Biotop Schilfschneise ruft Entsetzen hervor
Im Naturschutzgebiet Steckby-Lödderitzer Forst kam es zu einer „Biotopzerstörung“. Mit Unverständnis reagieren Politiker und Umweltschützer.
Steckby l „Ach du meine Güte.“ Ulrike von Thadden reagiert geschockt, als sie die Schneise sieht, die sich durch den hohen Schilfgürtel zieht. „Das ist der Tatort“, bestätigt Dr. Ernst Paul Dörfler. Die Formulierung ist drastisch gewählt. Doch das Bild, das sich beiden unterhalb von Steckby bietet, entsetzt die Grünenpolitikerin und den Umweltschützer. Entlang des Auegrabens, der den Pfaffensee mit der Elbe verbindet, wurde der Röhricht mit schwerer Technik auf einer geschätzten Breite von bis zu sechs Metern niedergemäht.
Von dieser „Biotopzerstörung“ inmitten des Naturschutzgebietes Steckby-Lödderitzer Forst, von der Dörfler spricht, möchte sich auch Wolfgang Aldag persönlich überzeugen. Immer wieder macht der umweltpolitische Sprecher der bündnisgrünen Landtagsfraktion Fotos. Er will sich eine eigene Meinung bilden. Die hat Matthias Keller bereits gefasst. „Das ist ein unverhältnismäßiger Eingriff“, erklärt der Steckbyer, der ehrenamtlich als Naturschutzbeauftragter des Landkreises Anhalt-Bitterfeld tätig ist. Das Ausmaß empört auch ihn.
„Schilf ist Lebensraum, der europaweit unter Schutz steht“, betont Ernst Paul Dörfler. „Wir möchten den Grund für diese Zerstörung erfahren“, erläutert er das gemeinsame Anliegen. Sicher wachse das Schilf wieder nach, gibt er zu. In der Zwischenzeit jedoch erhalten Neophyten wie das Indische Springkraut Gelegenheit, sich auszubreiten und heimische Arten zu verdrängen. „Die Frage ist, welche Eingriffe sind zulässig in einem Naturschutzgebiet“, erklärt Wolfgang Aldag. „Und stehen Nutzen und Kosten im Verhältnis?“, ergänzt Dörfler. „Ich werde eine Anzeige prüfen“, bemerkt Ulrike von Thadden.
Einige Fakten sind ihnen bereits bekannt. So handelt es sich beim Auegraben um ein Gewässer 2. Ordnung, für welches der Unterhaltungsverband Nuthe/Rossel zuständig ist. Dieser führte in diesem Jahr erstmals nach längerer Zeit wieder eine Böschungsmahd durch, um den Zustand des Grabens genauer begutachten zu können. „Im Januar soll eine Gewässerschau stattfinden“, gibt Wolfgang Aldag seinen Kenntnisstand wieder. Er selbst möchte bei diesem Vor-Ort-Termin dabei sein. Zugleich will er mit der unteren Naturschutzbehörde des Kreises Anhalt-Bitterfeld in Kontakt treten.
Denn noch eines beschäftigt die Grünenpolitiker und Umweltschützer: „Die Aue ist in den vergangenen 20 Jahren immer trockener geworden“, erklärt Ernst Paul Dörfler. Watvögel wie den Kiebitz gebe es nicht mehr. Auch Wiesenpieper und Wachtelkönig seien verschwunden. „In diesem Jahr brütete kein Storch in Steckby“, berichtet Dörfler von ausbleibenden Froschkonzerten. Auch die Flora leidet. „Die alten Eichen reagieren mit Stress auf das wegfallende Wasser“, zeigt er auf erste absterbende Bäume.
Als Schlagader der Steckbyer Elbaue bezeichnet Dörfler den Auegraben, der streckenweise komplett trocken liegt. Für ihn ist ganz klar: Weiter vertieft werden darf der Graben nicht – genauso wenig wie die Elbe. Dies betrachtet er als eine der wesentlichen Ursachen für die zunehmende Austrocknung der Auenlandschaft. „Die Böden sind hart wie Beton“, beschreibt Matthias Keller die Situation. „Wir müssen akzeptieren, dass es in der Aue Stellen gibt, wo zeitweise das Wasser steht“, sagt Ernst Paul Dörfler. Er spricht sich gegen die Gewährleistung eines schadlosen Wasserabflusses aus, was Hauptaufgabe der Unterhaltungsverbände ist.
Wolfgang Aldag fordert hier ein Umdenken. „Wir müssen das neu bewerten“, findet der umweltpolitische Sprecher der Grünen. „Wir wollen mehr Touristen, das ist unser Ziel.“ Aus dem Grund müsste das erhalten werden, weshalb die Menschen in die Aue kommen, denkt er nicht zuletzt an den beliebten Elberadweg. „Ich will eine funktionstüchtige, intakte Aue haben“, stellt er seinen Standpunkt dar. „Das Wasser kann nach wie vor ablaufen“, erklärt Matthias Keller. Aus seiner Sicht muss am Auegraben nichts gemacht werden.
Ob Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden und wenn ja, welche – das wird der Vor-Ort-Termin im Januar ergeben.