Quizkandidatin mit 96 Wache Augen, schneller Verstand
17 300 Euro hat die 96-jährige Elisabeth Betcke in einer Fernsehshow gewonnen. Die Pastorin im Ruhestand lebt im Schachdorf Ströbeck.
Halberstadt/Schachdorf Ströbeck l Vor hundert Jahren - im Herbst 1915 - prägte Albert Schweitzer (1875-1965) seine Ethik von der "Ehrfurcht vor dem Leben". Diese Grundsätze wurden für das Handeln von Elisabeth Betcke bedeutsam. Drei Dinge sind es, die an der Ströbeckerin sofort auffallen: ihre wachen Augen, ihr schneller Verstand und ihre besondere Art, zu erzählen.
Zahlen spielen große Rolle
Wie überhaupt die Zahl 3 beziehungsweise die Zahlen, die sich durch die Primzahl teilen lassen, in ihrem Leben eine besondere Rolle gespielt haben. Das sagt sie mit einem Lächeln, das der 96-Jährigen die Ausstrahlung eines jungen Mädchens gibt.
Der Radius ihres Lebenskreises ist relativ klein. Er reicht nicht über Sachsen-Anhalt hin- aus. Salzwedel, wo die 1919 in Berlin geborene den größten Teil ihrer Kindheit und Jugend verbrachte, Quedlinburg, wo sie zur Krankenschwester ausgebildet wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg Schwesterschülerinnen zum Examen geführt hat, Wernigerode, wo sie im Krankenhaus als Schwester arbeitete, und schließlich Ströbeck, das Leben im Pfarrhaus. Wollte man diesem Leben eine Überschrift geben, so müsste diese mit den Worten von Albert Schweitzer heißen: "Mit dem Herzen zu denken, ist die rechte Art für die Menschen."
Schweitzer ist Vorbild
Elisabeth Betcke, ebenfalls aus einem Pfarrhaus gebürtig, fühlte sich ihr Leben lang mit dem deutsch-französischen Arzt, Theologen, Musiker und Kulturphilosophen verbunden. Ihren Traum, nach Lambaréné zu gehen, machte der Zweite Weltkrieg zunichte. Schweitzer war und bleibt ihr Vorbild, in der Art, wie ein Christ denken und handeln muss.
Relativ früh legte sie eine weitere Lebenslinie fest. Seit dem 10. Lebensjahr hatte Elisabeth Betcke den Wunsch, Krankenschwester zu werden. Auslösend dafür war die Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter aus dem Neuen Testament. Und noch heute kann man aus ihren Worten die Entrüstung des Kindes heraushören, das darüber empört war, dass nicht die "Nächsten" dem Opfer zu Hilfe kamen. Elisabeth Betcke wollte immer dicht am Nächsten bleiben. Das hat sie ihr Leben lang so gehalten, als Lazarettschwester im Zweiten Weltkrieg und als Schwester im Krankenhaus in Wernigerode.
Ab 1959 findet sie ihren Lebensmittelpunkt im Pfarrhaus, An der Kirche 33 in Ströbeck. In der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit Pastor Friedrich Betcke erhält ihr Leben eine neue Ausrichtung. Das ist zum einen die Unterstützung ihres Mannes in der Gemeindearbeit. Zum anderen die Betreuung von zunächst drei Pflegekindern, die "vom Himmel gefallen waren". Kurz vor dem Tod ihres Mannes kehrten zwei Kinder wieder zu ihren Eltern zurück.
Ein Pflegekind noch in Ströbeck
Nach dem Ableben von Pastor Betcke und bis zu ihrer Pensionierung nahm Elisabeth Betcke noch weitere sechs Pflegekinder auf. Sie kamen nicht alle zum gleichen Moment und blieben nicht alle die gleiche Zeit im Pfarrhaus. Aber immer war ein Kind da, das Hilfe benötigte, und sie auch bekam. Inzwischen haben die meisten Pflegekinder eigene Familien gegründet. Elisabeth Betcke: "Sie sind nur aus dem Haus, aber nicht aus meinem Leben." Einzig Roberto, das erste Pflegekind, blieb in Ströbeck. Seine Kinder und Enkelkinder gehen bei der Oma ein und aus.
Nach dem Tode ihres Mannes wendete sich Elisabeth Betcke verstärkt der kirchlichen Arbeit zu. Im Alter von 45 Jahren nahm sie ein kirchliches Fernstudium auf und wurde 1970 in Ströbeck ordiniert und eingeführt. Bis 1992 war sie die Pastorin der Gemeinde. Mit ihrem letzten Gottesdienst am 15. November 1992 erfüllten sich 33 Jahre, in denen "Frau Pastor", wie sie heute noch gern von den älteren Ströbeckern genannt wird, das Wort Gottes verkündete. 1993 zollte ihr die Gesellschaft mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes den verdienten Respekt. Auch jetzt noch mit 96 Jahren ist Elisabeth Betcke neugierig auf die Angebote, die das Leben ihr macht.
Ohne jegliches Lampenfieber war sie eine Kandidatin der Fernseh-Spielshow Deal or No Deal und begeisterte mit ihren schlagfertigen Kontersprüchen nicht nur Moderator Wayne Carpendale (Volksstimme berichtete). Ihr Gewinn in Höhe von 17 300 Euro soll zunächst ihrer Familie zugute kommen und als Rücklage für ihre Beerdigung dienen.