Illegale Graffiti Der Ärger über Schmierereien wächst
Illegale Graffiti sorgen in Magdeburg für reichlich Ärger unter Bewohnern und Immobilienbesitzern. Sie sind ein stadtweites Problem.
Magdeburg l Das Problem mit illegalen Graffiti zieht sich durch alle Sparten der Städtischen Werke Magdeburg (SWM). Kabelverteilerschränke, Trafostationen, Gasstationen und Abwasserpumpwerke sind nicht sicher vor den Schmierern, die auch am neuen eingezäunten Abwasserpumpwerk an der Tunnelbaustelle aktiv geworden sind. Etwa 15.000 Euro haben die SWM in den vergangenen drei Jahren in die Reinigung der beschmierten Anlagen investiert, so Sprecherin Cornelia Kolberg.
Die Stadtwerke bzw. Netze Magdeburg handeln derzeit nur noch, „wenn es zu besonders heftigen Schmierereien kommt und diese rassistisch oder fremdenfeindlich sind“. Eine Gegenaktion wie im Jahr 2005, als zum 1200-jährigen Bestehen der Stadt in der Innenstadt an repräsentativen Stellen etwa 20 Kabelverteilerschränke bzw. kleinere Trafostationen mit legalen Graffiti gestaltet wurden, ist derzeit nicht angedacht. Mittlerweile ist es auch so, dass bei den SWM vermehrt Anfragen von Anliegern und Gewerbetreibenden eingehen, Kabelverteilerschränke, die sich unmittelbar in ihrem Wirkungskreis befinden, zu gestalten bzw. gestalten zu lassen. Nach Vorlage eines entsprechenden Entwurfs werde eine schriftliche Genehmigung erteilt, so Cornelia Kolberg.
Jens Schneider von der Wohnungsbaugenossenschaft (WBG) Magdeburg-Stadtfeld (Die Stadtfelder) kritisiert den eher zurückhaltenden Aktionismus der SWM zur Beseitigung der Graffiti. Die Stadtfelder setzen bei der Beseitigung auf sofortige Maßnahmen. „Leider kommen die SWM bei ihren Objekten dem nicht nach und so verschandeln die besprühten Gebäude in ‚unseren‘ Wohngebieten immer mehr“, so der WBG-Vorstand, der als Beispiele Trafostationen an der Johannes-Göderitz-Straße (Neu-Olvenstedt) und an der Peterstraße (Altstadt) nennt.
Seit 2012 sind im Immobilienbestand der Stadtfelder 644 Fälle von Schmierereien zu verzeichnen. Drei Viertel der Fälle wurden in den Stadtteilen Stadtfeld-Ost, Neu-Olvenstedt und Neustädter See registriert. Es hat sich eine Schadenssumme von über 60.000 Euro angehäuft. Eine vor wenigen Wochen frisch gestrichene Fassade in Albert-Vater-Straße 17 ist jüngst mit Graffiti beschädigt worden.
„Für uns bedeuten die Schmierereien einen erheblichen finanziellen und personellen Aufwand“, so Schneider. Aufgrund der hohen Anzahl von Reinigungseinsätzen und den daraus resultierenden Kosten haben die Stadtfelder einen Rahmenvertrag zur Beseitigung dieser Schäden abgeschlossen, um die Ausgaben für die Beseitigung der Graffiti einzudämmen. Illusionen bei der Aufklärung der Sachbeschädigungen, so der strafrechtliche Bestand bei illegalen Graffiti, macht sich Jens Schneider nicht: „Die Anzeigenerstattung bedeutet natürlich auch einen erheblichen Aufwand für die Polizei. Die Aufklärungsquote tendiert gegen null oder die Verfahren werden wegen Geringfügigkeit eingestellt.“
Im ihrem Bestand hat die Magdeburger Wohnungsgenossenschaft (MWG) beispielsweise den Olvenstedter Platz sowie Wohngebiete in den Stadtteilen Neustädter See und Neue Neustadt als Brennpunkte in Bezug auf illegale Graffiti ausgemacht. Durchschnittlich 15.000 Euro muss die Genossenschaft pro Jahr für deren Beseitigung ausgeben. 70 Einsätze waren dazu in den vergangenen drei Jahren notwendig, so Sabrina Matros: „Die Schadensfälle sind in den vergangen Jahren zahlenmäßig stets hoch. Die Tendenz ist hier eher leicht steigend.“
Einen anderen Trend kann die Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg (Wobau) feststellen. Wurden 2013 noch 310 Schäden durch Graffiti festgestellt, waren es 2016 199. Bei Neubauten setzt die Wobau inzwischen von Anfang an auf Graffitischutz. Dabei handelt es sich laut Wobau-Pressestelle um einen speziellen Lack, nach dessen Auftragen sich Graffiti „recht einfach wieder entfernen lassen“. Die Vorfälle seien beim Unternehmen zwar rückläufig, aber dennoch sind Gaffiti dort ein kostenintensives Thema, das im Zeitraum von 2013 bis 2016 mit über 150.000 Euro zu Buche steht.
„Festzustellen ist, dass es im Gegensatz zu früheren Zeiten heute seltener zu ‚echten‘ Graffitischäden kommt, sondern eher pure Schmierereien zum Beispiel mit Edding, die an Hauswänden, Schautafeln, Haustüren, Briefkastenanlagen und Garagen auftauchen“, sagt Oliver Hornemann von der Wohnungsbaugenossenschaft (WBG) „Otto von Guericke“. Deren Bilanz der vergangenen drei Jahre weist 175 Fälle (Schadenssumme: 47.000 Euro), in denen Graffitischmierereien beseitigt werden mussten, aus. Darin sind allerdings nicht „die zahlreichen Schmierereien enthalten, die unsere Mitarbeiter mit den immer besser werdenden Reinigungsmitteln mittlerweile auch selbst entfernen können“, so der Vorstand.
Ein erhöhtes Schadenaufkommen lasse sich besonders an Wochenenden, Silvester, zu Demonstrationen und besonderen Sportveranstaltungen feststellen. Ein Schwerpunktgebiet gibt es im Bestand der WBG nicht, „in dem besonders häufig oder besonders selten gesprayt wird“, sagt Hornemann.
Zwar setzt auch die Genossenschaft auf eine unverzügliche Beseitigung der vermeintlichen Kunstwerke. Doch besteht darin auch eine Gefahr, die Verursacher herauszufordern, wenn man so will. Denn eine frisch gestrichene Wand wirke „oft wie eine neue Einladung für Sprayer und Edding-Künstler und diese Flächen ‚überleben‘ daher nur selten spurenlos das nächste Wochenende.“ Legale Graffiti werden daher als eine Art Prävention genutzt, Vandalismus abzuhalten. Die WBG hat dies an verschiedenen Standorten zum Beispiel an der Victor-Jara-Straße mit Zoomotiven und an einem Trafohäuschen am Scharnhorstring mit Straßenbahnmotiven ausprobiert. Hornemann: „Allerdings halten sich meist nur richtige Sprayer an den ‚Ehrenkodex‘, diese Graffiti nicht zu verunstalten.“
Zu den Graffitibeschädigungen beschäftigt die Genossenschaft das Bekleben mit Aufklebern jeglicher Art. „Von politischen und unpolitischen Botschaften bis hin zu den nutzlosesten Motiven finden sich zahlreiche Aufkleber, die ohne Unterlass auf alles geklebt werden, was sich auch nur irgendwie dazu eignet, beklebt zu werden“, zählt der Vorstand auf. Die Beseitigung der Aufkleber und Kleberückstände sei zeitaufwändig und teilweise nicht rückstandsfrei möglich.
Über diese Formen der „freien Entfaltung der Persönlichkeit“ könne man nur den Kopf schütteln, so das Resümee: „Sie können sich vorstellen, wie Mieter und Mitarbeiter sich fühlen, wenn frisch sanierte Objekte wie unser Scharnhorstring nach wenigen Tagen schon beschmiert werden. Enttäuschung, Unverständnis und Ärger wachsen.“
Wie unverständlich das Handeln der Schmierer ist, zeigt das Beispiel Düppler Mühle in Neu-Olvenstedt. Das Umfeld des Baudenkmals ist immer wieder das Ziel von illegalen Sprühereien, obwohl im direkt angrenzenden Kinder- und Jugendhaus „Mühle“ ein Projekt gestartet wurde, welches Jugendlichen die Möglichkeit gibt, ihre Kreativität auf legale Weise auszuleben. Rolf Weske, Vorsitzender des Vereins zum Erhalt der Düppler Mühle, lobt sogar Unterstützung dafür aus, einen zum Mühlengelände gehörigen Baucontainer „mit einem schönen Mühlenmotiv“ versehen zu lassen, wie er sagt. Bis heute ist allerdings noch niemand auf das Angebot eingegangen, „sich aktiv in die Gestaltung des Mühlenumfelds mit einem schönen Hingucker einzubringen“.
Die Landeshauptstadt Magdeburg ist zum Thema „Illegale Graffiti“ befragt worden. Eine Rückmeldung gab es jedoch nicht.