IPK Gatersleben Die letzten Geheimnisse der Ähren
Forscher am Leibniz-Institut in Gatersleben sind auf der Suche nach der perfekten Getreidepflanze.
Gatersleben l Die goldenen Ähren ernähren die Welt. Die Getreidearten Gerste und Weizen sind die Sattmacher für Milliarden Menschen. Am Leibniz-Institut in Gatersleben ist Wissenschaftler Thorsten Schnurbusch den letzten Geheimnissen der Ähren auf der Spur. Seine Arbeit wird mit zwei Millionen Euro gefördert.
Thorsten Schnurbusch ist ein Detektiv. Der Wissenschaftler am Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung (IPK) in Gatersleben ist auf der Suche nach der perfekten Pflanze. Schnurbusch, 48 Jahre alt, will mit seiner Forschung den Ertrag der Getreidearten Weizen und Gerste steigern. „In 15 bis 20 Jahren könnten sich Verbesserungen in der Pflanzenzüchtung ergeben“, glaubt Schnurbusch. Warum dauert das so lange?
Die Arbeit von Thorsten Schnurbusch braucht Zeit und Geduld. Wie ein Detektiv ist er auf der Suche nach dem perfekten Erbgut. Mit seinem 12-köpfigen Forscherteam schaut er sich die Ährenentwicklung der Pflanzen an. Bereits als kleiner Trieb hat jede Getreidepflanze eine genetisch festgelegte Anzahl von nicht sichtbaren Miniatur-Blüten: die Ährchen. Aus ihnen wachsen später, entlang der großen Ähre, die Körner heran. „Es gibt Genotypen, bei denen viele der in der frühen Entwicklung angelegten Ährchen absterben, und dann wiederum Genotypen, bei denen dies kaum geschieht. Verstehen wir diesen Vorgang besser, könnten wir darauf hinarbeiten, diese Verluste zu reduzieren und damit ganz neuen Ansätzen zur Ertragssteigerung nachgehen“, erklärt Schnurbusch.
Mit zwei Millionen Euro wird die Grundlagenforschung durch den Europäischen Forschungsrat gefördert. Mindestens fünf Jahre wird Schnurbusch nun die DNA der Ährchen inspizieren, um Unterschiede in der Kornbildung zu erkennen und herauszufinden, ob sich der Ertrag der Getreidesorten weiter steigern lässt.
Dafür braucht Schnurbusch eine Spürnase. Denn das Erbgut der Getreidesorten ist komplex. Der Forscher: „Das Gerstengenom ist fünfmal größer als das des Menschen.“ Doch die Gene, in denen die Baupläne der Pflanze verzeichnet sind, machen nur einen kleinen Teil aus. „Der Anteil der Genome, der uns interessiert, ist verschwindend gering. Diese Schnipsel zu finden, ist schwierig“, erklärt Schnurbusch.
Die Pflanzen, mit denen die Forscher arbeiten, wachsen in dem Gewächshaus auf dem Gelände des Instituts im Salzlandkreis. Dort ist Sommer – selbst im tiefsten Winter. Die Lampen an der Decke hüllen den Raum in gelbes Licht. 16 Stunden täglich sind die Strahler in Betrieb. Konstante 18 bis 22 Grad, viel Wasser und Dünger sorgen für ein schnelles Wachstum der Getreidesorten.
Während der Reifezeit schauen sich die Forscher immer wieder die Ähren an. Schnurbusch hält eine Ähre in der Hand und deutet auf ein einzelnes Ährchen: „Dieses hier hat zum Beispiel vier Körner. Wenn wir es schaffen, Mutanten zu finden, die fünf oder sechs Körner haben, wird der Ertrag gesteigert.“
Im Labor steht das Herzstück der Wissenschaftler. Mit der Sequenzmaschine – rund eine halbe Million Euro teuer – können die Forscher das Erbgut unter die Lupe nehmen.
Thorsten Schnurbusch forscht seit 2008 im Leibniz-Institut in Gatersleben. Einst hat er von einem Leben auf dem Bauernhof geträumt, während seines Studiums schnuppert er für ein Jahr auch Landluft. „Das hat mir gut gefallen“, sagt er. Dennoch studiert er in Göttingen Agrarwissenschaften. Dort entdeckt er die Liebe zu Getreidepflanzen. Für seine Doktorarbeit zieht er nach Zürich, danach geht es für vier Jahre mit seiner Familie nach Australien, später ins beschauliche Sachsen-Anhalt. Schnurbusch, der Weltenbummler.
In Gatersleben leitet er heute die Arbeitsgruppe Pflanzliche Baupläne. Seine Forschung ist am Anfang, doch das Ziel ist klar vor Augen. Wenn auf den Feldern irgendwann ausschließlich volle, große Ähren wachsen, hat Thorsten Schnurbusch es erreicht.