Tiere Wie ticken eigentlich Waschbären?
Revierförster Horst Schulze vom Bundesforstbetrieb Nördliches Sachsen Anhalt erklärt, wie Waschbären "ticken".
Theerhütte l „Nur ein toter Waschbär ist ein guter Waschbär“, die plakative Grundaussage des Biologen Wolfgang Lippert in seinem Artikel veranlasste nun Revierförster Horst Schulze vom Bundesforstbetrieb Nördliches Sachsen-Anhalt zum Widerspruch. „Sicher, die Wirkung einer nicht einheimischen Tierart in unseren biologischen Systemen bringt immer auch Problematiken mit sich“, sagt der Experte. Diese sei jedoch etwas diffiziler zu betrachten, als es Lippert in seinem Artikel angehe. „Und man muss den Waschbär auch nicht verklärt lieben oder um jeden Preis schützen wollen, um sich der Problematik um diese Tierart etwas sachlicher anzunehmen“, betont Schulze, der für die Forstreviere Hirschberge und Tangerhütte zuständig ist.
Zuerst einmal sei der Waschbär nicht nur ein räuberisch lebendes Tier, sondern ein opportunistischer Allesfresser mit einem hohen Anteil vegetarischer Kost, macht er deutlich. Mehr als 90 Prozent seiner Nahrung sei pflanzlich. „Mit seiner verbleibenden räuberischen Lebensweise, die im Übrigen einen hohen Anteil an Insekten und Würmern beinhaltet, wirkt der Waschbär als Prädator trotz seiner nicht heimischen Herkunft nicht anders auf potenzielle Beutetierbestände wie einheimische Tiere in der vergleichbaren ökologischen Funktion.“ Hier gelte es deshalb schon mal etwas genauer hinzuschauen, wie hoch, beziehungsweise wie bedrohlich der Einfluss des Waschbären auf bestimmte Arten tatsächlich ist. Eine pauschale Verantwortung für die etwaige Misere des Schutzes bestimmter Arten, einfach dadurch, dass der Waschbär ein sogenannter Fremdländer sei, sei nämlich zu kurz gedacht, sagt Horst Schulze. Insbesondere Lebensraumverschlechterung und Verlust seien oftmals die entscheidenden Faktoren. Und diese verantworte der Waschbär nicht.
Zudem verursache der Waschbär auch nicht zwingend ein ökologisches Problem oder ein biologisches Ungleichgewicht, sondern wenn, dann eher ein Artenschutzproblem bei bestimmten Tierarten, macht der Förster deutlich. Dass Wolfgang Lippert das vermeintliche Artenschutzproblem lösen wolle, indem er „die Waschbären in ihren Himmel schicken“, also mit jagdlichen Mittel beseitigen oder zumindest reduzieren lassen wolle, sei, zwar „ein plausibler, durchaus auch legitimer Ansatz, aber zu kurz gesprungen“, betont Schulze. Eben weil er nicht so simpel im Zusammenhang sei, wie von Lippert dargestellt.
„Waschbären leben wie viele andere Tierarten, so auch der Wolf oder der Fuchs, territorial. Das heißt, sie besetzen als Paar oder Familienverband ein bestimmtes Gebiet und verteidigen dieses.“ Die absolute Zahl an Tieren in diesem Territorium bleibe deshalb weitestgehend konstant, erläutert Schulze. „Erfolgt nun zum Beispiel durch Bejagung die wahllose, also nicht selektive Entnahme eines erwachsenen Tieres – mehr schaffen wir als Jäger bei allen Bemühungen im Regelfall nicht –, so herrscht im Territorium vorübergehend ein soziales Vakuum, welches sich erst dann wieder entspannt, wenn ein anderes Individuum die verursachte Vakanz geschlossen hat.“
Bis dahin gebe es Rangkämpfe und somit vorübergehend auch mal mehr Waschbären im Territorium als vor der Entnahme eines Einzeltieres. Dazu komme die altbekannte populationsbiologische Gesetzmäßigkeit, dass Verluste in einer Population sofort die Reproduktion derselben nach oben schnellen lasse. „Auf Kurzformeln gebracht: Je mehr der Waschbär bejagt wird, desto mehr vermehrt er sich.“
Entscheidend sei deshalb auch nicht, wie viele Tiere entnommen würden, „sondern wie viele überbleiben“, sagt der langjährige Förster. Die Vorgehensweise der Entnahme von Waschbären durch Jagd sei deshalb eher nicht zielführend in Bezug auf Artenschutzaspekte, vielleicht sogar kontraproduktiv, zumindest aber hinterfragbar. Und wenn nicht zielführend bleibe nach Bundestierschutzgesetz Paragraf 1 die Frage nach dem „vernünftigen Grund für die Tötung eines Tieres“, auch der Tötung eines Waschbären, macht Schulze deutlich.
Wirklich zielführend durchbrechen ließen sich diese Gesetzmäßigkeiten also nur durch eine nachhaltige Reduktion der Waschbärpopulation. „Aber bei allem Respekt, auch für die Ambition und den Ehrgeiz einiger Jäger: Das können wir Jäger gerade vor dem Hintergrund der Einhaltung der Tierschutzaspekte zeitlich und handwerklich in der Fläche gar nicht leisten.“ Professionelle Vorgehensweisen mit Berufsjägern, wie in machen Schutzgebieten praktiziert, würden da wohl eher die Ausnahme bleiben.