Tierschützer bringen knapp 150 Borstentiere in Stapen unter / Einwohner sehen Aktion kritisch Für Schweineasyl fehlt die Genehmigung
Knapp 150 Schweine aus einem stillgelegten süddeutschen Mastbetrieb haben Tierschützer nach Stapen gebracht. Hier sollen sie vorläufig bleiben und nach und nach weitervermittelt werden. Doch viele Dorfbewohner sind alles andere als begeistert. Zumal nicht einmal eine offizielle Genehmigung vorliegt.
Stapen l Tierischen Zuwachs hat der kleine Ort Stapen kurz vor dem Jahreswechsel bekommen. Ein Transporter brachte gut 100 Schweine, die auf einem großen Hof in der Ortsmitte untergebracht wurden. Die Tiere stammen aus einem Mastbetrieb in der Nähe von Augsburg, der zum Jahresende schließen musste, weil der Besitzer die Tiere aus gesundheitlichen Gründen nicht länger halten konnte. Der im süddeutschen Allmannshofen ansässige Verein "Rüsselheim" klemmte sich dahinter und versuchte die Schweine vor der Schlachtung zu retten.
Schnell wurden 20000 Euro Spenden gesammelt und die Tiere freigekauft. Einige konnten vermittelt werden. Für die große Masse wurde aber kurzfristig ein Winterquartier benötigt. Eine Stapenerin, die im Ort ein Pferdeasyl betreibt, stellte ihr Gelände für die Schweine zur Verfügung. Helfer von "Rüsselheim" und der Tierschutzorganisation "Animal-Peace Tierhof" bauten die vorhandenen Stallungen notdürftig um und errichteten Boxen aus Holz für die Tiere. Nachdem vor Weihnachten zunächst 30 Schweine in Stapen ankamen, trafen Ende vergangener Woche noch einmal mehr als 100 der Borstentiere ein.
Die Aktion blieb im Dorf nicht unbemerkt. Beim Eintreffen des Transports hatten sich auch einige Stapener vor dem Hof versammelt, um zu sehen, was dort vorgeht und ihre Kritik an der Unterbringung der Schweine vorzubringen. Von den Tierschützern mussten sie sich dabei vor laufenden Fernsehkameras (der MDR berichtete für sein Regionalmagazin "Sachsen-Anhalt heute") als "Lynchmob" beschimpfen lassen. "Das war ein denkbar dummer Fehltritt, der nicht hätte passieren dürfen. Dafür möchte ich mich bei den Leuten auch entschuldigen", zeigte sich Reinhold Kassen von "Animal-Peace Tierhof" gestern gegenüber der Volksstimme reumütig. Den Tierschützern sei sehr daran gelegen, mit den Menschen vor Ort zusammenzuarbeiten.
Der Stapener Dietmar Liebig, der ebenfalls vor Ort war, sieht die Anfeindungen gelassen. "Ich wollte von den Leuten wissen, ob sie überhaupt eine amtliche Genehmigung für die Unterbringung der Tiere haben", erklärte er der Volksstimme. Das sei bejaht worden. Doch den geforderten Beleg blieben die Tierschützer schuldig.
Warum, das wurde gestern klar. "Es gibt in keiner Weise eine Genehmigung, weder baurechtlicher noch anderer Art. Vom tierseuchenrechtlichen Aspekt will ich erst gar nicht reden", teilte Kreisordnungsamtsleiter Hans Thiele gestern der Volksstimme auf Nachfrage mit. Er habe sich extra noch einmal die Fernsehbilder angesehen. "Da laufen Leute mit Gummistiefeln zwischen den Schweinen herum, und keiner weiß, wo sie vorher damit waren", wies er auf möglicherweise mangelnden Tierseuchenschutz hin. Seiner Ansicht nach handele es sich bei der Einstallung um eine Hauruckaktion.
"Wir stehen mit dem Tierschutzverein in Kontakt, um die Sache zu klären", so Thiele. Zudem hatten sich Kreismitarbeiter für gestern Nachmittag zu einer Vor-Ort-Besichtigung des Stapener Schweinestalles angesagt.
Für Reinhold Kassen von "Animal-Peace Tierhof" ist die Aufregung nicht ganz nachvollziehbar. Schließlich bleibe das Gros der Tiere sowieso nicht für immer in Stapen. "Höchstens 20 oder 30", erklärte er gestern. Die anderen würden nach und nach an andere Stellen weitervermittelt. "Wir wollen hier auch keine Störenfriede sein und das Dorf übernehmen, da braucht niemand Angst zu haben", so Kassen. Es gehe bei dem Vorzeigeprojekt lediglich darum, den Schweinen ein würdevolles Leben zu ermöglichen.