Erörterungstermin im Genehmigungsverfahren zum Schweinemast- und Biogasprojekt Wie erwartet: Ein Tag reicht nicht für Einwendungsfülle
Die "Görtz Zerbst GmbH & Co. Agrar KG" aus Klein Wanzleben will auf dem Zerbster Flugplatz eine Schweinemastanlage und eine Biogasanlage errichten und betreiben. Das Projekt durchläuft ein Genehmigungsantragsverfahren. Aktuell werden die Einwendungen zum Projekt in der Zerbster Stadthalle erörtert.
Zerbst. Ton Görtz betreibt seit zehn Jahren eine Sauenanlage in Klein Wanzleben. "Wir wollen unsere Ferkel lieber hier groß werden und schlachten lassen. Wir haben den Flugplatz gesehen, der hat viel Platz, unser Projekt hätte wenig Auswirkungen. Und deshalb sind wir heute hier", meinte der Niederländer gestern zum Auftakt des Erörterungstermins über die Einwendungen der Öffentlichkeit gegen sein Projekt.
Genauso schlicht und deutlich äußerten sich viele Zerbster. Hans-Felix Rätzel zum Beispiel. Er hat in gut 1000 Metern Entfernung zur geplanten Schweinemast- und Biogasanlage ständig insgesamt 500 Tonnen Gewürze im Lager. Rätzel ist Gewürz-Großlieferant – massenhaft wird Majoran und Co. angeliefert und in Verkaufsmengen abgepackt, um dann bei Aldi oder Lidl über das Kassenband zu gehen. Rätzel: "Zehn Minuten Gestank reichen, um meinen gesamten Bestand zu verderben." Das bedeute sofortige Entlassung von 60 Arbeitnehmern und Fördermittelrückzahlung. Letztens erst habe er 3,1 Millionen in die neuen Halle investiert. "Ich bin zu diesem Projekt hier überhaupt nicht gefragt worden."
Im Präsidium treffen irritierte Blicke aufeinander. Anita Rienecker, Referentin für emissionsrechtliche Genehmigungsverfahren beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalts in Halle und zugleich Leiterin des Erörterungstermins in der Zerbster Stadthalle, verweist Rätzels Sorgen in einen späteren Tagesordnungspunkt – die Geruchsemissionen. Worauf Rätzel kontert, dass es auch dann "keine Biogasanlage gibt, die nicht stinkt". Für den Fall einer Anlagengenehmigung kündigte er Schadenersatzforderungen an.
Die gestrige Erörterung lief angesichts der emotionsgeladenen Positionen und Argumente überaus geordnet ab. Durchweg wurden Sachthemen, Facetten des Projektes, gesetzliche Hintergründe, Normen, Maßgaben und Gesetze angeführt, bewertet und diskutiert. Ob die Stadt Zerbst beispielsweise überhaupt das Recht habe, ohne nähere Begründung gegen das Projekt zu sein. Namens der Stadt und des BUND erklärte Rechtsanwalt Peter Kremer sehr präzise, das dies nach neuester Rechtsprechung diverser Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichtes durchaus so sei. Dem entgegnete der Anwalt des Antragstellers, Dr. Helmar Hentschke, nicht weniger professionell eine gegenteilige Sicht. Frau Rienecker erklärte zwischendurch, das Landesverwaltungsamt werde prüfen, inwieweit die Stadt Zerbst ihr Prüfrecht zu wasser- wie auch naturschutzrechtlichen Belangen habe ausüben können. "Der Prüfungsrahmen wird vom Landesverwaltungsamt jedenfalls nicht eingeschränkt."
So wurden vor allem formelle, verfahrensrechtliche Belange erörtert. Jedoch kam Jedermann, sofern er einen Einwand hatte, zu Wort. Roland Prokop als Vorsitzender des Luftsportvereines Zerbst argumentierte mehrfach zu verschiedenen Themen. Die Abluft-Schornsteine der Biogasanlage wie der Ställe seien laut Projekt mit verschiedenen Abluftreinigungssystemen ausgestattet, ein Stall jedoch überhaupt nicht. Prokop verwies auf die Gefahr von Luftverwirbelungen durch ausgeblasene Luft für Flugzeuge. Daraus entwickelte sich der Verweis Kremers auf die Gefährdung explosiver Anlagen durch Überflüge. Hierzu gebe es keine Aussagen in den Projektunterlagen.
Viele Einzel-Konstellationen wurde besprochen, zugleich das größte Defizit der Planung offenbar: Sie stammt aus den Jahren 2006/07. So ist mancher Bewertungsmaßstab, manches Beurteilungsverfahren heute gänzlich anders zu handhaben.
Kremer verwies auf das künftige Solarkraftwerk auf dem Flugplatz. Weite Teile des Flugplatzes sollen mit Solarzellen bestückt werden. Das ausge-sparte Gelände – die Schweinemastfläche – wird im städtischen Plan als Erwei- terungsfläche für flugtechnische Nutzung vorgesehen. Zwar erklärte Rechtsanwalt Hentschke, dass diese Flächen der Stadt nicht gehören würden. Roland Prokop bekräftigte dennoch Vereinsvorstellungen zu "ambitionierten Veranstaltungen" sowie zu wirtschaftlich auch darstellbarem Sportflugverkehr.
Wo die Lieferfahrzeuge lang fahren, blieb offen. Brigitte Stiehler fragte nach der ethisch-moralischen Bewertung des Vorhabens. Dies sei "nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens" betonte Frau Rienecker hierzu. Franz Wallisch, Rainer Frankoski, Rolf Thiel sowie weitere Zerbsterinnen und Zerbster erklärten, der Investor möge sein Projekt vor der eigenen Tür verwirklichen. "In Zerbst wollen wir es auf keinen Fall."
Nach dem ersten Tag ist vielerlei in Aussicht. Vielleicht wird es doch ein Raumordnungsverfahren für das Projekt geben müssen. Sicher werden weitere Untersuchungen nötig, ehe das Landesverwaltungsamt entscheidet. Sehr wahrscheinlich wird sich dem eine erneute öffentliche Auslegung anschließen. Die Erörterung wird heute um 9.30 Uhr fortgesetzt. Themen (u.a.): Gerüche, Ammo- niakprognose, Staub, Aerosole, Keime, Güllelagerung, Gärresteausbringung, Lärm, Artenschutz, Schutzgebiete.