Weitere Form des Erinnern an Opfer des Nationalsozialismus in Halberstadt Ein Stolperstein in der Finckestraße
Was mit der ausgebrannten Menorah an der Westfassade des Doms begann, findet in einem Stolperstein seine Fortsetzung. In Halberstadt wird in unterschiedlicher Form an Opfer des NS-Zeit erinnert.
Halberstadt l Vier Jahre und hunderte Gespräche später ist es soweit. André Poser steht in der Fincketraße Halberstadts und berichtet, wie er sich auf Spurensuche nach Mary Rosner begab. Gunter Demnig hat derweil den Pflasterstein mit der bronzefarbenen Oberfläche vor dem Hauseingang verlegt. "Hier wohnte Mary Rosner, geb. Grünberg, deportiert 1942, Ghetto Warschau, ermordet" steht darauf.
Fast 48 000 dieser Stolpersteine gibt es inzwischen in Europa, in 1100 Städten und Dörfern erinnern sie an Menschen, die verschleppt, deportiert, ermordet wurden. "Ihre Stadt ist die 972. Kommune in Deutschland, in der sich Stolpersteine finden", sagt Gunter Demnig. Im Jahr 1990 hat der Kölner Bildhauer die Idee dazu entwickelt. "Im Gedenken an die Sinti und Roma, die über 400 Jahre in Westeuropa heimisch waren, integriert, unauffällig. Und dann wurden sie deportiert und ermordet. Mit meiner Aktion, damals war es noch ein Schriftzug auf den Gehwegen, wollte ich sie vor dem Vergessen bewahren", berichtet Demnig am Montagmorgen in Halberstadt vom Beginn seines Engagements.
1993 entwickelte er die Idee der Stolpersteine, 1996 hat er den ersten in Berlin-Kreuzberg verlegt. "Noch illegal, ohne Genehmigung", sagt er. Seit dem Jahr 2000 ist die Idee der Stolpersteine von vielen Unterstützern aufgegriffen worden, um an die Opfer zu erinnern, an Homosexuelle, an politisch Verfolgt, an Christen, die verfolgt wurden, an Juden, an Sinti und Roma. Während in vielen Städten die Aktion auch von offizieller Seite begrüßt wird, gibt es immer noch Orte, die das nicht wollen. "Da heißt es dann, das sei den heutigen Bewohnern nicht zuzumuten", berichtet Demnig von einem aktuellen Fall der Ablehnung im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen.
"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", mit diesem Zitat aus dem Talmud begründet Gunter Demnig sein Engagement. Deshalb sind die Namen auf den Stolpersteinen so wichtig.
Mit dem Stein vor dem Hauseingang Finckestraße 7 wird in Halberstadt die Erinnerung an Mary Rosner lebendig, die einst hier wohnte. Dass ihr der erste Stolperstein Halberstadts gewidmet ist, ist einem Zufall zu verdanken. Durch das Gedicht "Ruth", das sein Sohn vortrug, wurde Neugier geweckt. "Wir wollten wissen, um wen es dabei geht und begaben uns auf Spurensuche, die uns durch Deutschland und Europa führte sowie nach Chile", berichtet André Poser. Seine Recherche für einen Film über die Familie von Ruth Clara Grünberg, der die Chilenin Maria Antonia Gonzalez Cabezas das Gedicht gewidnet hat, führt auch nach Halberstadt. "Mary Rosner war die Schwester von Hans Max Grünberg und die Tante von Ruth", erklärt André Poser. "Zu Mary selbst wissen wir nicht viel, so ist ihr beruflicher Werdegang nicht erforscht. Auch wann sie nach Halberstadt kam, ist unklar. Nur dass sie am 12. April 1942 deportiert wurde, ist sicher, ebenso wie die Tatsache, dass sie ins Warschauer Ghetto kam."
Der Name Mary Rosner findet sich auch auf den Steinen der Erinnerung vor dem Domportal, wo sich am 12. April 1942 rund 150 noch in Halberstadt lebende Juden versammeln mussten, um nach Magdeburg und von dort aus in verschiedene Ghettos und Konzentrationslager transportiert zu werden. "Dieser Stolperstein fügt sich ein in das Engagement des Vereins zur Bewahrung des jüdischen Erbes und in die Arbeit der Moses-Mendelssohn-Akademie, dem Vergessen entgegenzuwirken", sagte Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke), bevor er gemeinsam mit anderen Halberstädtern weiße Rosen an dem Stolperstein niederlegte.
Für 120 Euro kann jeder eine Patenschaft für die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteins übernehmen.