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Naturschutz Rettende Inseln für hungrige Insekten in Magdeburg

Wie der Verein Bienenweiden Magdeburg sich für das Wohl von Hummel, Honigbiene und Co. einsetzt.

27.03.2024, 05:40
Zwei Mitglieder des Vereins Bienenweiden an  der Kräuterbienenweide am Domfelsen: Tina Krämer (links) und Lucie Spencer.
Zwei Mitglieder des Vereins Bienenweiden an der Kräuterbienenweide am Domfelsen: Tina Krämer (links) und Lucie Spencer. Foto: Madlen Wille

Magdeburg. - Eine Wildbiene kann laut Tierschutzorganisation WWF bis zu 5.000 Blüten bestäuben. Doch immer mehr Insekten sterben. Ohne sie läuft nichts auf unserem Planeten. Der Verein Bienenweiden Magdeburg kämpft gegen dieses Insektensterben an. Volksstimme-Praktikantin Madlen Wille hat den Gründer des Vereins Bienenweiden Magdeburg, Nils Lichtenberg, zu den wichtigen Aspekten der Vereinsarbeit befragt.

Volksstimme: Sie hatten die Idee, den Verein Bienenweiden in Magdeburg zu gründen. Warum war das aus Ihrer Sicht nötig?

Nils Lichtenberg: Um das Jahr 2015 war das große Bienensterben eingetreten. Vor allem den Honigbienen ging es schlecht. Gegen diese Entwicklung wollte ich ankämpfen. Der Verein ist damals durch die Hilfe meines Imkerfreundes Jochen Emmert aus dem baden-württembergischen Niederstetten entstanden. Die erste große Bienenweide mit 2.000 Quadratmetern konnten wir dort auf einem alten Acker anlegen.

Meine Idee wollte ich aber größer und strukturierter ausbauen. Somit habe ich dann 2016 den Verein gegründet: Ich habe in Magdeburg weitere sieben Interessierte gefunden und damit den Freundeskreis Magdeburg gegründet, der sich für das Wohl der Bienen einsetzt.

Wie viele Mitstreiter hat Ihr Verein derzeit?

Zu Beginn waren wir sieben Gründungsmitglieder. Mittlerweile besteht der Verein aus 34 Mitgliedern. Allerdings sind leider nur etwa 10 Prozent davon aktiv, was wir gern ändern würden. Der Altersdurchschnitt liegt bei 42 Jahren.

Was sind die bedeutendsten Bienenweiden, die Sie bisher angelegt habt?

Den Anfang bildete die aus dem Acker in Baden-Württemberg entstandene Bienenweide mit ihren 2.000 Quadratmetern. Dann legten wir 2017 in Cobbel nahe Tangerhütte eine weitere 3.500 Quadratmeter große Bienenweide an. Danach folgten 2018 zwei Bienenweiden in Genthin. Durch die Erschließung der Kräuterbienenweide am Domfelsen in Magdeburg knüpften wir bereits Kontakt zum Eigenbetrieb Stadtgarten und Friedhöfe Magdeburg. Das war 2019.

Wenn wir unseren Fleischkonsum halbieren, könnten wir 20 Prozent der Fläche Deutschlands freimachen für Insektenschutz.

Nils Lichtenberg, Bienenweiden Magdeburg e. V.

Seit 2020 existiert an der Olvenstedter Röthe in Magdeburg eine 4.000 Quadratmeter große Bienenweide. Darüber hinaus befindet sich innerstädtisches Insektenhabitat auf dem Gelände der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Letztes Jahr im Spätsommer haben wir in Westerhüsen aus ehemaligen Kleingärten eine weitere 4.000 Quadratmeter große Bienenweide angelegt.

Generell haben wir bisher sehr viele Bienenweiden in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen auf insgesamt 50.000 Quadratmetern geschaffen. Zu den Kooperationspartnern vor Ort zählen die MWG Magdeburg und die Magdeburger Initiative „Otto pflanzt!“.

Nils Lichtenberg  (41) gründete den Verein Bienenweiden in Magdeburg.
Nils Lichtenberg (41) gründete den Verein Bienenweiden in Magdeburg.
Foto: Verein Bienenweiden

Welche Pflanzen nutzen Sie für die Bienenweiden?

Es handelt sich um eine Saatgutmischung mit 35 verschiedenen Arten, zum Beispiel Kornblume, Gewöhnliche Schafgarbe, Kleiner Wiesenknopf, Wilde Malve und Spitzwegerich.

Die Saatgutmischungen werden auf einzelne Regionen in Deutschland angepasst, denn die Wachstumsbedingungen sind in Deutschland regional unterschiedlich aufgrund der verschiedenen Regenmengen und Bodenbedingungen. Generell kaufen wir unsere Saatgutmischung von einem qualifizierten Anbieter.

Welche Anforderungen muss eine Bienenweide erfüllen?

Bienenweiden garantieren das Wohl der Bienen. Damit können wir etwas gegen das Insektensterben tun. Die drei Gründe für das Bienensterben sind Pestizide, mangelndes Nahrungsangebot und fehlende Rückzugsorte sowie Krankheiten wie die Varroamilbe. Zu den Ursachen gehört auch vor allem die intensive Landnutzung: 52 Prozent Fläche wird für Landwirtschaft genutzt, 17 Prozent für urbane Bereiche. Insgesamt werden 80 Prozent der Fläche Deutschlands vom Menschen genutzt.

Auf den Feldern werden hauptsächlich Getreide, Raps und Mais angebaut – Getreide an sich blüht aber nicht und produziert keinen Nektar! Es wird vorrangig nur als Tierfutter für die Fleischwirtschaft genutzt. Und daher lassen wir Bienenweiden entstehen. Die Bienenweiden schaffen und erhalten Nahrungsangebote sowie Rückzugsgebiete für die Bienen neben den großen Monokulturen.

Wer kümmert sich regelmäßig um die Bienenweiden?

Wir haben die Bienenweiden bewusst so angelegt, dass nach der Neuanlage für vier Jahre erst einmal die Fläche nicht gemäht wird und somit erhalten bleibt. Die Halme von den Pflanzen, an denen die ganzen Eier und Larven der Insekten hängen, sollen über die Winter kommen. Die Samenstände sollen stehen bleiben, damit Vögel etwas zu essen haben. Ich nenne das eine pflegeunintensive Veranstaltung.

Wie legen Sie eine Bienenweide an?

Zuerst hat man eine Fläche aus dem ländlichen Raum, zum Beispiel eine ehemalige Ackerfläche oder stillgelegte Kleingärten. Bei der Bodenbearbeitung muss dann die Oberfläche entfernt werden, das heißt, das Gras wird gefräst. Danach wird das Saatgut in feine Erde gesetzt. Lichtkeimer benötigen vor allem sehr viel Licht und Wasser. Daher muss das Ganze in einer regenreichen Periode wie im Frühjahr oder Herbst geschehen, weil die Wurzeln durchgängig feucht sein müssen.

Aus alten Ackerflächen machen wir Bienenweiden – neue Nahrungsangebote und Rückzugsorte für alle Bienenarten.

Nils Lichtenberg, Bienenweiden Magdeburg e. V.

Wann sind welche Arten von Bienen unterwegs?

Die Bienen sind tatsächlich über das ganze Jahr unterwegs. Es gibt Flugkalender und Blühkalender. Vom Frühjahr bis zum Herbst blühen immer verschiedene Blühpflanzen. Es gibt unterschiedliche Arten von Bienen: Schon ab Februar kann man die Hummel sehen. Sie hat einen Pelz und kann selbst Wärme erzeugen. Danach tritt die Rote Mauerbiene auf, gefolgt von der Maskenbiene. Zu den letzten Vertretern gehören die Wespen. Diese ernähren sich nur von Nektar und bestäuben vor allem Efeu, der noch im September blüht. Nach den Wespen folgen wieder die Hummeln – und zwar dann die neuen Königinnen, welche doppelt so groß wie die normalen Hummeln sind. Somit entsteht ein Kreislauf des Bienenvorkommens.

Zurück zum Verein. Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell?

Leider ist es schwierig, aktive Mitglieder zu halten. Auch die Finanzierung stellt eine Herausforderung dar, denn wir sind abhängig von der Unterstützung aus der breiten Gesellschaft oder von Firmen, die Patenschaften für die Flächen übernehmen, die wir bereits angelegt haben. Es sollte aber auch nicht nur Ehrenamtlern überlassen bleiben, sich für Insektenschutz einzusetzen, sondern das sollte auch die Aufgabe der Politik sein.

Was könnten Magdeburger tun, um Ihr Anliegen zu unterstützen?

Wir freuen uns über neue aktive Helfer wie auch jede finanzielle Unterstützung. Auch sollte sich jeder bewusst machen, dass der intensive Fleischkonsum der Menschen dazu führt, dass ganze Flächen ausschließlich mit Getreide angebaut werden, um die Fleischwirtschaft zu unterstützen. Es fängt also beim eigenen Konsum- und Essverhalten an.

Wie kann man sich beim Bienenweidenprojekt direkt einbringen?

Etwa mit Patenschaften. Das Geld daraus wird für den Kauf der Samenmischung, die Bewirtschaftung der Flächen und die Schaffung weiterer Bienenweiden genutzt. Auch über Spenden zur Förderung des Naturschutzes durch die Schaffung von neuen Lebensräumen für Bienen freuen wir uns. Außerdem kann man bei uns Mitglied werden.

Gibt es Veranstaltungen des Vereins, wo man Sie kennenlernen kann?

Am 11. Mai um 14 Uhr ist eine öffentliche, kostenlose Radtour geplant. Wir werden alle Bienenweiden in Magdeburg abfahren. Startpunkt ist die Kräuterbienenweide am Domfelsen.