Schierke-Entwicklung Grüne fahren schwere Geschütze auf
Die im Wernigeröder Ortsteil Schierke geplante Entwicklung droht regierungsintern für Krach zu sorgen. Die Grünen schwere Geschütze auf.
Schierke l Der Vorwurf wiegt schwer: „Stadtverwaltung gibt Landtag falsche Auskunft“. Mit diesem Vokabular ist Olaf Meister, finanz- und tourismuspolitischer Sprecher der bündnisgrünen Landtagsfraktion, am Montag via Pressemitteilung zum Angriff gegen die Verantwortlichen der Stadtverwaltung Wernigerode gestartet. Dort hebt man ebenso überrascht wie irritiert die Hände.
Anlass für Meisters Worte sind Planspiele zur denkbaren Verkehrserschließung der Harzgemeinde, die am Mittwoch voriger Woche von Vertretern eines Ingenieurbüros im Sonderausschuss Schierke vorgestellt worden sind und über die die Volksstimme unter der Überschrift „Schierke: Nordtrasse wieder Thema“ berichtet hat. Klarer Tenor dabei: Die Planer bringen als ein denkbares Szenario die sogenannte Nordtrasse wieder ins Gespräch. Diese könnte zusammen mit der bereits bestehenden Süd-trasse (Strecke vom Barenberg über Winterberg-Parkhaus zur Jugendherberge) die Erreichbarkeit des Ortes verbessern und das Zentrum entlasten.
Überlegungen, mit denen sich der bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Meister jäh überrascht sieht. Mehr noch: „Ich fühle mich belogen, weil ich wenige Tage zuvor – bei einer Ausschusssitzung des Landtags am 9. September in Schierke – ganz konkret nachgefragt habe, ob und welche Pläne es mit dem Verkehr gibt.“ Dabei, so Meister, habe der Vertreter der Stadtverwaltung erklärt, dass keine Projekte geplant seien. Man wolle die Verkehrsinfrastruktur nicht auf die wenigen Tage mit Belastungsspitzen ausrichten, habe es geheißen. „Und nun ist plötzlich von Planungen einer Nordtrasse die Rede“, empört sich Meister.
Was wiederum Andreas Meling, seines Zeichens Stabsstellenleiter für die Entwicklung von Schierke im Wernigeröder Rathaus und besagter Referent beim Ausschussbesuch, verwundert. Er habe den Gästen die Schwerpunkte der in Schierke geplanten Projekte vorgestellt und auf Nachfrage den Bau eines zweiten Parkhauses verneint, erklärt er auf Nachfrage der Volksstimme. Besagte Nordtrasse habe tatsächlich keine Rolle gespielt. „Aber nicht, weil wir den Ausschussmitgliedern etwas verheimlichen wollten, sondern weil diese Trasse im Moment kein Thema ist.“
„Wir reden zwar seit sechs Jahren über eine solche Ortsumfahrung als eine mögliche Variante. Sie spielt im Moment aber bei Planungen überhaupt keine Rolle und ist auch nicht mehr Bestandteil der Finanzplanung“, so der Stabsstellenleiter. Dass wenige Tage später Vertreter eines Ingenieurbüros beim Vorstellen denkbarer Szenarien diesen Gedanken plötzlich wieder von ganz unten nach oben holen, sei Zufall. Allerdings: Die Vertreter des Bauamtes ließen – anders als Ausschussmitglieder – Sympathien mit jener Nordtrasse erkennen.
Wohl auch deshalb finden die Grünen deutliche Worte. Doch haben sie noch mal im Rathaus nachgefragt, um jene Szenarien konkret einzuordnen, bevor sie ihre Presseerklärung verbreiten? Nein, räumt Olaf Meister ein.
Doch wie realistisch sind die Pläne, nördlich von den Grundstücken am Hermann-Löns-Weg am Waldrand und damit direkt an der Grenze zum Nationalpark eine Straße zu bauen, überhaupt? „Wir haben keine öffentlichen Grundstücke und müssten entweder den Nationalpark oder die Anlieger ansprechen“, bestätigt Meling. In beiden Fällen dürften die Chancen gering sein. Für die Nationalpark-Anrainer-Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sind territoriale Eingriffe ein Tabu.
So überrascht Melings Perspektive nicht: Eine solche Nordtrasse käme allenfalls in Betracht, wenn alle Projekte in Schierke realisiert seien. „Und davon – von der Winterberg-Seilbahn oder 500 Hotelbetten – sind wir noch weit entfernt.“ Das letzte Wort hätten ohnehin die Stadträte.
Ist der Frontalangriff der Grünen also ein Sturm im Wasserglas? Bereits nach der Sitzung des Landtagsausschusses hatten die Grünen zwar in zwei Presseerklärungen die Seilbahn- und Pistenpläne am Winterberg heftig kritisiert und darin ein „Millionengrab“ gesehen. Ihr umweltpolitischer Sprecher Wolfgang Aldag zeigte sich mit Blick auf die übrigen Projekte aber offen – der Ort brauche eine Entwicklung, sagte er zur Volksstimme.
Wie auch immer. Während die Grünen einen höchst kritischen Blick auf die Schierke-Projekte haben, üben die Landtagsabgeordneten Bernhard Daldrup (CDU) und Andreas Steppuhn (SPD) demonstrativ und parteiübergreifend den Schulterschluss: Das gesamte Entwicklungsprojekt – allen voran das Wander- und Skigebiet am Winterberg – sei eine große Chance für die gesamte Region, teilen sie mit.