Demenzzentrum Gegen die Einsamkeit im Alter
Das Schönebecker Demenzservicezentrum und die Human-WG besuchte Sozialminister Norbert Bischoff am Donnerstag.
Schönebeck l „Alle reden über demografischen Wandel, aber es passiert nichts“, machte Sigrid Meyer, Geschäftsführerin der Städtischen Wohnungsbau GmbH (SWB), gegenüber Norbert Bischoff deutlich. Der Sozialminister des Landes Sachsen-Anhalt war am Donnerstag zu Gast in Schönebeck. Dabei sah er sich im Demenzservicezentrum und der Human-Wohngemeinschaft um. „Sie haben gute Ideen“, stellte der Minister fest. Die Fürsorge für die älteren Bürger steht bei der SWB und der Bürgerstiftung Salzland offensichtlich ganz oben auf der Prioritätenliste.
Das Netzwerk Demenz, der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuz, Bürgerstiftung und SWB - alle Akteure waren in den letzten fünf Jahren an der Entstehung des Demenzservicezentrums in der Wilhelm-Hellge-Straße beteiligt. Von dem Ergebnis zeigte sich der Sozialminister beeindruckt. Bunte, helle Räume mit gemütlichen Sitzecken und modernen Küchenzeilen. Dort erinnert nichts an ein typisches Seniorenwohnheim und schon gar nicht an ein Krankenhaus.
Direkt im ersten Raum für die Tagespflege kommt Norbert Bischoff mit Margarete Sandring ins Gespräch. „Wir haben schon Adventsgestecke gebastelt und Kuchen gebacken“, erzählt sie dem Minister aufgeregt. Im Hintergrund läuft fröhliche Musik, Kreuzworträtselhefte liegen auf dem Tisch, es duftet nach frischem Kaffee. „Das klingt gut. Darf ich nach ihrem Alter fragen“, entgegnet ihr Norbert Bischoff. Margarete Sandring lässt ihn schätzen.
Und der Minister macht die Schönebeckerin mal eben 20 Jahre jünger als sie ist, nämlich 86 Jahre. „So sehen Sie gar nicht aus, ich kann gar keine Falten erkennen.“ Tagespflege-Patientin Margarete Sandring verrät dem Landespolitiker ihr Geheimrezept: „Ganz viel Mineralwasser trinken und das Gesicht mit kaltem Wasser waschen.“ Schon seit einem Monat kommt die Seniorin regelmäßig zur Tagespflege ins Demenzzentrum. Margarete Sandring wohnt noch Zuhause.
Das sieht am anderen Ende des voll verglasten Flurs anders aus. Dort können bis zu acht Einzelpersonen in einer Wohngruppe leben. Bisher sind dort fünf Senioren eingezogen. Die haben es sich gerade gemütlich vor dem Fernseher im Gemeinschaftsraum gemacht, als Norbert Bischoff am Donnerstag vorbei schaut. Eine Bewohnerin schaut ganz erschrocken in die große Besucherrunde, sie hat Tränen in den Augen. Sofort nimmt eine Betreuerin sie ganz fest in den Arm und tröstet liebevoll. „Sind gleich alle wieder weg.“
Weiter geht es im Obergeschoss. Dort können Frauen oder Männer mit einem an Demenz erkrankten Partner an ihrer Seite in eigene modern sanierte Wohnungen einziehen. „Der Schritt von Zuhause weg, ist doch sicher schwierig?“, fragt Norbert Bischoff die SWB-Geschäftsführerin Sigrid Meyer nach ihren ersten Erfahrungen. Und die seien äußerst positiv. Nachdem man bei der SWB zwar seit zehn Jahren Demenz-Wohngemeinschaften anbietet, war das Servicezentrum trotzdem „richtiges Neuland“.
Doch bereits nach zwei Monaten haben die Mitarbeiter festgestellt, wie positiv sich das Zusammenspiel der verschiedenen Angebote auswirkt und sogar dass es einigen Patienten besser geht, erklärt Sigrid Meyer. Das Besondere an diesem Konzept: Die Ehepartner können weiter zusammen leben, aber der Partner, der gesund ist, gewinnt wieder Luft für sich. Anders als bei einer Rundum-Pflege, die Angehörige von Demenzpatienten in den meisten Fällen leisten müssen. „Die gesunden Ehepartner können hier wieder neue Kontakte knüpfen und ihren Hobbys nachgehen“, sagt Sigrid Meyer und erklärt dem Minister, wie wichtig die Rolle des Beirates ist. Der kümmert sich unter anderem um die Essensplanung, die Finanzen und den Pflegedienst. Denn die Wohnungen werden ganz normal bei der SWB gemietet. „Wenn einer der Partner stirbt, kann dann der andere hier wohnen bleiben?“, will Bischoff wissen. Das sei Meyer zufolge in jedem Fall möglich - und extra in den Verträgen festgehalten.
Auch vom Projekt Human-Wohngemeinschaft macht sich Bischoff am Donnerstag ein Bild. In der Garbsener Straße sind auf einer Etage zehn sanierte Zimmer für schwer Pflegebedürftige entstanden. Die Bewohner können dort bis zu ihrem Tod - unter anderem mit Unterstützung einer Palliativmedizinerin und der Sozialstation Caritas - versorgt werden. Was für die Akteure wichtig ist: Die Bewohner der Human-WG müssen am Ende nicht noch mal umziehen, oder sogar ins Krankenhaus.
Sigrid Meyer ist überzeugt, dass so ein Konzept landesweit Vorbildwirkung haben könnte. Sie spricht die Einsamkeit im Alter an und macht deutlich: „Wer einmal einen Menschen, nachdem er bereits drei Wochen verstorben ist, in seiner Wohnung findet, weiß was mit dieser Einsamkeit gemeint ist.“ Bischoff zeigt sich von der Idee der Wohngemeinschaft beeindruckt und stellt abschließend klar: „Über das Sterben müsste in unserer Gesellschaft wieder viel mehr gesprochen werden.“