" Neue Fassaden – Alte Geschichten " in Wernigerode ( 1. Teil ) "Café Wien": das älteste Haus an der früheren Bredestrate
In der Serie " Neue Fassaden – Alte Geschichten " stellt die Harzer Volksstimme die Historie interessanter Häuser in Wernigerode vor. Mit diesem Thema haben sich in jüngster Zeit mehrere Heimatforscher wie Dr. Uwe Lagatz, aber auch Mitarbeiter der Oskar Kämmer Schule, unterstützt von der Kommunalen Beschäftigungsagentur, befasst. Ihre Erforschung der Stadtgeschichte fließt in die Beschreibungen mit ein. Der historische Rundgang beginnt auf der Breiten Straße.
Wernigerode. Die Straße, die heute als Breite Straße in Wernigerode bekannt ist, war einst auch als Hoheweg bezeichnet worden. Das ist die übliche Bezeichnung von Straßen, die in Städten vom Haupttor zum Markt führte. Bereits seit 1839 ist sie gepflastert, trägt über die verschiedenen Jahrhunderte ähnlich klingende Namen. So ist überliefert, dass sie 1399 Bredestrate, 1429 Bredenstrate und 1484 Breydenstrate genannt wurde. Die heutige Geschäftsstraße, die vom Rimbecker Tor zum Markt führt, deckt sich mit der alten vor den Harzbergen entlangführenden und in den Stadtring einbezogenen Heerstraße.
Beliebtes Fotomotiv bei den Touristen
" Wenn die Harzer Volksstimme über alte Häuser in Wernigerode schreibt, dann sollte doch bei der Vorstellung der Breiten Straße als erstes unser Haus genannt werden ", meint Marga Siegemund. Es sei das älteste Haus in dieser Straße, begründet die Inhaberin vom " Café Wien ".
Das Geschäftshaus an der Ecke zum Markt ist eines der wenigen Renaissancehäuser der Stadt und gehört zu den beliebten Fotomotiven von Touristen. Es ist ein zweigeschossiger Bau mit einem asymmetrisch aufgesetzten Spitzerker. Die Brüstung unter den Fenstern ist in den Dreiecken der Fußstreben mit Rosetten versehen. Die Knaggen der Deckenbalken des obersten Geschosses sind mehrfach gekehlt und tragen an ihrem Auslauf Wappenschilder.
Im Balkenkopf ist das Baujahr 1583 verewigt
Das Haus wurde 1583 erbaut. Über dem vierten und fünften Balkenkopf sind in der Saumschwelle die Zahlen 15 beziehungsweise 83 eingeschnitzt. Lange Zeit war es ein Geschäftshaus, vorwiegend galt es als Kurzwaren- und Putzgeschäft.
Von 1666 bis 1739 gehörte das Haus der Familie Hildebrand, die auch mit Jakob Hildebrand 1722 den Bürgermeister von Wernigerode stellte. 1782 wird der Brauer Christoph Friedrich Saatze und dessen Ehefrau Magdelene als Bewohner genannt, 1832 der Klempnermeister Friedrich Brauckhoff und seine Ehefrau Johanne, 1868 der Klempnermeister Hermann Brauckhoff und 1894 der Kaufmann Gustav Reichenbach. 1897 übernahm der Bäcker und Konditormeister Wilhelm Hauer das Gebäude und richtete das " Café Hauer " ein. Um einen oberen Gastraum zu erhalten, ließ er durch Baurat Wilhelm Deistel das ursprünglich dreietagige in ein zweigeschossiges Gebäude umbauen.
1936 ging das Café in den Besitz von Konditormeister Hans Siegemund über, der es bis 1951 leitete. Mit der Übernahme des Cafés durch die staatliche Handelsorganisation ( HO ) wurde es in " Café Wien " umbenannt.
Im Juli steht ein rundes Jubiläum an
Marga Siegemund blieb ihrem Haus auch treu, als es zum staatlichen Café wurde und sie nur noch Angestellte war. 1933 geboren, begann sie bei der HO am 22. August 1952 und erhielt im " Café Wien " zunächst einen Stundenlohn von 90 DDRPfennigen, wie ein ausgestellter Arbeitsvertrag belegt.
Nach 38-jähriger Bewirtschaftung durch die HO ging am 1. Juli 1990 das " Café Wien " wieder in den Besitz der Familie Siegemund über. Somit steht in wenigen Monaten die Wieder-Privatisierung vor 20 Jahren an.
Schon vom Alter her ist es nicht ungewöhnlich, dass Marga Siegemund an eine Nachfolge denkt. Wer es wird, will sie jetzt noch nicht verraten, nur eins. Es wird jemand aus der Familie Siegemund sein.