Kreistag befasst sich heute mit Stellungnahme zum ÖPNV-Prüfbericht des Landesrechnungshofes Fragezeichen zum öffentlichen Busverkehr
Der Landesrechnungshof hat den Landkreis Anhalt-Bitterfeld wegen seines Handelns im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs kritisiert. Heute Abend wird der Kreistag über die Stellungnahme des Kreises dazu abstimmen.
Zerbst l Die Fusion der Altkreise Köthen und Bitterfeld und des Anhalt-Zerbster Restgebietes zum Landkreis Anhalt-Bitterfeld im Juli 2007 bedeutete die Aufgabe, verschiedenste Regelungen und Verträge zu einem für den neuen Kreis insgesamt verträglichen Konstrukt zu vereinen. Wie der Öffentliche Personennahverkehr zusammengeführt wurde, hat sich der Landesrechnungshof im Rahmen einer überörtlichen Prüfung angesehen. Die Prüfung fand im Oktober/November 2009 statt. Ein Jahr später lag der Prüfbericht vor. Heute Abend wird über die Stellungnahme des Landkreises zu dem Prüfbericht beraten.
Neben Beurteilungen zum rechtlichen und verwaltungstechnischen Vorgehen des Landkreises zur Organisation des ÖPNV (dies ist seine ureigenste Aufgabe) waren insbesondere die Vertragsbeziehungen der Altkreise Köthen und Bitterfeld zum Busunternehmen Vetter GmbH aus Salzfurtkapelle im Blick der Prüfer. In Köthen gab es seit Anfang der 1990er Jahre eine Gesellschaft (RKV) mit 80-prozentiger Beteiligung des Kreises, in der die Vetter GmbH den Geschäftsführer stellte und per Geschäftsbesorgungsvertrag und Betriebsüberlassungsvertrag neben organisatorischen und planerischen Tätigkeiten die praktische Fahrleistung erbrachte. In Bitterfeld gab es eine ähnliche Gesellschaft (RVB), an der der Kreis jedoch nur mit 10 Prozent, die Vetter GmbH mit 70 Prozent beteiligt waren. Auch hier lag das praktische Geschäft per Verkehrsbesorgungsvertrag in Händen der Vetter GmbH.
Die Prüfer kritisieren, dass der Landkreis in dieser Konstellation den ÖPNV kaum mehr hat beeinflussen können. Zudem seien Verträge so gefasst, dass unternehmerisches Risiko die Kreiskasse treffe. Vor allem aber das für die öffentliche Hand wesentliche Gebot, den günstigsten Leistungserbringer zu nutzen, sei angesichts extremer Vertragslaufzeiten nicht nachweisbar einzuhalten.
Die Prüfer erklären sich verwundert, dass das Anhalt-Zerbster Modell - hier hat eine kreiseigene Firma (PNVG) den ÖPNV organisiert und die Fahrleistungen bei Busunternehmen eingekauft - überhaupt nicht in Betracht für den zukünftigen ÖPNV in Anhalt-Bitterfeld gezogen worden sei. Statt dessen machen die Prüfer einen bevorzugten Umgang mit der Firma Vetter aus.
Im Jahr 2008 hatte dann der neue Landkreis zur Neuvergabe der jeweils für sieben Jahre erteilten Linienkonzessionen einen Genehmigungswettbewerb vorgenommen. Die Fahrplanleistungen in Anhalt-Bitterfeld wurden in "Linienbündel" aufgeteilt, eines war und ist die Region Zerbst. Hier hatte die PNVG 2007 rund 60 Prozent ihres einstigen Gebietes (Roßlau, Coswig, Loburg) verloren, zudem ging die Geschäftsführung in Rente. Die Firma Vetter schloss mit der Kreis-Tochter erst einen Unterstützungsvertrag, später wurde die Firma an die RVK verkauft. Die PNVG konnte sich somit nicht bewerben, die RVK sollte es nicht. Beides entsprach dem Willen der Aufsichtsräte, somit des Landkreises, in letzter Instanz des Landrates.
Die Firma Vetter bewarb sich seinerzeit direkt um die drei Köthener Linienbündel, über die RVB auch um die Bitterfelder Bündel sowie über eine Bietergemeinschaft mit der hiesigen Firma Ruthe auch um das Bündel Zerbst - und erhielt sie. Zwischenzeitlich ist das Unternehmen Ruthe aus der Bietergemeinschaft ausgestiegen.
Während der Landesrechnungshof erklärt, die Altkreise hätten dem neuen Kreis langfristige Vertragsbindungen und ungünstige Kündigungsmodalitäten hinterlassen, wehrt die heutige Landkreisverwaltung in ihrer Stellungnahme alle diesbezüglichen Vorwürfe ab. Der Auffassung der Prüfer, die vertraglichen Bindungen mit der Firma Vetter hätten eine objektive Neuvergabe der Beförderungsleistungen verhindert, wird energisch widersprochen. Das Genehmigungsverfahren sei analog des als anwendbar erkannten, kurz zuvor erfolgten Wittenberger Genehmigungsverfahrens erfolgt. Die Verträge zwischen RVK, RVB und Vetter hätten nicht gekündigt werden brauchen, da sie - falls die Konzessionen an andere Bieter gegangen wären - inhaltsleer geworden wären.