Landesverwaltungsamt moderierte im Rathaussaal die Anhörung zur Erweiterung der Schenkenhorster Ställe 50 Einwände gegen größere Hähnchenmastanlage
Eine Schenkenhorster GbR will eine bereits genehmigte Hähnchenmastanlage erweitern. Anwohner und Naturschützer haben dagegen viele Einwände. Am Dienstag kam es - moderiert vom Landesverwaltungsamt - zum öffentlichen Schlagabtausch.
Gardelegen l Sie wollen noch mehr Hähnchen füttern, obwohl auf ihrer Betriebsanlage bislang noch kein einziger Hahn kräht. Der Antrag auf Erweiterung, den eine Schenkenhorster GbR vor einigen Monaten beim Landesverwaltungsamt stellte, schlägt derzeit in der Region hohe Wellen. Denn Anwohner befürchten Gefahren durch Keime, Verseuchung der angrenzenden Felder mit Fäkalien und massive Geruchsbelästigungen, Umweltschützer daneben auch noch Schäden an Flora und Fauna.
Zunächst sollten es 39000 Tiere sein, die die Schenkenhorster Volber/Reboné GbR in einer Anlage nahe des Dorfes einstallen wollte. Die nämlich sollten von der Wärme profitieren, die eine ebenfalls geplante Biogasanlage aus dem Projekt der niedersächsischen eeMaxx GmbH am selben Standort produziert. Die Idee, die 2009 entstand, fand denn auch Zustimmung im Ortschaftsrat. Die Biogasanlage wurde gebaut, wird auch schon betrieben. In Sachen Hähnchen indes tat sich nichts.
Dann aber stellten die Schenkenhorster Landwirte im August 2011 beim Landesverwaltungsamt in Halle einen Antrag (wir berichteten). Der Inhalt: Die Erweiterung auf besagte 173200 Tiere. Das jedoch wollte ein großer Teil der Schenkenhorster nicht akzeptieren. Im Landesverwaltungsamt traf eine Flut an Einwänden gegen die Erweiterungspläne ein. "50 waren es, drei davon allerdings verfristet", bezifferte Marita Rienecker. Die Referentin für den Bereich Emissionsschutz rechtlicher Genehmigungsverfahren leitete am Dienstag im Rathaussaal die Anhörung ihrer Behörde, in der Antragsteller und Gegner noch einmal die Gelegenheit erhielten, ihre Positionen darzustellen.
Die Antragsteller selbst waren im Rathaussaal allerdings gar nicht erschienen. Ohne Stimme waren sie dennoch nicht. Immerhin acht Fachleute - mit Dr. Helmar Hentschke und Daniela Schäfrich allein zwei Anwälte einer Potsdamer Kanzlei, Dr. Anja Ober-Sundermeier, Expertin für technischen Umweltschutz, Landschaftsarchitekt Christian Beste und weitere vier Berater - legten sich für die beiden örtlichen Landwirte ins Zeug und verteidigten den Antrag der Bauern auf hohem Niveau.
Das Expertenaufgebot schien indes auch angebracht. Denn auch die Gegenseite fuhr hochkarätige Vertreter auf: Der BUND-Landesvorsitzende Oliver Wendenkampf persönlich übernahm am Dienstag schließlich die Sprecherrolle für die BUND-Ortsgruppe Schenkenhorst, die aus der Bürgerinitiative Schenkenhorst hervorgegangen war.
Und Wendenkampf nahm sehr genau, was da so schriftlich im Antrag der Gegenseite vermerkt war. So zum Beispiel zum Thema Raumordnung, Planungsrecht und Erschließung. Etliche Einwendungen befassten sich nämlich mit genau diesem Thema. Laut der Zusammenfassung des Landesverwaltungsamtes waren zum Beispiel die Enge der Schenkenhorster Straßen und der Abbiegeradius der Kurven als ungeeignet für den Lkw-Verkehr erklärt worden.
"Schenkenhorst selbst" sei indes gar nicht als Zuwegung für Transporte vorgesehen, versicherte Planer Michael Meißner, der die Anlage kurz zuvor kurz auch vorgestellt hatte. Die Transporte von und zur Hähnchenmastanlage sollten schließlich aus westlicher Richtung erfolgen. "Wir sehen nach derzeitigem Stand die Zuwegung als gesichert an", betonte Meißner, "wir müssen nicht durch Schenkenhorst fahren. Fertig, aus." Lediglich im Havariefall würde demnach eine Zuwegung über Schenkenhorst infrage kommen.
Ein Punkt, den Wendenkampf sofort aufgriff: "Also gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende Klärung der Situation", die hinreichend für eine Genehmigung sei, schlussfolgerte er. Kritik gab es vom BUND-Landeschef zudem zur Aussage von Rechtsanwältin Daniela Schäfrich, dass selbstverständlich der Bauträger die Kosten zur Erhaltung der Zufahrtsstraßen zu übernehmen habe. "Es kann doch nicht sein, dass eine öffentliche Straße durch anlagenbezogenen Lkw-Verkehr kaputtgefahren wird und die Kosten durch die öffentliche Hand übernommen werden soll", so Wendenkampf.
Protest kam an dieser Stelle vom Träger selbst. Allerdings nicht von Fachleuten des Gardeleger, sondern vom Leiter des Kalbenser Bauamtes. "Für einen Teil der Straßen sind wir zuständig", informierte Rainer Kölsch. Und er sehe die Straßen nicht als geeignet für Dauerlastverkehr an. "Kalbe", so Kölsch, "hat auch nicht genügend Mittel, die Mehrkosten für den Erhalt zu übernehmen." Das, so der Fachmann, sei eindeutig Verpflichtung des Antragstellers.
Wendenkampfs Aufforderung an den Sprecher der Antragsteller, diese Verpflichtung gleich vor Ort einzugehen, hielt Rechtsanwalt Helmar Hentschke allerdings entgegen, dass "wir bereits bei unserer ersten Vorstellung hier in Gardelegen einen verkehrsbezogenen Bauleitplan angeboten haben." Da, so Hentschke, "hätten wir über alles sprechen können. Das wollte man offensichtlich kommunal nicht. Nun, überlassen wir die Prüfung dem Landesverwaltungsamt."
"Nachweislich stehen weniger als 50 Prozent der Fläche zur Verfügung"
Oliver Wendenkampf
Das Landesverwaltungsamt wird auch zahllose andere Sachverhalte noch prüfen müssen. Unter anderem die Größe der Flächen, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Laut Planer Michael Meißner verfüge die Volber/Reboné GbR über 295 Hektar Land, um Futtermittel anzubauen.
Er wisse indes, dass Verpächter von rund 50 Hektar Land ihre Verträge bereits gekündigt hätten, hielt Oliver Wendenkampf dagegen. "Nachweislich stehen - auch durch Doppelbelegungen - weniger als 50 Prozent der Fläche zur Verfügung, um die Anlage zu bedienen", versicherte er.
Martina Riedecker versprach deshalb, auch dies behördenseitig zu prüfen.
Insgesamt kritisierten Wendenkampf und zahlreiche andere Redner und Anwohner in der weiteren Diskussion vor allem die hohe Fehlerzahl in den Ausführungen der Antragsteller. Unter anderem machte Wendenkampf auf Widersprüche in Sachen Lagerung und Einbringung des Hähnchenmistes aufmerksam. Immerhin "sieben bis acht Mal jährlich" fielen nämlich "rund 150 Tonnen" Exkremente an, wie Hentschke bezifferte. "Und die", so Wendenkampf "können ja gar nicht unmittelbar in den Boden gebracht werden."
Gefahren und Einschnitte in ihre Lebensqualität und Probleme für die örtliche Flora und Fauna sahen Wendenkampf und viele Anwohner aber auch in Sachen Keime und Bakterien, in der Tierfütterung mit Antibiotika oder in möglicher Geruchsbelästigung.
Ob und wie die Einwendungen allerdings in das Behördenurteil einfließen werden, wagte Wendenkampf dann sogar auf Anfrage der Volksstimme zu prognostizieren: "Die Genehmigung", so der BUND-Mann, "wird bestimmt erteilt." Es traue sich sicher niemand, diese Erweiterung abzulehnen. Dann allerdings werde man voraussichtlich klagen, kündigte Wendenkampf, der auch eine BUND-Ortsgruppe in Dambeck gegen ein ähnliches Vorhaben vertritt, schon mal an.
Möglicherweise wird es dann ja auch ein Wiedersehen mit einem ganz besonderen Besucher geben: Im Zuschauerraum saß am Dienstag nämlich auch Stefan Frerichs, Geschäftsführer der eeMaxx Energy Systems GmbH aus dem niedersächsischen Garrel. Sein Unternehmen betreibt nicht nur die Biogasanlage in Schenkenhorst gemeinsam mit der Volber/Reboné GmbH, es ist ebenfalls Klient der Kanzlei, deren Anwälte am Dienstag auch die Schenkenhorster Bauern vertraten.
Kürzlich hatte Frerichs im Volksstimme-Interview zwar betont: "Wir haben nichts mit den Hähnchenställen zu tun." Sein Interesse an der Anhörung war aber offensichtlich doch so groß, dass er persönlich aus Niedersachsen anreiste, um daran teilzu- nehmen.