Sparplan Kultur im „Rocky-Modus“: Ist Berlin bald nicht mehr sexy?
Es gibt drei Opern, viele Theater und Museen. Berlin lebt von seiner Kultur. Sie hat Weltruf. Nun wird gespart. Wie schlimm wird es?
Berlin - Geht es der Berliner Kultur an den Kragen? Das ist gerade eine heiß diskutierte Frage. Museen, Kinos, Literatur, Kunst, Clubs und Theater - das alles zieht auch viele Touristen an. Die kommen schließlich nicht nur zum Shoppen in die Hauptstadt. Aber Berlin muss wieder einmal sparen, diesmal gewaltige Summen. Und das trifft auch den Kulturetat - mit rund 130 Millionen Euro allein für 2025.
Die Rede bei vielen Häusern ist von drohenden Insolvenzen, Einschränkungen im Spielbetrieb und dem Verlust von Arbeitsplätzen. Der Museumssonntag bei freiem Eintritt? Laut aktuellem Plan gestrichen. Die millionenschwere Sanierung der Komischen Oper? Wackelt.
„Niemand wird mehr hier leben wollen“
Es hagelte Protest, Tausende gingen auf die Straße. Theaterstar Lars Eidinger demonstrierte verkleidet vor dem Brandenburger Tor. Schauspielerin Caroline Peters („Mord mit Aussicht“) war entsetzt. „Sie stimmen gerade dafür, einen wichtigen Wirtschaftsfaktor der Stadt Berlin abzuschaffen“, schrieb sie in einem offenen Brief.
„Kunst und Kultur und Club-Szene machen Berlin zu dem, was es ist. Eine Stadt mit viel Strahlkraft.“ Peters warnte davor, dass Berlin „einzig und allein ein Standort für Immobilien“ werden könnte, die hin und hergeschoben werden. „Niemand wird mehr hier leben wollen und können in Berlin.“
Berliner Theaterchef: „Extrem kräftezehrende“ Wochen
Der Intendant des Berliner Ensembles, Oliver Reese, spricht von „extrem kräftezehrenden“ und „ziemlich markerschütternden“ vergangenen Wochen. Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) geriet mächtig unter Druck. „Kennen Sie die jüdische Geschichte dieses Hauses?“, zürnte der frühere Intendant der Komischen Oper, Barrie Kosky, im „Tagesspiegel“.
Richtung Chialo schrieb er: „Bitte schützen Sie unsere geliebte Komische Oper in der Behrenstraße und beenden Sie nicht das, was die Nazis begonnen haben. Lassen Sie nicht zu, dass das Ihr Vermächtnis ist.“ Das hat Chialo getroffen.
Bei neuer Sparliste kommen Theater besser weg
Auch sonst las sich die Presse für den Senator, der schon als möglicher Nachfolger von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) gehandelt wurde, nicht gerade schmeichelhaft. Dann kamen andere Signale bei den Haushaltsverhandlungen.
Eine neue Sparliste wurde öffentlich. Drastische Kürzungen für prominente Theater wie die Schaubühne und für andere Häuser haben die Fachpolitiker darin zum Teil zurückgenommen.
Reese spricht von einer „hundertprozentig notwendigen Korrektur von zunächst falsch getroffenen Entscheidungen“, besonders auch bei Kinder- und Jugendtheatern oder einem Zentrum der freien Szene.
Auch das Berliner Ensemble muss voraussichtlich weniger sparen als zuvor angenommen. „Der Lack ist schon ganz schön ramponiert an allen Seiten, und von daher ist es wichtig, positiv in die Zukunft zu blicken“, sagt Reese. Es seien bereits Produktionen verschoben worden. Und das soll auch erst mal so bleiben. Man sei zunächst vorsichtig.
Mit den neuen Summen könnten die meisten Einrichtungen sicherlich deutlich besser arbeiten, „wenngleich die Herausforderungen weiterhin groß bleiben“, sagte der Theaterchef. Denn auch 2026 geht das Sparen in Berlin weiter.
Minutenstreik als Protest
Generell plant Berlins schwarz-rote Koalition im Landeshaushalt 2025 Einsparungen in Höhe von drei Milliarden Euro - über die Ressorts hinweg. Bei der Kultur sollen knapp zwölf Prozent ihres bislang geplanten Budgets wegfallen.
Der Etat von Kultursenator Chialo umfasst damit immer noch rund eine Milliarde Euro. Die erste Liste mit teils drastischen Kürzungen war vor knapp einem Monat öffentlich geworden. Die Kultur trommelte danach besonders laut und kreativ dagegen.
Bundesweit rief die Berliner Akademie der Künste Häuser dazu auf, Kulturveranstaltungen, Ausstellungen oder Aufführungen aus Protest für eine oder mehrere Minuten zu unterbrechen. „Die Störung durchbricht die Routine, irritiert und zwingt zum Nachdenken“, heißt es zur Aktion „#Minutenstreik“.
Auch in Bayreuth ist das Geld knapper - in Hamburg nicht
In Berlin soll der gesamte Nachtragshaushalt für 2025 am Donnerstag (19.12.) im Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Es ändert nichts an der Summe, die insgesamt in der Kultur wegfällt. Es wurde lediglich umgeschichtet. Das trifft vor allem die freie Kunstszene - bei den Zuschüssen für den Ausbau von Arbeitsräumen für Künstler.
Doch nicht nur Berlin ist knapp bei Kasse. Auch die Bayreuther Festspiele in Bayern sehen sich aus Geldmangel zu drastischen Einschnitten beim Jubiläumsprogramm 2026 gezwungen. Dann werden nur noch sieben statt der geplanten elf Opern auf dem Spielplan stehen.
Berlins Kultursenator ist jetzt im „Rocky-Modus“
In Hamburg dagegen wurde der Haushalt der Kultur- und Medienbehörde aufgestockt. Der Etat steigt 2025 um rund 50 Millionen Euro und damit um rund zwölf Prozent, wie ein Behördensprecher der dpa sagte. Damit liegt der Haushalt im kommenden Jahr bei etwa 461 Millionen Euro. Im Jahr darauf soll er um weitere rund 13 Millionen steigen.
Wie schlimm es für die Berliner Kultur wird, ist noch offen. Senator Chialo ist im Kampfmodus. Er versicherte in der „Berliner Zeitung“, ihm stelle sich die Frage nach Rücktritt nicht. „Im Gegenteil. Die Herausforderung bringt mich in einen Rocky-Modus.“