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Das Halberstädter Klinikum St. Salvator implantiert seit 13 Jahren erfolgreich Hörprothesen Wenn Hörgeräte nichts mehr ausrichten können, wirken Implantate wahre Wunder

Von Christin Käther 10.12.2011, 05:21

Seit 1998 werden hörgeschädigten Menschen im Halberstädter AMEOS Klinikum Implantate eingesetzt, mit deren Hilfe das Hören wieder möglich wird. Am Dienstag wurde die 700. Patientin operiert. Die Anzahl behandelter Patienten wächst.

Halberstadt l 1998 war das Jahr, in dem Prof. Klaus Begall, Chefarzt der HNO-Klinik am AMEOS Klinikum St. Salvator, in Halberstadt den ersten gehörlosen Patienten mit einem Cochlea Implantat (CI) ausstatte. Mit dieser Prothese können hochgradig schwerhörige und gehörlose Menschen wieder das Hören erlernen. Mittlerweile hat sich die Anzahl der Patienten verdoppelt. 60 bis 80 Operationen führt Begall pro Jahr durch. Am Dienstag griff er zum 700. Mal zum Skalpell.

Ein CI wird im Innenohr implantiert. Es wandelt Schall in elektrische Impulse um, die den Hörnerv stimulieren. Äußerlich ist es kaum sichtbar. Lediglich der abnehmbare Sprachprozessor hinter der Ohrmuschel sieht aus wie ein gewöhnliches Hörgerät.

Das AMEOS Klinikum Halberstadt ist eines von drei Kliniken in Sachsen-Anhalt, die CI-Operationen vornehmen. Begall hat das Verfahren von Prof. Ernst Lehnhardt, der erste Arzt, der 1988 diese Prothese in Deutschland implantierte, erlernt. 1992 absolviert Begall seine erste CI-Operation in Magdeburg und setzt diese Arbeit sechs Jahre später in Halberstadt fort. Doch er ist nicht der einzige Arzt, der sich damit auskennt. Seit 2002 stehen ihm die Oberärzte Dr. Jörg Langer und Dr. Wolfram Pethe zur Seite. Oftmals operiert das Trio gemeinsam.

Das Team der HNO-Klinik kümmert sich nicht nur um die OP, sondern auch um Diagnostik und Nachsorge beim Patienten. Im CI-Rehabilitationszentrum des Cecilienstifts erlernen die Patienten, mit dem neuen Implantat umzugehen, lernen Hören, Sprechen und den Umgang mit der Stimme. Auf Wunsch ein Leben lang. Für die ärztliche Versorgung steht das Klinikpersonal die ganze Zeit über zur Verfügung. Ein großes Team steht hinter den Ärzten - vom Techniker bis hin zum Logopäden.

Die 700. Patientin, die in Halberstadt ein CI bekommen hat, ist Ilka Höller. Die 41-Jährige ist seit ihrer Geburt stark hörbeeinträchtigt. In der Firma ihres Mannes betreute sie die Kunden, hatte jedoch große Mühe, sie am Telefon zu verstehen. In ihrem neuen Beruf - sie ist Beschäftigungstherapeutin im Langensteiner Seniorenheim - hat sie gemerkt, dass sie mit ihrem Hörvermögen trotz Hörgerät an ihre Grenzen stößt. Die Entscheidung, sich einer CI-Operation zu unterziehen, hat lange gedauert. "Ich habe vor drei Jahren von der CI-Operation erfahren, aber ich hatte noch Angst davor", berichtet die Halberstädterin. Vor einem halben Jahr traute sie sich zu einem Beratungstermin. Im September nahm sie an einem Treffen teil, in dem CI-Patienten und Experten über ihre Erfahrungen mit dem Implantat berichteten. Erst dann hat sich Ilka Höller zu einer OP durchringen können.

Prof. Klaus Begall und Dr. Jörg Langer haben ihr am Dienstag eine Prothese in das linke Innenohr implantiert. Es wird ihr Restgehör erhalten und unterstützen. Nach und nach wird Ilka Höller einzelne Töne eingespielt bekommen, um zu testen, wie gut ihr Gehör auf das Implantat reagiert. Erst nach der Einheilungszeit von vier Wochen ist es komplett einsatzfähig. Ilka Höller sehnt den großen Tag im neuen Jahr ungeduldig herbei. Vor allem, weil sie dann ihre Kinder besser verstehen kann. Ob ihr rechtes Ohr dann auch ein CI erhalten soll, kann sie später selbst entscheiden. Begall berichtet, dass manche Patienten auch mit nur einem Implantat vollkommen zufrieden sind.

Besseres Hören ist jedoch nicht gleichzusetzen mit gutem Hören. Bei einigen Patienten kann es vorkommen, dass sie nur Töne oder Geräusche wahrnehmen können. "Die Menschen freuen sich über das Hören, auch wenn die Spracherkennung nicht so gut läuft. Aber sie sind dankbar dafür", so der Chefarzt. "Ein bisschen hören ist auch schon ein Erfolg, wenn auch nur ein Teilerfolg. Wir wollen den Menschen wieder in die hörende Gesellschaft zurückführen. Durch das Implantat kann er wieder ein vollwertiges Mitglied werden." Besonders bei Kindern schlägt die CI-Operation gut an. Etwa zwei Drittel der jungen Patienten kann nach der Operation sogar die Regelschule besuchen.

Mittlerweile kommen die Patienten sogar aus den Nachbarbundesländern, um sich in Halberstadt operieren zu lassen. Für 2012 sind bereits 30 CI-Operationen geplant. Begall ist stolz auf den Erfolg und die gute Zusammenarbeit seines Teams. Derweil wird an einer Weiterentwicklung des Implantats gearbeitet. Denn zum Duschen ist die Prothese nicht geeignet und der Sprachprozessor muss abgenommen werden. Dann sind die Hörenden für kurze Zeit wieder gehörlos.