Bohrschlammdeponie Chemiker fordert unabhängige Beprobung
Der Chemiker Uwe Baumbach mahnt dringend eine unabhängige Beprobung und eine umfassende Sanierung der Bohrschlammdeponie Brüchau an.
Brüchau l Die Bohrschlammdeponie Brüchau gilt als unkalkulierbares Umweltrisiko. Vieles spricht dafür, dass bereits hochgiftige Substanzen in den zweiten und tiefer liegenden Grundwasserleiter gelangt sind. Diese Gefahr wird längst auch von Experten gesehen – so auch vom Salzwedeler Uwe Baumbach.
Der studierte und promovierte Chemiker war 15 Jahre lang für die Betreiberfirma der Bohrschlammdeponie Brüchau tätig, nämlich für den Bergbaukonzern Gaz de France (GDF) beziehungsweise GDF Suez E&P Deutschand. Wie Baumbach gegenüber der Volksstimme ausführt, habe er bis 1999 im Labor des Unternehmens gearbeitet und sei anschließend als Gutachter für die Rückrüstung von Erdgas-Sonden im Bereich der westlichen Altmark tätig gewesen.
„Ohne Zweifel lässt sich heute sagen, dass die bedenklichsten Substanzen sicher bereits zu DDR-Zeiten in Brüchau entsorgt worden sind. Neben Stoffen, die im Bergbau angefallen sind, kamen auch giftige Fremdstoffe wie zum Beispiel 960 Tonnen quecksilberhaltige Rückstände hinein. Nach der Wende wurden ausschließlich bergbaueigene Substanzen eingelagert, insbesondere aus den Erdgas-Förderregionen der Altmark. Aber auch diese haben es in sich“, betont Baumbach. Der Chemiker ist sicher, dass die meisten dieser Gifte in Brüchau nicht hätten eingelagert werden dürfen, da bereits schon seit 2000 Untersuchungen ergaben, dass die Dichtheit der Deponie nicht in vollem Umfange gegeben war.
Wie er erläutert, enthalte das Gas aus den Tiefen der Altmark zum Beispiel die Schwermetalle Quecksilber in atomarer und in Form von im Erdgasbegleitwasser gelösten Schwermetallsalzen von Quecksilber, Blei, Cadmium, Kupfer, Nickel, Zink, Chrom und das Nichtmetall Arsen. Das Quecksilber legiere sich mit Blei und bilde das Mineral Altmarkit. Dieses lagere sich in den Förderrohren als Belag ab. Für das Bohren komme eine Bohrspülung zum Einsatz, die wiederum Bariumsulfat enthalte. „Diese Bohrspülung nimmt unter Tage das geogen gebildete Radium als Sammler auf. Diese scheiden sich ebenfalls als Scalings (Ablagerungen) an den Rohrwandungen ab. Und Letztere wurden über viele Jahre in den Brüchauer Silbersee verfrachtet“, erklärt Baumbach.
Vor allem das Radiumsulfat sorge in den Abfällen für eine spürbar erhöhte Radioaktivität gegenüber der natürlich vorhandenen Radioaktivität, weshalb der Chemiker diese Substanz neben der sehr hohen Salzfracht, gerade mit Blick auf den Deponiekörper in Brüchau, für besonders bedenklich hält. Und er betont: „Die Deponie ist keine Deponie, sondern lediglich ein Restloch aus der Ziegelproduktion.“ Er wolle keine Panik schüren, dennoch könne man das Radium wie auch die erhöhten Lithium- und Strontiumgehalte der Tiefenabstrompegel als Hinweis betrachten, dass diese Deponie nicht dicht genug sei. Problematisch werde das, wenn diese Radioaktivität ins Grundwasser gelangt. Und das sei in Brüchau nachweisbar der Fall. Bei Beprobungen sei eine deutlich erhöhte Konzentration von Radium (Ra226) und Radon (Rn222) an diesen Pegeln gemessen worden.
Der Experte verweist darauf, dass diese Messungen bereits vor rund 16 Jahren vorgenommen worden seien. Derzeit sei nicht bekannt, ob später weitere Messungen erfolgten und wenn ja, mit welchem Ergebnis. „Das ist aus meiner Sicht ein Unding. Man muss doch den Brüchauern reinen Wein einschenken und ihnen sagen, dass aus dem Silbersee Radioaktivität abfließt“, fordert der Salzwedeler. Verbunden sein müsse diese Information aber auch mit einer Aufklärung der Bevölkerung, nämlich über die Risiken, die mit der möglichen Nutzung des tieferen Grundwassers aus Schichten in zirka 44 Metern Tiefe verbunden sein könnten – etwa wenn solches Wasser für die Gemüsebewässerung genutzt würde.
Für flachere Brunnen (bis etwa 20 Meter Tiefe) seien bis vor zehn Jahren keine erhöhten Werte gefunden worden. „Radium kann sich erstens auf den Früchten absetzen und kann zweitens von den Pflanzen auch über die Wurzeln aufgenommen werden. Gelangt das Element in den Körper, kann es sich in den Knochen ablagern“, erklärt Baumbach eine der möglichen Folgen. Um einfach hier einer ungewollten Panik zu begegnen, sollte der Schadstoffpfad Grundwasser-Nutzpflanze untersucht werden.
Als haarsträubend empfand Baumbach die Aussagen des Präsidenten des Landesamtes für Geologie und Bergwesen (LAGB), Kurt Schnieber, während des Bürgerforums am 7. März in Kalbe. Dieser habe an diesem Abend hervorgehoben, dass er Jurist sei und keine fachliche Auskunft zu möglichen Gefahren geben könne, die von der Bohrschlammdeponie ausgehe. „Aber wenn der Leiter einer Behörde zu solch drängenden Fragen keine Auskunft geben kann, wer dann?“, fragt sich Baumbach kopfschüttelnd. „Das Bergbauamt müsste von allein tätig werden, um weitere Gefahren abzuwehren“, betont er.
Der Chemiker hält es für dringend erforderlich, zunächst die Deponie Brüchau komplett neu zu beproben – und zwar durch eine unabhängige Fachfirma für Altlasten. „Die Proben müssen in einem festgelegten Raster und bis hinunter zur Sohle erfolgen“, fordert Baumbach. Zudem seien die Proben durch ein weiteres unanhängiges Labor zu untersuchen, denn Manipulationen müssten ausgeschlossen werden. Nur auf dieser Grundlage könnten Rückschlüsse gezogen werden, was genau an Maßnahmen in Brüchau erforderlich sei – was fachgerecht entsorgt werden muss und auch was in der Deponie verbleiben könne.
Angesichts der Tatsache, dass die Betreiberfirma der Deponie über viele Jahre in der Altmark ein gutes Geschäft gemacht habe, empfindet es Baumbach zudem als nicht nachvollziehbar, dass der Steuerzahler die Sicherung beziehungsweise Entsorgung für die Deponie zu 90 Prozent übernehmen soll. Er plädiert für eine deutlich höhere Beteiligung des Verursachers.