1. Startseite
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Kinderbetreuung: Gerichtliche Auseinandersetzung über Kita-Streik

Kinderbetreuung Gerichtliche Auseinandersetzung über Kita-Streik

Der Senat will einen unbefristeten Streik in kommunalen Kitas noch juristisch kippen. Das Arbeitsgericht verhandelt über einen Antrag auf einstweilige Verfügung. Die Gewerkschaft zeigt sich gelassen.

Von dpa 27.09.2024, 13:04
Das Land wehrt sich gegen den angekündigten Streik. (Archivbild)
Das Land wehrt sich gegen den angekündigten Streik. (Archivbild) Britta Pedersen/dpa

Berlin - Das Arbeitsgericht Berlin verhandelt am Nachmittag über die Zulässigkeit des von Gewerkschaften ab Montag geplanten Streiks in kommunalen Kitas. Die Verhandlung beginne um 14.00 Uhr, teilte das Gericht mit. Wie lang sie dauert, ist offen. 

Der Berliner Senat will den Streik untersagen lassen und hatte am Donnerstagabend beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht. Nach seiner Einschätzung sprechen eine Reihe von Gründen dafür, dass der unbefristete Streik rechtswidrig sein könnte - unter anderem, weil Rechte von Eltern und Kindern unverhältnismäßig beeinträchtigt würden.

Die Gewerkschaften Verdi und GEW wollen ab Montag die kommunalen Kitas bestreiken, die etwa ein Zehntel aller Berliner Kitas ausmachen. Sie fordern einen Tarifvertrag oder andere Vereinbarungen für bessere Arbeitsbedingungen, kleinere Kita-Gruppen und andere Entlastungen der Beschäftigten.

Verdi sieht Verhandlung gelassen 

Verdi kritisierte den Versuch des Berliner Senats, den Ausstand auf juristischem Wege zu kippen. Mit diesem Schritt setze der Senat seine Strategie fort, eine „Kita-Krise“ zu leugnen und zugleich engagierte Beschäftigte und ihre Gewerkschaft zu attackieren, erklärte die Verdi-Landesbezirksleiterin Andrea Kühnemann.

„Die Probleme in den Kita-Eigenbetrieben werden nicht vor Gericht oder mit markigen Worten im Parlament gelöst“, sagte sie weiter. Nötig seien vielmehr Verhandlungen, die zu rechtlich verbindlichen und einklagbaren Vereinbarungen im Sinne der pädagogischen Qualität und der Entlastung für die Beschäftigten führten. Verdi sei jederzeit gesprächs- und verhandlungsbereit. Einer Gerichtsentscheidung sehe man gelassen entgegen. 

Nur ein Teil der Kitas vom Streik betroffen

Der Streik betrifft bei weitem nicht alle der rund 2.900 Kitas in der Stadt. Lediglich knapp zehn Prozent gehören zu sogenannten kommunalen Eigenbetrieben. Dort betreuen rund 7.000 Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Beschäftigte laut Bildungsverwaltung 32.000 Kinder - rund ein Fünftel aller Berliner Kita-Kinder. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben, die nicht bestreikt werden.

Caritas kritisiert Vorgehen der Gewerkschaften

Einer der freien Anbieter, die Caritas, kritisierte den Streikaufruf. „Der Kampf von Verdi und GEW wird auf dem Rücken von Eltern und Kindern der öffentlichen Kitas und der freien Träger ausgetragen“, erklärte die Direktorin des Caritasverbands für das Erzbistum Berlin, Ulrike Kostka. Beschäftigte von Kitas freier Träger leisteten die gleiche qualifizierte Arbeit wie ihre Kolleginnen und Kollegen in öffentlichen Einrichtungen. Daher dürfe es keine Bevorzugung öffentlicher Träger und ihrer Mitarbeiter geben. 

„Der richtige Ort, um über Verbesserungen der Bedingungen aller Kitas mit dem Senat zu sprechen, sind die anstehenden Verhandlungen für den Kita-Rahmenvertrag“, argumentierte Kostka. Denn dieser bilde die Handlungs- und Finanzierungsgrundlage für alle Kitas in Berlin. „Hier muss verhandelt werden, was einerseits pädagogisch sinnvoll und unter den Haushaltsbedingungen an Verbesserungen für Kitas möglich ist.“ 

Kitas bereiten Notbetreuung vor 

Bildungs- und Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hatte am Donnerstag angekündigt, dass kommunale Kitas trotz des Streiks einen Teil ihrer Kinder betreuen werden. Die sogenannte Notbetreuung werde allerdings „deutlich unter 100 Prozent“ sein. Am Freitag liefen dazu Gespräche zwischen Bildungsverwaltung, den Leitungen der kommunalen Kita-Eigenbetriebe und anderen Beteiligten. Laut Günther-Wünsch sollten auch Eltern einbezogen und umfassend informiert werden. 

Zur Orientierung: An Warnstreiks in den vergangenen Wochen hatten sich laut Verdi jeweils bis zu 3.000 Beschäftigte kommunaler Kitas beteiligt. Das heißt also, dass mehr als die Hälfte arbeitete und dies nun auch während des angekündigten unbefristeten Ausstands tun dürfte. 

Womöglich könnte also etwa die Hälfte der Kinder betreut werden, genaue Vorhersagen zur Streikbeteiligung sind aber nicht möglich. Im Fokus der geplanten Notbetreuung stehen Kinder mit besonderem Betreuungsbedarf, von Eltern mit systemrelevanten Berufen oder Alleinerziehenden. 

Konflikt schwelt schon länger

Der Konflikt zwischen Senat und Gewerkschaften im Hinblick auf die kommunalen Kitas schwelt schon lange, mehrfach gab es Warnstreiks. Der Senat lehnt die geforderten Tarifverhandlungen mit Verweis auf die Mitgliedschaft Berlins in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ab: Die Hauptstadt könne hier keinen Sonderweg gehen. 

Günther-Wünsch wies auch auf den Fachkräftemangel hin. Um die Forderungen von Verdi & Co. zum Betreuungsschlüssel und zu weiteren Entlastungen zu erfüllen, würden 4.000 zusätzliche Beschäftigte gebraucht, die schlicht nicht vorhanden seien. Aber man sei bereit, über Lösungsmöglichkeiten zu reden.

So richtig ins Gespräch kamen Senat und Gewerkschaften erst in den vergangenen Tagen vor der Drohkulisse eines langen Streiks. Die Gespräche endeten aber ohne Ergebnis und mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Verdi signalisierte zuletzt, dass man nicht auf einem Tarifvertrag beharrt, aber auf verbindliche und einklagbare Vereinbarungen zur Entlastung der Beschäftigten.