Paralympics Im Endspurt an den Zuckerhut
In Rio die Janeiro beginnen die Paralympics. Bei den Spielen startet ein Wernigeröder, dessen gesamtes Leben sich um Fahrräder dreht.
Wernigerode l Thomas Schäfers großer Traum wird doch noch wahr. Der Wernigeröder Radsportler startet bei den Paralympics in Rio de Janeiro im Zeitfahren und im Straßenrennen. „Seit sechs Jahren arbeite ich auf dieses Ziel hin.“ In den vergangenen Monaten hat der 35-Jährige, der wegen einer angeborenen Fehlbildung am rechten Unterschenkel eine Prothese trägt und links einen Klumbfuß hat, ein Wechselbad der Gefühle durchlebt.
Nach einer Regeländerung des Weltradsport-verbandes UCI flog Schäfer aus dem Paralympics-Kader des Deutschen Behindertensport-verbandes. Wegen des Komplettausschlusses der russischen Mannschaft darf der ehrgeizige Fahrer vom Nordharzer Racingteam doch noch in Rio starten. „Die vergangenen sechs Monate waren voller Höhen und Tiefen“, kommentiert Thomas Schäfer.
Die Eröffnungsfeier der Paralympics verpasst der Harzer. Er fliegt erst am 11. September nach Brasilien. „Ich fahre nicht als Tourist nach Rio, ich konzentriere mich auf meinen einen Start im Einzelzeitfahren.“ Er will „keine Urlaubsgefühle aufkommen lassen“. Für den Besuch bei Wettkämpfen anderer Sportarten bleibe aber hoffentlich genug Zeit.
Trotz der kurzen Vorbereitung reist der ehrgeizige Paracycler – so werden in der Radsport-Szene die Fahrer mit Behinderung genannt – mit hohen Zielen an den Zuckerhut. „Mit Nils Petersen hat ein Wernigeröder bei den Olympischen Spielen eine Medaille gewonnen – da möchte ich nicht nachstehen“, sagt Thomas Schäfer und schmunzelt.
Seine Hoffnungen auf Edelmetall seien durchaus berechtigt: „Der 30 Kilometer lange Zeitfahrkurs in Rio ist recht bergig – das liegt mir.“ Den Trainingsrückstand versucht der Wernigeröder auf den Harzer Straßen aufzuholen. „Normalerweise fahre ich viel durch den Vorharz, für intensivere Einheiten schinde ich mich die Berge hinauf Richtung Schierke und Braunlage.“
Die Paralympics-Vorbereitung bedeutet für den Vater von zwei Kindern viel Stress. „Früh bringe ich meine Tochter in den Kindergarten, dann trainiere ich eine Stunde auf dem Rad, arbeite acht Stunden im Fahrradgeschäft und trainiere abends noch eine Stunde“, sagt Thomas Schäfer über seinen Alltag.
„Ohne meine Familie würde ich das alles nicht schaffen. Meine Frau steht hunderprozentig hinter mir.“ Zu Hause seien nach der Nachricht von der zwischenzeitlichen Nichtnominierung Tränen geflossen. „Doch mein Arbeitgeber und meine Kollegen bei Bad Bikes unterstützen mich fantastisch“, sagt Thomas Schäfer. Er habe kurzfristig frei bekommen, um in Rio starten zu können. Der Wernigeröder ist einer der wenigen Paracycler bei Olympia, der seinen Sport in seiner Freizeit betreibt und nicht professionell.
Angefangen mit dem Radsport hat Thomas Schäfer vor 13 Jahren. „Langsam wurde ich immer besser“, sagt er über seinen Weg in die Weltspitze. Vor vier Jahren hatte er die Qualifikation für die Paralympischen Spiele in London verpasst. „Damals war der ganze Rummel noch zu neu für mich.“
Der vielseitige Radler hat inzwischen seine Karriere im Bahnradsport beendet, fährt aber noch Rennen auf dem Mountainbike. „Da kann ich mich mit europäischen Spitzenfahrern ohne Handicap messen.“ Der Wernigeröder ist in dieser Saison bei Weltcup-Rennen, der Weltmeisterschaft und der Deutschen Meisterschaft für Paracycler gestartet.