14-Jähriger ist begeistert von mechanischen Uhren / Alte Turmuhr in Athenstedt repariert Bei Marvin Walther tickt es immer richtig
Statt Spielkonsole beherrschen Uhren die Freizeit von Marvin Walther. Sein größter Wunsch: Selbst eine Turmuhr besitzen. Bis es soweit ist, repariert er die alten Schönheiten.
Athenstedt/Halberstadt l Manchmal muss er selbst lachen. Wenn erzählt, wie seine Eltern versucht haben, ihn vom Kauf weiterer Uhren abzuhalten, zum Beispiel. "Inzwischen blocken Sie mich nicht mehr. Nur die Turmuhr, die durfte ich mir immer noch nicht kaufen", erzählt der 14-Jährige lachend. Also hat er sich einer mechanischen Schönheit zugewandt, die lange unbeachtet im Turm der Athenstedter Kirche lagerte - in Einzelteilen.
Als er sie zum Ende der Sommerferien mit nach Hause nahm, um zu entrosten, zu schleifen, zu feilen, zu ölen, zu streichen und zu richten, war er gar in den Verdacht des Diebstahls geraten. "Aber Pfarrerin Evelyne Dege konnte die Athensteder beruhigen, dass alles seine Richtigkeit hat. Ich habe die Uhr in zwei Tagen abgebaut, repariert und wieder aufgebaut", berichtet der Halberstädter. Er kann stolz auf seine Leistungen sein, aber das ist es nicht, was in seiner Stimme mitschwingt. Es ist Begeisterung.
Die alten Mechaniken haben es ihm angetan. Schon als Kleinstkind, berichtet er, habe er sich bei seinen Großeltern die alten Uhren geschnappt, sie genau betrachtet. Kaum in der Schule, nahm er zum ersten Mal eines der Wunderwerke auseinander. "Alles, was ich über die Funktionsweisen weiß, habe ich mir selbst erarbeitet. Ich lese nur dann mal in Fachschriften nach, wenn ich eine bestimmte Behandlungsmethode beim Reparieren zum ersten Mal anwenden will", sagt Marvin, der sein Zimmer mit 50 alten Uhren bestückt hat. Große und Kleine umgeben ihn. Besonders stolz ist er auf die Bahnhofsuhr, die einst am Spiegelsbergenbahnhof hing. Er hat lange herumtelefoniert, bis er die Uhr abbauen durfte, als der Haltepunkt umgebaut wurde. Jetzt zeigt sie ihm nicht nur die Zeit an, sondern dient zugleich als Lampe. Das Ticken der Uhrwerke und Schlagen der kleinen Glocken stört ihn nicht mehr.
Zum Tag des offenen Denkmals hat er 35 Gästen in Athenstedt erklärt, was das Besondere an den Uhren der Firma Weule aus Bockenem ist. "Das waren viele Besucher für Athenstedt", sagt der Jugendliche, der in Halberstadt die Gröpertorschule besucht. 90 Euro haben die Gäste gespendet, Geld, das für die Sanierung gebraucht wird. "Nicht alle alten Teile waren allein durch Entrosten und Schleifen wieder nutzbar zu machen, einiges musste ich neu kaufen", erzählt er. Die Wellen und Lager der Weule-Uhr bereiteten keine Sorgen, die bestehen aus Stahl und Messing. Eine Kombination, die kaum Abrieb verursacht und unter anderem den guten Ruf der Firma aus Bockenem vor mehr als 200 Jahren begründete. Das Uhrenmuseum dort besucht er regelmäßig. Inzwischen darf er selbst Gästegruppen führen. "Ohne die Unterstützung von Museumschef Jörg-Dieter Besch und Tore Berger vom privaten Uhrenmuseum in Bad Grund hätte ich die Athenstedter Uhr sicher noch nicht repariert." Auch für die Hilfe seines Freundes Max Grüning und des Halberstädter Uhrmachermeisters Harald Rademacher ist er dankbar.
Bei soviel Enthusiasmus ist klar, dass er beruflich mit Uhren zu tun haben will. Bald wird Marvin, der Akkordeon und Klavier spielt und sich am Orgelspiel versucht, sein zweites Praktikum bei der Firma A. Lange und Söhne in Glashütte antreten. Er will dort in die Lehre gehen, Armbanduhrmacher werden, die Feinbearbeitung der aus der Schweiz gelieferten Uhrwerke erlernen und das Fertigen eigener Uhren. Bis dahin ist Schule angesagt und die Reparatur der nächsten Turmuhr - die der Halberstädter Moritzkirche.