ausstieg personelle Konsequenzen. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann treten zurück, wie beide Vertraute von Parteichef Christian Lindner in Berlin mitteilten.
Der 48-jährige Djir-Sarai sagte in einer kurzen Erklärung im Hans-Dietrich-Genscher-Haus: „Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert. Dies war nicht meine Absicht, da ich selbst keine Kenntnis von diesem Papier hatte“, sagte Djir-Sarai. „Dafür entschuldige ich mich.“ Für einen solchen Vorgang sei der Generalsekretär verantwortlich - „daher übernehme ich die politische Verantwortung, um Schaden von meiner Glaubwürdigkeit und der der FDP abzuwenden.“
Beide FDP-Politiker reagierten damit auf das sogenannte „D-Day“-Papier der Partei, das am Vortag bekanntgeworden war. Es enthält ein detailliertes Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampel mit SPD und Grünen.
Djir-Sarai hatte noch am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die „D-Day“-Formulierung betont: „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden.“ Offenbar hatte er bei seiner Rücktrittserklärung diesen Widerspruch im Blick.
In einer schriftlichen Erklärung von Reymann hieß es, er habe Lindner den Verzicht auf sein Amt angeboten. Lindner habe dieses Angebot angenommen. „Ich tue dies, weil ich eine personelle Neuaufstellung der Partei im Hans-Dietrich-Genscher-Haus ermöglichen möchte.“ Die FDP stehe vor einer wichtigen Bundestagswahl, die eine Richtungswahl für Deutschland sei. „In diesen Wahlkampf sollte die FDP mit voller Kraft und ohne belastende Personaldebatten gehen.“
Reaktion auf das „D-Day-Papier“
In dem Papier zum Koalitionsende ist zum Beispiel davon die Rede, dass der „ideale Zeitpunkt“ für einen „avisierten Ausstieg“ aus der Ampel zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des schon lange kriselnden Bündnisses - indem Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses Lindner als Finanzminister entließ.
Forderung nach Rücktritt
Unmittelbar vor der Erklärung Djir-Sarais hatte die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, den Rücktritt des FDP-Generalsekretärs gefordert. „Als Generalsekretär trägt Bijan Djir-Sarai die politische Verantwortung für die Inhalte und die Ausrichtung der Partei. Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, habe ich Bijan Djir-Sarai als JuLi-Bundesvorsitzende dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten“, schrieb Brandmann auf dem Kurznachrichtendienst X.
Sie erklärte, das am Vortag öffentlich gewordene Papier sei „einer liberalen Partei unwürdig“. Nicht nur die Öffentlichkeit müsse den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei. „Das gilt auch für mich – auch ich wurde getäuscht. Ich weiß, dass das Gefühl, das sich deshalb in mir breit macht, von vielen Mitgliedern der Freien Demokraten geteilt wird“, so Brandmann.
Kritik auch am Wortlaut des Strategiepapiers
Das Papier stieß nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen der Wortwahl auf Kritik. In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg historisch vorgeprägte Begriff „D-Day“ mehrfach auf - als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der Ampel.
Der englische Begriff „D-Day“ kann mit „Tag X“ übersetzt werden - oder auch „Tag der Entscheidung“ meinen. Bekannt ist die Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Den Auftakt dafür markierte der „D-Day“ am 6. Juni 1944. Er steht aber auch für unmenschliches Blutvergießen, Zehntausende Tote und Verwundete.
Djir-Sarai seit gut zwei Jahren Generalsekretär
Djir-Sarai war seit April 2022 Generalsekretär der FDP. Er wurde 1976 in Teheran geboren, kam in jungen Jahren nach Deutschland, wo er Abitur machte und Betriebswirtschaftslehre studierte. 2009 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt. Seit 2017 gehört er dem Parlament wieder an. Er war von 2017 bis 2021 außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und ist nach wie vor Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Djir-Sarai vertritt den nordrhein-westfälischen Wahlkreis Neuss I im Bundestag. Er ist auch Mitglied im Landesvorstand der NRW-FDP.
Auch Reymann ein enger Lindner-Vertrauter
Anders als Generalsekretär Djir-Sarai arbeitete Reymann im Hintergrund. Der Bundesgeschäftsführer war erst seit dem 1. März im Amt. Davor war er zunächst Büroleiter von Lindner im Bundestag und dann im Leitungsstab des Bundesfinanzministeriums tätig gewesen.