Europaabgeordneter Arne Lietz "Israel findet zu wenig Gehör"
Arne Lietz, Europaabegeordneter der SPD, ist Mitglied der Parlamentsdelegation für Israel. Mit drei Sozialdemokraten aus Europa war er jüngst dort vor Ort, um Chancen auf eine Verständigung im Nahost-Konflikt auszuloten. Mit dem Wittenberger sprach Steffen Honig.
Volksstimme: Wie haben Sie die Atmosphäre in Israel empfunden?
Arne Lietz: Als äußerst angespannt. Während unserer Reise wurden im Zuge der Auseinandersetzungen um den Tempelberg in Jerusalem mehrere Anschläge verübt. Ein palästinensischer Attentäter wurde von der Polizei erschossen. Dies hat den Konflikt weiter angeheizt.
Was wollte Ihr sozialdemokratisches Quartett aus Europa in Israel erreichen?
Wir wollten den Boden bereiten für einen Dialog mit israelischen Parteien, die der Sozialdemokratie nahe sind, und sie dafür nach Brüssel einladen. Denn Israel findet zu wenig Gehör im Europäischen Parlament. Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses sehe ich eine Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass beide Seiten gehört werden. Die israelische Arbeitspartei hat dieses Angebot angenommen.
Sie haben auch Staatspräsident Reuven Rivlin, einen Konservativen, getroffen. Was konnten Sie aus dem Gespräch mitnehmen?
Der Präsident wünscht sich, dass wir uns als Europäer neben den Amerikanern mehr in Gespräche zur Lösung des Nahost-Problems einbringen. Er ist zwar für die Ein-Staaten-Lösung, setzt sich aber verstärkt dafür ein, dass alle Minderheiten gerecht behandelt werden. Er stößt nach den ersten Monaten im Amt neue Tore auf. Rivlin wird deshalb sogar von den eigenen Leuten aufs Schärfste kritisiert.
Die neue europäische Außenbevollmächtigte Federica Mogherini hat ihre erste Auslandsreise außerhalb Europas nach Israel unternommen. Wie werten Sie den Besuch?
Ihr Besuch ist ein wichtiges Zeichen. Sie hat damit deutlich gemacht, dass die EU bereit ist, sich aktiv für eine Wiederbelebung der Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern einzusetzen. Sie hat außerdem die Schaffung eines palästinensischen Staates als Ziel benannt. Ich unterstütze ihre Bemühungen um einen Neuanfang.
Macht sich angesichts andauernder Gewalt und Gegengewalt in Nahost nicht Ohnmacht im EU-Parlament breit?
Ohnmächtig empfinden wir uns nicht. Sonst hätte sich unsere Delegation nicht auf den Weg gemacht. Privat habe ich schon miterlebt, wie plötzlich die DDR-Diktatur in sich zusammenfiel und die Atomkriegsszenarien in Mitteleuropa sich in Luft auflösten. Der Geduldsfaden der Abgeordneten ist dennoch durchaus strapaziert. Immer dann, wenn durch europäische Steuergelder finanzierte Projekte im Gaza-streifen wiederholt zerschossen werden. Viele Abgeordnete sind zudem höchst ungehalten darüber, dass wir nicht einmal Zugang nach Gaza haben, um den Fortgang bei Schulen und anderen Infrastrukturprojekten zu verfolgen. Das haben wir auch bei allen unseren Gesprächen angesprochen.
Die Rede ist bereits von einer dritten Intifada der Palästinenser. Also mal wieder alles auf null in Nahost?
Tatsächlich denkt man manchmal, dass man immer wieder am Punkt null anfangen muss. Es heißt jedoch, immer dranzubleiben, um Chancen zu eröffnen, dass sich etwas bewegt. Nicht zuletzt anknüpfend an Interessen Israels: Das EU-Programm "Horizont 2020" sieht auch Mittel für die Universitäten dort vor. Auch sind verbesserte Handelsbeziehungen wichtig, da die EU einer der bedeutendsten Handelspartner Israels ist. Es ist für beide Seiten wichtig, weiter den Dialog zu suchen. Dass sich die Führer gegenseitig als Terroristen bezeichnen, erschwert die Wiederaufnahme von Gesprächen, die die EU anschieben möchte.