Neues Wohngebiet Fachwerk trifft Bauhaus

In Wernigerode soll rund um die leerstehende Sennhütte wieder Leben einkehren. Ein Investor plant ein Wohngebiet im Bauhaus-Stil.

Von Ivonne Sielaff 10.03.2016, 00:01

Wernigerode l Bisher wird Wernigerode eher mit Fachwerkhäusern in Verbindung gebracht. Das könnte sich ändern. Die Stadt erhält ein Wohnviertel im Bauhaus-Stil. Die Entwürfe dafür haben Investor Sven Oels und Bauplanerin Simone Strohmeier im jüngsten Bauausschuss vorgestellt. Entstehen soll das neue Wohngebiet auf dem Gelände der Sennhütte auf dem Gipfel des Ratskopfes in Hasserode. Sven Oels, der in Wernigerode zwei Pensionen betreibt, ist seit Anfang des Jahres Besitzer des knapp zwei Hektar großen Areals. Die Sennhütte war Anfang des 20. Jahrhunderts eine beliebte Ausflugsgaststätte und wurde nach der Wende als Schulungsgebäude der AOK sowie als Berghotel genutzt. Seit einigen Jahren steht die Fachwerkvilla leer.

„Wir haben versucht, ein leises, ruhiges Konzept ohne monumentale Bauten zu entwickeln, das den Anwohnern und der Stadt Freude und Wohnraum bringt“, so Oels. Dreizehn zwei- bis dreigeschossige Einfamilienhäuser und drei Mehrfamilienhäuser in bauhaus-naher Architektur sind geplant – das heißt kubische Formen, weiße Fassaden und Flachdächer. Das ehemalige Hotel mit geplantem Anbau soll als kleine Pension geführt, das Restaurant wieder eröffnet werden. Die beiden AOK-Internatsgebäude sollen ebenfalls als Pensionen genutzt werden oder Wohnraum für Singles bieten.

„Sehr viel Arbeit haben wir in die Erhaltung der Natur gesteckt“, informierte Oels. So soll ein Teil der Baumallee, die zu den Internatsgebäuden führt, erhalten bleiben. Zudem sei festgesetzt worden, dass je Baugrundstück, abhängig von der Größe, ein bis zwei Laubbäume angepflanzt werden müssen. Bereits vorhandene Bäume können angerechnet werden, wie Simone Strohmeier erklärte. Sorge bereitet den Planern das Erdfall- und Senkungsgebiet, das sich im nördlichen Bereich des Geländes befindet. So etwas sei am Harzrand nicht selten, so Strohmeier. Es stehe eine Baugrunduntersuchung an. „Aber wir gehen davon aus, dass dort eine Bebauung möglich ist – wie auf den Nachbargrundstücken auch.“

Die Mehrheit der Bauausschuss-Mitglieder zeigte sich angetan von Sven Oels‘ Projekt. Matthias Winkelmann (CDU) bezeichnete das Bauvorhaben als „überregional beispielgebend“. Uwe-Friedrich Albrecht (CDU) sieht Wernigerode zukünftig sogar in einer Reihe mit Bauhausstädten wie Dessau und Weimar. Bauhaus sei ein zeitlos klassischer Stil und ein deutlicher Kontrast zu dem, was es sonst in Wernigerode gebe, sagte Siegfried Siegel. Allerdings bemängelte der Sozialdemokrat, dass der Investor nicht auf das kleine Stückchen Wald verzichten will, das zu dem Baugelände gehört. „Der Wald bleibt erhalten“, entgegnete Oels. „Wir werden dort keinen einzigen Baum anfassen.“

Bauchschmerzen haben derzeit noch einige der Anwohner, die der Sitzung zahlreich beiwohnten. Sie fürchten um die Idylle der Obstbaumwiesen rund um die Sennhütte und rechnen mit deutlich mehr Verkehr in ihrem ruhigen Wohnviertel. „Wieviel Verkehr kommt auf das Wohngebiet zu?“, wollte auch Frank Diesener (Haus&Grund) wissen. „Höchstens 40 Autos mehr“, kalkulierte Sven Oels. Das Verkehrsaufkommen sei eher gering. Als Zufahrtsstraße zu dem Gelände soll künftig die Stichstraße vom Eisenberg dienen. Diese sei laut Anwohnern jedoch in einem „miserablen“ Zustand. Bauamtschef Jörg Völkel bestätigte, dass die Straße nicht grundhaft ausgebaut sei. „Ich kann nicht sagen, dass sie perfekt für den neuen Bedarf ist“, so Völkel.

Christian Härtel (Linke) gab zu bedenken, dass die Sichtachse von den Schlossterrassen zur Sennhütte eine „gewisse Erfrischung“ erleben wird, die nicht überall auf Gegenliebe stoßen werde. „Für die, die auf Traditionalismus setzen, ist das ein Bruch in der Optik“, so der Chef des Bauausschusses. Härtel ermutigte die Anwohner zudem, die Öffentlichkeitsbeteiligung innerhalb des Planverfahrens zu nutzen. „Gehen Sie ins Rathaus und bringen Sie Ihre Kritik an.“

Sechs der sieben Ausschussmitglieder gaben grünes Licht für das Projekt. Nur Sabine Wetzel (Bündnis 90/ Die Grünen) stimmte dagegen. Sie störe sich am beschleunigten Planverfahren, das eine frühzeitige Bürgerbeteiligung und ein Umweltverträglichkeitsgutachten ausschließe, erklärte sie auf Volksstimme-Nachfrage. „Soviel über unseren Weg zu Nachhaltigkeit, besserer Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Bürgern.“

Die Stadtratsmitglieder haben in ihrer Sitzung am Donnerstag, 24. März, das letzte Wort.