Pflegeberufe Tücken bei Aufwertung der Altenpflege
Die Regierung will die Ausbildung der Pflegeberufe vereinheitlichen. Doch es gibt Widerstände. Das zeigt ein SPD-Forum in Halle.
Halle l Ich bleibe eine Verfechterin der generalisierten Pflegeausbildung“, erklärt Mechthild Rawert mit Entschiedenheit, „und bin unglücklich über die Verzögerung der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag.“ Die resolute SPD-Bundestagsabgeordnete aus Berlin ist Berichterstatterin für Pflege in ihrer Fraktion.
Gemeinsam mit Prof. Gabriele Meyer, Chefin des Pflegeins-tituts der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und dem SPD-Bundestagsparlamentarier Karamba Diaby diskutiert sie am Montagabend im Halleschen Elisabeth-Krankenhaus mit Betroffenen die geplante Ausbildungsreform.
Warum geht es? Die Große Koalition hat sich vorgenommen, aus den bisher getrennten Ausbildungszweigen der Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege eine einheitliche, dreijährige Berufsbildung zu machen. Hintergrund ist der wachsende pflegerische Bedarf, der in keinem Verhältnis zu Stellenwert und miserabler Bezahlung steht.
Laut einer Studie, auf die Rawert verweist, betragen die Einkommensunterschiede zwischen den drei Sparten Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege bis zu 1000 Euro.
Also soll die Attraktiviät der Pflegeberufe durch die Ausbildungsreform erhöht werden, die Qualität steigen und ebenso Einsatzflexibilität und berufliche Mobilität.
„Die Rahmenbedingungen der Branche sind wichtig“, hält die Abgeordnete Rawert fest. Bei der Mobilität ist sie schon bei einem Problem: Alterpfleger nach deutschem Zuschnitt gebe es anderswo in Europa kaum. Dort sei das meist ein Studiumberuf. Für hiesige junge Leute, die sich beruflich als Pfleger in Europa ausprobieren wollen, ein klarer Mobilitätsnachteil.
Die Pflegeberufsreform hat auch mit Eifersüchteleien und Privilegien zu tun. Schließlich erinnerte das deutsche Gesundheitswesen an eine Ständeordnung.
Bei der Kinderkrankenpflege gibt es den größten Abiturientenanteil. Bei einer vereinheitlichten Ausbildung wäre es aber möglich, dass der Wunsch, Kinderkrankenschwester zu werden, sich mit der Notwendigkeit beißt, in die Altenpflege zu gehen.
Für Gabriele Meyer ist es ein entscheidender Punkt, gegen die soziale Ungleichheit anzugehen und die Einkommensunterschiede aufzuheben: „Aus wissenschaftlicher Sicht ist es vernünftig, die starren Grenzen zu überwinden.“
Vom Saalpublikum werden einige Bedenken zur angestrebten Reform geäußert. Ein Vertreter des Verbandes privater Schulen, die einen Großteil der Ausbildung leisten, sagt, man würde ja gern auf das häufig kritisierte Schulgeld verzichten, dann müsste aber eine Kompensation erfolgen.
Im parlamentarischen Verfahren gibt es weitere Streitpunkte, wie Rawert erläutert. Bundesländer wie Bayern wollen den Zugang zu dieser Ausbildung genau geklärt wissen, und die Generalisierung überhaupt bleibe umstritten.
Schwer vorstellbar ist für die Betroffenen, dass sich drei verschiedene Ausbildungen zusammlegen lassen, ohne dass Inhalte auf der Strecke bleiben. Rawerts klare Antwort: „Es soll nicht alles zusammengepresst werden. Wir wollen ein neues Denkmodell.“
Ein Defizit aber, räumt Meyer ein, gebe es „bei entsprechend qualifizierten Lehrkräften in der Pflege“. Ziel ist es daher laut Rawert, 80 Prozent der Pflegenden eine Berufsausbildung zu ermöglichen, 20 Prozent sollten sich mit einem Studium weiterqualifizieren, um Leitungstätigkeiten übernehmen zu können. Akademische Angebote sind aber bislang dünn gesät.
Doch Pflegeinstituts-Chefin Gabriele Meyer hat hier eine frohe Botschaft: Vom Wintersemester an richtet die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erstmalig einen Bachelor-Studiengang für Pflege ein – ohne auf das Gesetz mit seinen Details zu warten. Die Zeit drängt.