1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Havelberg
  6. >
  7. Archäologen finden Brunnen und mehr

Grabungen Archäologen finden Brunnen und mehr

Von Ingo Freihorst 14.08.2015, 18:52

Ein neuer Deich wird derzeit zwischen Sandau und Havelberg gebaut. Archäologen finden hier etliche Zeugnisse der Vergangenheit.

Sandau l Im Jahre 1190 wird Sandau erstmals urkundlich erwähnt - als "Villa Sandowe", also als slawisches Dorf. Graf Heinrich von Gardelegen hatte hier vier Hufe Land von einem Magdeburger Kloster erworben. Ob die damaligen Sandauer einst dort siedelten, wo jetzt im Stadtwald die Ausgrabungen stattfinden? - Man wird es wohl nie erfahren.

Fakt ist, dass es sich hier um eine größere Siedlung gehandelt haben muss, informierte Grabungsleiterin Judith Lücke aus Berlin. Als Beweis nennt die Archäologin die Brunnen, die an der tiefsten Stelle der zusammenhängenden Siedlung zum Vorschein kamen. Sie datiert den hölzernen Kastenbrunnen ins 10. und 11. Jahrhundert, damals siedelten hier noch die Slawen. Die Stützpfeiler waren umgefallen und lagen etwas abseits.

Zu ihrer Überraschung kam in der Nähe ein zweiter Brunnen zum Vorschein, er war mit Steinen errichtet worden. "Das ist echt spannend hier", meinte die Berlinerin. Die Stelle war großflächig abgetragen worden. Im Erdboden neben dem Brunnen zeichnete sich dessen Baugrube dunkel ab. In dem Kastenbrunnen steckten wiederum Reste eines weiteren Brunnens.

Acht Öfen an einer Stelle

Dass hier womöglich schon in der Eisenzeit - diese Ära begann 800 Jahre vor Christus - Menschen siedelten, lässt sich anhand der mindestens acht Rennöfen vermuten, welche alle auf einer Stelle gefunden wurden. "Es war ein richtiger Verhüttungsplatz", informierte die Grabungsleiterin. Diese Öfen, in denen Raseneisenerz geschmolzen wurde, wurden jeweils nur einmal genutzt. Neben den Ofenresten fanden sich allerhand Schlacke und angebrannte Steine an. Die Bezeichnung "Rennofen" rührt daher, weil die Schlacke aus dem mit Lehm ausgekleideten Ofen rann. Auch auf anderen Flächen wurden solche Öfen gefunden, allerdings weit weniger.

Grabung mit Schippe, Spaten und Spitzkelle

Womöglich floss die Elbe in jener Zeit auch weiter entfernt vorbei - einst lag ja auch Sandauerholz östlich der Elbe. Der Fluss war zudem in viele kleine Arme verästelt, auf alten Landkarten erkennt man bei Sandau noch viele Inseln im Strom. Darum waren noch keine Fähren nötig, man nutzte flache Stellen im Fluss, die Furten. - An diesen entstanden denn auch die Siedlungen.

Dicht neben der Baustraße fanden sich zudem Überreste einer größeren Hausstelle. Hier wurde sogar ein spätmittelalterlicher Keller freigelegt, in dem zwei Brandschichten vorgefunden wurden - Holzkohle und Brandlehm. Die hier gefundene Keramik stammt aus dem 14. Jahrhundert, es war harte Grauware.

Die anderen gefundenen Keramikreste stammten aus slawischer Zeit, etwa aus dem 8. bis 10. Jahrhundert. Die Scherben waren gar nicht oder aber flächig verziert. Auch fanden sich diverse Vorratsgruben und Feuerstellen an, ebenso Pfostengruben von einstigen Häusern. Die Slawen hatten ihre Häuser teils in Grubenform errichtet. Organische Reste fanden sich leider nicht, der saure Sand hier hat alle Überreste vernichtet.

Drei Flächen schon abgesucht

Derzeit arbeiten die Ausgräber an der vierten von insgesamt fünf Flächen, drei wurden bereits abgesucht. Dieses Areal ist mit etwa 10 000 Quadratmetern auch am größten. Auf der gesamten Fläche wurde nach dem Roden der Bäume der Mutterboden abgetragen, erst dann konnten die Archäologen anhand der Verfärbungen im sandigen Boden die Fundstellen markieren. Das geschah mit kleinen Tütchen.

Mit Schippe, Schaufel und Spitzkelle wird der Boden dort vorsichtig abgetragen, zum Grabungsteam gehören im Schnitt bis zu 13 Mitarbeiter. Ein Techniker ist für die Organisation der Abläufe zuständig, zwei Grabungszeichner dokumentieren die Fundstellen mit dem Stift.

Natürlich werden diese auch fotografiert - was sehr aufwendig ist. Zum einen wird alles mit Wasser benetzt, damit sich die Strukturen im Boden besser abzeichnen. Dann darf wegen der Kontraste kein Sonnenstrahl mit aufs Bild, eine große schwarze Folie schirmt das Objekt ab. Eine Tafel liegt mit Nummerierungen daneben, ebenso ein Metermaß und ein Nordpfeil.

Fakt ist auch, dass auf dem Areal früher kein Wald gestanden hatte - die damals noch nicht eingedeichte Elbe hätte ihn wohl alsbald fortgeschwemmt. Die im Boden steckenden Haarwurzeln bereiten den Gräbern allerhand Arbeit, jeder hält eine Schere griffbereit. Leider haben die kräftigen Wurzeln auch manche Fundstätte verwüstet.

Judith Lücke war bereits beim Roden der Stubben mit vor Ort, dabei konnte sie gleich tief in den Boden schauen. "Da hatte sich schon unglaublich viel Keramik angefunden", berichtete sie. - Es war zugleich ein Hinweis darauf, dass hier noch mehr zu finden war. Sie legte Schnitte von vier Metern Länge an und erstellte eine Dokumentation, aufgrund der Ergebnisse wurden die Flächen zusammen mit dem Landesamt für Denkmalschutz ausgewählt. Ein Vermessungsgerät namens Tachymeter misst die Flächen für den Computer ein - derzeit arbeiten die Ausgräber auf einer Höhe von 26 Metern über Normalnull. Auch damals haben die Menschen bereits auf etwas erhöhten Standorten gesiedelt, denn Deiche zum Schutz vor der ausufernden Elbe gab es da noch nicht.

Rotarmisten hinterließen Flaschen und Dosen

Kampfmittelräumer hatten das Gebiet vorher abgesucht - auch sie waren fündig geworden. In der DDR campierten in dem Waldstück oftmals Soldaten der Roten Armee - und hinterließen diverse leere Dosen, Briketts und Flaschen.

Parallel zu den Grabungen geht der Deichbau voran - auf der Baustraße nebenan herrscht reger Verkehr. Irgendwann in naher Zukunft wird dann ein mehrere Meter hoher Erdwall die stummen Zeugen aus alten Zeiten überdecken.