Linken-Politiker Jan Korte zu Verfassungsschutz-Problemen und Wirtschaftslage in Sachsen-Anhalt "Ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent wie unter Kohl ist nicht zu viel verlangt"
Jan Korte ist Sprecher der sachsen-anhaltischen Linken-Bundestagsabgeordneten und sitzt im Innenausschuss. Über beide Aufgabenfelder sprach Volksstimme-Redakteur Steffen Honig mit ihm.
Volksstimme: Sehen Sie es als Erfolg, dass ein neues NPD-Verbotsverfahren auf dem Weg ist?
Korte: Ich hoffe die Zuständigen haben es diesmal solider vorbereitet als beim letzten Mal. Ein Scheitern wäre eine Katastrophe. Ich erachte die Fokussierung auf ein NPD-Verbot, welches frühestens in einigen Jahren rechtswirksam würde, für problematisch. Das Engagement gegen Menschenfeindlichkeit ist eine permanente Aufgabe aller Demokraten und nicht auf ein Parteiverbot zu reduzieren. Und schon gar nicht darf dabei das Versagen einiger Sicherheitsbehörden, speziell des Verfassungsschutzes, aus dem Blick geraten.
"Ich kann trotzdem gut schlafen."
Volksstimme:Grundlage eines NPD-Verbotsverfahrens wäre ein Verfassungsschutz-Bericht. Mit Überwachung durch die Behörde haben auch Sie als Linken-Spitzenkandidat in Anhalt für die Bundestagswahl 2013 Erfahrung. Inwiefern belastet Sie dabei, dass die Linkspartei noch immer vom Verfassungsschutz beobachtet wird?
Korte: Persönlich beschäftigt mich das nicht, ich kann trotzdem gut schlafen. Aber politisch gesehen ist es so skandalös wie absurd. Man muss sich ja nur überlegen, dass im Bundesamt für Verfassungsschutz irgendjemand dieses Interview aus der Volksstimme schnippelt und es archiviert. Aber mal ganz konkret: Im Wahlkreis reden viele mit mir über vertrauliche Dinge, weil sie zum Beispiel in persönlichen Notlagen sind. Die sind natürlich verunsichert, ob sie diese Informationen jetzt wirklich nur mit mir teilen. Da wächst eine Hemmschwelle, die mir politisch schadet - und genau das ist gewollt. Ich halte das für undemokratisch. Man stelle sich mal vor, die rot-rote Regierung in Brandenburg ließe die CDU dort überwachen, weil sie merkwürdige Politik macht. Der Aufschrei wäre groß.
Volksstimme: Jüngst hat sich auch CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach kritisch zur Linken-Beobachtung geäußert. Was glauben Sie: Wie lange wird Ihre Partei noch unter Beobachtung stehen?
Volksstimme: Ich kenne Wolfgang Bosbach aus dem Innenausschuss und ich finde es gut, dass er auch mal einen vernünftigen Vorschlag macht. Ich bin sicher er trifft damit den Nerv der Bevölkerung. Viele haben bisher ja gedacht, der Verfassungsschutz habe sicherlich einen Grund für die Beobachtung der Linken. Jetzt haben sie erkannt, dass der Verfassungsschutz macht, was er will und damit mehr Schaden anrichtet, als er bekämpft. Die Empörung ist berechtigt. Deshalb glaube und hoffe ich, dass nicht nur unsere Beobachtung bald Geschichte ist, sondern auch die Behörde selber.
Volksstimme: Ihr Wahlkreis Anhalt hat schwer seit Monaten mit dem Niedergang der Solar-Industrie zu kämpfen. Gibt es hier überhaupt noch etwas zu retten?
Jan Korte: Zunächst einmal hätte es so nicht kommen müssen. Die Bundesregierung hat bei der Kürzung der Solarförderung den denkbar schlechtesten Zeitpunkt getroffen, nämlich als die Branche ohnehin Probleme mit Krediten und der Billigkonkurrenz hatte. Das war politisch und wirtschaftlich völlig falsch. Aber ich sehe die Zukunft nicht schwarz: Im Gegensatz zu anderen Branchen, die im Osten lediglich produzieren lassen, wird hier Technologie entwickelt und es haben sich Branchennetzwerke gebildet. Darauf kann man aufbauen - und das muss auch politisch gefördert werden.
Volksstimme: Sehen Sie Chancen für die Entwicklung zukunftsfähiger Industrien mit dem vorhandenen Know-how?
Korte: Auf jeden Fall. Wir haben eine funktionierende chemische Industrie, es gibt gute Forschungskapazitäten an den Hochschulen in Halle, Anhalt sowie am Maschinenbaustandort Magdeburg und viele junge Menschen, die nach einer Perspektive in ihrer Region suchen, die hierbleiben wollen. Selbst die viel beklagte kleinteilige Unternehmensstruktur in Sachsen-Anhalt kann sich positiv auf Innovation auswirken, wenn sich Investoren und Kreditgeber beteiligen. Ich sehe da vor allem die Sparkassen und die mit Milliardenhilfen geretteten Banken in der Verantwortung, gute Ideen auch zu unterstützen. Viel riskanter als das durchschnittliche Finanzgeschäft kann das ja nicht sein.
Volksstimme: Sie kritisieren, dass Sachsen-Anhalt bei der Deutschen Bahn ein Mauerblümchen-Dasein bei den ICE-Verbindungen führt. Was würden Sie ändern?
Korte: Wenn wir die Region entwickeln und für Investoren attraktiv machen wollen, brauchen wir auch gute überregionale Verbindungen. Nicht nur Sachsen-Anhalt, sondern der ganze Osten wird hier gerade abgehängt. Die Deutsche Bahn wurde von vielen Generationen mit Steuergeldern aufgebaut und finanziert, zu Recht. Aber dann hat sie den Bürgerinnen und Bürgern auch zur Verfügung zu stehen und darf nicht mit dem Ziel der Gewinnmaximierung betrieben werden.
Volksstimme: Haben Sie als Bundestagsabgeordneter überhaupt die Möglichkeit, bei einem Giganten wie der Bahn durchzudringen?
Korte: Wenn man Öffentlichkeit erzeugt und politisch Druck macht, hat man immer eine Chance, wie man am verhinderten Börsengang der Bahn sehen konnte. Bei den gestrichenen Verbindungen am Bahnhof Bitterfeld oder bei der Schließung des Bahnhaltepunkts Jütrichau habe ich mich sofort an die Bahn und das Verkehrsministerium gewendet. Die Bundesregierung lehnt aber jede Verantwortung ab mit dem Hinweis, der Bund habe auf die Geschäftspolitik der Bahn nur eingeschränkten Einfluss im Sinne des Aktienrechts. Damit sollten wir uns nicht zufrieden geben: Eine Bahn, die dem Bund zu 100 Prozent gehört, muss doch von den gewählten Vertretern politisch kontrollierbar sein.
"Brauchen Bürgerbahn und keine Börsenbahn"
Wir brauchen keine Börsenbahn, sondern eine Bürgerbahn, welche an den Bedürfnissen der Bevölkerung ausgerichtet ist. Das bedeutet dann auch, sich von dem Modell Aktiengesellschaft zu trennen.
Volksstimme: Bleiben wir bei der Infrastrukur: Im heftigen Streit um die EU-Finanzplanung von 2014 bis 2020 ist eines absehbar: Die Fördermittel aus Brüssel für Sachsen-Anhalt werden deutlich zusammengestrichen. Woran sollte das Land dann sparen?
Korte: Wir hoffen, bei den Verhandlungen noch etwas zu erreichen. Bei den Agrarhilfen zum Beispiel sind wir zuversichtlich, dass die ostdeutschen Betriebe nicht noch mehr benachteiligt werden. Und zum Sparen: Irgendwann muss Schluss sein mit den Kürzungen, die vor allem immer die kleinen Leute treffen. Eine einmalige, fünfprozentige Abgabe auf Geldvermögen über einer Million Euro würde drei Milliarden Euro in die Landeskasse spülen. Und ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent - wie er unter Kohl war - zur Finanzierung staatlicher Aufgaben ist doch nicht zu viel verlangt, angesichts eines unermesslichen Reichtums weniger und der stetig wachsenden Armut.
"Mindestlohn würde Kaufkraft erhöhen."
Da muss die Landesregierung mal aufwachen und sich im Bundesrat für die Leute in Sachsen-Anhalt stark machen, statt sich vornehm zurückzuhalten, wie bei der Initiative zum Mindestlohn. Das ist noch so ein Punkt: Wenn die Arbeitnehmer hier mit skandalös niedrigen Löhnen abgespeist werden, geht natürlich auch die Kaufkraft runter. Ein Mindestlohn würde Sozialausgaben deckeln und die Kaufkraft erhöhen, genauso wie eine Renten- und Tarifangleichung an das Westniveau. Die Linke kämpft da schon lange für und langsam dämmert es bei den anderen Parteien. Die sollten mal früher aufstehen.
Volksstimme: Die Linkspartei sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, sie würde mit der Ablehnung der Griechenland-Hilfe gegen die europäische Solidarität verstoßen. Was würde Ihre Partei anders machen?
Korte: Zunächst einmal hat die sogenannte Griechenland-Hilfe wenig mit Solidarität zu tun, sondern bedient in erster Linie die Banken und Gläubiger. Wir sind solidarisch mit den Menschen, nicht mit den Banken, die hier zu Lasten der breiten Bevölkerung bedient werden. Wir fordern die Einrichtung einer Europäischen Bank für öffentliche Anleihen, die bei der Europäischen Zentralbank günstig Kredite aufnehmen und direkt an Euro-Staaten weitergeben kann. Nur so kann die Finanzierung der öffentlichen Haushalte von der Abhängigkeit der Finanzmärkte befreit werden. Es ist doch unglaublich, dass gerade die Banken, die die Krise verursacht haben, zum Beispiel mit den ESM-Anleihen auch noch Geld verdienen. Deshalb wird die Linke den Umgang mit der Krise, neben dem Thema Ostdeutschland, zu einem entscheidenden Thema bei den kommenden Bundestagswahlen machen.