Klinik-Streit Der Widerstand gegen Ameos wächst
In das Thema Kinder- und Jugendversorgung bei Ameos kommt keine Ruhe. Stadtrat und Bürgermeisterin melden sich jetzt zu Wort.
Haldensleben l „Wir äußern hiermit einvernehmlich unser Unverständnis hinsichtlich des Vorhabens der Ameos Klinik Haldensleben, die Kinderstation aufzulösen und in einem ersten Schritt die Kinder auf freie Betten in den Erwachsenenstationen zu verteilen. Verantwortliche Gesundheitsvorsorge und Pflege sehen aus unserer gemeinsamen Sicht anders aus.“ Mit diesen Worten klinken sich die Bürgermeisterin und die Stadtratsfraktionen in die aktuelle Diskussion ein. Anzumerken bleibt, dass es sich allerdings nicht mehr um ein „Vorhaben“ handelt. Die Umstrukturierung bei Ameos ist bereits erfolgt.
Bereits Ende September hatte Krankenhausdirektor Andreas Schulz auf Anfrage der Volksstimme erklärt, dass auf den Stationen mittlerweile interdisziplinär gearbeitet werde. „Jeder wird dort behandelt, wo er seiner Erkrankung nach hingehört“, so Andreas Schulz. Das gelte auch für Kinder und Jugendliche, selbst wenn auf den Zimmern eine gemischte Unterbringung mit Erwachsenen nicht geplant sei. Die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin blieb formal erhalten. Eine klassische Kinderstation wie zuvor gibt es seither allerdings nicht mehr.
Bei einem weiteren Gespräch gab die stellvertretende Krankenhausdirektorin Uta Ranke bekannt, dass es stattdessen einen separaten Bereich in der HNO-Abteilung gebe, der für junge Patienten reserviert sei. Nach Volksstimme-Informationen umfasst dieser aber nur wenige Zimmer. Auch Uta Ranke betonte nachdrücklich, dass Kinder und Jugendliche weiterhin im Haldensleber Klinikum behandelt würden. Trotzdem wurde Kritik laut.
„Begrüßenswert sind durchaus die Bemühungen der Ameos-Gruppe, die Kliniken in Haldensleben zu modernisieren und den Bedarfen anzupassen. Dies darf jedoch nicht zu Lasten der Kinder der Stadt Haldensleben und des weiteren Einzugsbereiches gehen“, heißt es im gemeinsamen Papier der Ratsfraktionen und der Bürgermeisterin. Die ersten Reaktionen vieler Eltern hätten gezeigt, dass große Vorbehalte gegen die getroffene Entscheidung bestünden. „Abwanderungen jener Kinderpatienten, deren Eltern das leisten können, in andere Kliniken werden die Folge sein - eine Abwärtsspirale wird in Gang gesetzt, an deren Ende gar keine angemessene Versorgung von Kindern mehr in Haldensleben gewährleistet werden kann“, so der weitere Text.
Gemeinsam fordern die Beteiligten den „Landkreis Börde mit seinen verantwortlichen Institutionen und den Kreistag auf, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden und alle vertraglich geregelten Einflussnahmemöglichkeiten auszuschöpfen, um diese fatale Entwicklung zu stoppen“. „Dies sind wir gemeinsam den Kindern und den betroffenen Eltern schuldig!“, heißt es im letzten Satz. Bei der jüngsten Sitzung des Kreistages überreichte Bürgermeisterin Regina Blenkle die Stellungnahme an die Vorsitzende Gabriele Brakebusch.
Damit nicht genug: Mittlerweile gibt es auch zwei Unterschriftenaktionen, die sich für den Erhalt beziehungsweise die erneute Einrichtung der Kinderstation stark machen. Eine davon hat die CDU-Abgeordnete Marlis Schünemann ins Leben gerufen. Sie hatte das Thema bereits in den Ausschüssen des Kreistages und des Haldensleber Stadtrates zur Sprache gebracht. „Das ist nötig, weil ich glaube, dass diese Problematik in der Bevölkerung noch nicht in ihrer ganzen Tragweite wahrgenommen wird“, erklärt Marlis Schünemann. Die Behandlung von Kindern auf Erwachsenenstationen sei „keine Lösung auf längere Zeit und Dauer.“
Besonders schwer wiege das Problem, weil das Klinikum in Haldensleben der einzige Standort im Landkreis Börde sei, an dem noch eine Klinik für Kinder- und Jugendmedizin existiert. „Sonst müssen die Eltern nach Gardelegen oder Magdeburg fahren“, führt die Kreistagsabgeordnete und Stadträtin aus. Der Stadt Haldensleben drohe durch die Umstrukturierung nicht nur ein Image-Verlust: „Viele Eltern fürchten, dass damit auf lange Sicht auch die Frauenstation und der Bestand der Entbindungsstation gefährdet sind“, so Marlis Schünemann. Nach Abschluss der Aktion wolle sie die gesammelten Unterschriften direkt an die Klinikleitung übergeben.
Holger Dragon von der Piratenpartei hat sich dagegen an Landrat Hans Walker gewandt. Auf der jüngsten Sitzung des Kreistages übergab er ihm eine erste Sammlung von rund 220 Unterschriften. In dem dazugehörigen Schreiben heißt es: „Kleinst- und Kleinkinder sind keine kleinen Erwachsenen und bedürfen auch einer speziellen Behandlung und Betreuung. Viele Aspekte, die für Kinder notwendig sind, lassen sich in anderen Bereichen nicht oder sehr erschwert umsetzen.“ Es könne nicht sein, dass Bereiche wie die Kinder- und Jugendmedizin „nur unter monetären Gesichtspunkten und nicht unter humanistischen betrachtet werden“, so Holger Dragon.
Viele Eltern seien nicht in der Lage, 50 oder 60 Kilometer zu fahren, um ihr Kind medizinisch betreuen zu lassen. „Die Kleinen, die sich nicht wehren können, bleiben auf der Strecke – und die Eltern gleich mit“, betont Holger Dragon gegenüber der Volksstimme. Im weiteren Verlauf des Schreibens fordert er Landrat Walker daher auf, sich „im Rahmen der Daseinsfürsorge gegen die Schließung auszusprechen und eindeutig Position“ zu Gunsten der Bürger zu beziehen.
Der Landkreis Börde ist vor allem deshalb gefragt, weil es sich beim Ameos Klinikum um das ehemalige Kreiskrankenhaus handelt. Daher gehört es zu den Aufgaben des Trägers, den Landkreis einmal jährlich über wesentliche Entwicklungen zu unterrichten. „Gemäß dem Trägerwechselvertrag vom 15. Dezember 2006, in dessen Verpflichtungen das Ameos Klinikum eingetreten ist, bedürfen wesentliche Änderungen der Nutzung oder des Leistungsangebotes, insbesondere wesentliche Änderungen des medizinischen Konzepts, der Zustimmung des Landkreises“, erklärt Iris Herzig, Fachbereichskoordinatorin für Soziales und Verbraucherschutz beim Landkreis Börde.
Zuständig für dieses Thema ist der „Arbeitskreis Krankenhaus“. Auf seiner Sitzung Anfang November ließ sich das Gremium über die aktuellen Veränderungen informieren. Wie Iris Herzig erklärt, sei den Mitgliedern des Arbeitskreises dabei versichert worden, dass die pädiatrische Versorgung im Ameos Krankenhaus Haldensleben weiterhin gewährleistet sei, wenn auch in einer anderen Organisationsform als bisher.
„Auch Krankenhäuser müssen wirtschaftlich geführt werden“, räumt Fachbereichskoordinatorin Iris Herzig ein. Aber: „Der Landkreis hat ein großes Interesse daran, dass die medizinische Versorgung von Kindern im Landkreis auch zukünftig sichergestellt ist. Wir müssen beobachten, welchen Beitrag das Ameos Krankenhaus in Haldensleben dazu leisten kann und wird.“