SPD-Bundestagsfraktion will gemeinsames Sorgerecht so einfach wie möglich machen Wenn der Vater mit dem Sohne - eine Hängepartie beim Familienrecht
Es gibt Richtersprüche, von denen man sagt, sie seien ein Titel, den man sich einrahmen und an die Wand hängen könne. Das werden mittlerweile auch zigtausende ledige Väter in Deutschland über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg sagen. Dieses erklärt deutsches Recht, nach dem ledige Väter das Sorgerecht für ihre Kinder nur mit Zustimmung der Mutter erhalten, für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Das Urteil liegt dieser Tage seit zwei Jahren auf dem Tisch der Bundesregierung und in den Fraktionen des Bundestages.
Doch beim gemeinsamen Sorgerecht ist noch alles beim Alten. Das verhilft weder alleinerziehenden Eltern - knapp 100000 in Sachsen-Anhalt - zu rechtlicher Klarheit, noch dient es den Kindern. In Ostdeutschland werden rund drei Fünftel aller Kinder unehelich geboren, im Westen ist es jedes vierte Kind. Bundesweit waren im Jahr 2009 von rund 600 000 Geburten, 217 758 nichtehelich.
Zur Vorgeschichte: Ein lediger Vater war vor das Straßburger Gericht gezogen, nachdem er vergeblich um das Sorgerecht für seine Tochter gekämpft hatte. Das Mädchen hatte jahrelang mit beiden Elternteilen zusammengelebt, anschließend drei Jahre mit dem Vater. Als dann das Kind zur Mutter zog, blieb der Kontakt zum Vater erhalten. Der Vater erhielt zwar Recht, hat aber nach deutschem Recht bis heute keine Chance. Denn im Gesetz heißt es: Wird ein Kind unehelich geboren, erhält allein die Mutter die elterliche Sorge. Der Vater kann das Sorgerecht nur erlangen, wenn beide heiraten oder sich für ein gemeinsames Sorgerecht erklären.
Bisher nicht erfolgreich
"Das Gesetz blendet diese Väter aus, das darf nicht sein. Ich werde mich deshalb dafür einsetzen, dass Väter nichtehelicher Kinder das Sorgerecht gegen den Willen der Mutter vor Gericht erfolgreich erstreiten können", versprach der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka (SPD) im Februar 2010 auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Dessau-Roßlau.
Ende 2010 sollten die Ergebnisse einer Studie der Bundesregierung vorliegen, danach werde das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, hoffte Lischka damals. In diesem Sommer lag die vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebene Studie endlich vor. Ihr zufolge entscheiden sich knapp zwei Drittel aller unverheirateten Paare für ein gemeinsames Sorgerecht.
Das übrige gute Drittel teilt sich auf in Fälle, in denen der Vater kein Interesse an einer Mitsorge hat, in denen das Sorgerecht durch einen Dritten (Jugendamt) ausgeübt wird und in denen der Vater die Mitsorge erstrebt, die Mutter dem jedoch nicht zustimmt.
Heute kritisiert Lischka, der rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ist, die Bundesregierung habe sich nicht energisch genug des Problems angenommen. Aber auch seine Fraktion sei da nicht besonders erfolgreich tätig gewesen, räumt er im Gespräch mit der Volksstimme ein.
Zäh zieht sich der politische Streit hin, die Kontrahenten - Politiker, Juristen, Interessenverbände - sitzen in ideologischen Schützengräben fest. Vertretern zweier unversöhnlicher Modelle streiten mit Lust und Ausdauer entweder für eine Antragslösung oder für eine Widerspruchslösung.
Bei der Antragslösung hat zunächst die Mutter das alleinige Sorgerecht. Die Eltern müssen sich auf eine gemeinsame Sorge einigen. Geschieht das nicht, kann ein Familiengericht das Sorgerecht auf Antrag des Vaters auf beide Eltern gemeinsam übertragen. Der Antrag ist in jedem Fall zwingend. Die Widerspruchslösung sieht zunächst eine gemeinsame Sorge beider Elternteile vor. Die Mutter kann aber beantragen, dass ein Familiengericht ihr das alleinige Sorgerecht überträgt.
Dass sich nicht mehr bewegt, sein "ein unhaltbarer Zustand", findet Lischka. "Es geht doch nicht allein um das Recht zu entscheiden, sondern auch um die Pflicht, elterliche Verantwortung wahrzunehmen."
So einfach wie möglich
Deshalb will die SPD-Bundestagsfraktion in der kommenden Woche eine Gesetzesinitiative vorstellen, die eine gemeinsame Sorge so einfach wie möglich machen möchte. Nach dem der Volksstimme vorliegenden Entwurf für einen Bundestagsbeschluss soll das gemeinsame Sorgerecht bereits festgeschrieben werden, wenn das Neugeborene beim Standesamt angemeldet wird. Wenn das die Eltern nicht tun, solle das Jugendamt vermitteln und auf eine einvernehmliche Lösung hinwirken. Bleibe das erfolglos, entscheide ein Familiengericht, ohne dass es eines elterlichen Antrags bedarf.
"Die dem familiengerichtlichen Verfahren vorgeschalteten behördlichen Vermittlungsversuche, dienen (...) der Konfliktschlichtung und werden die Belastung der Familiengerichte durch Folgestreitigkeiten (Schulbesuch, medizinische Behandlung) reduzieren", wird in dem Antrag argumentiert. Eine derartige Lösung sei in erster Linie am Kindeswohl orientiert. Und: Weder Vater noch Mutter werden -anders als bei bisher diskutierten Modellen - einen gerichtlichen Antrag stellen müssen.