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Stadtrat verabschiedet einstimmig Willensbekundung gegen Schließung des Haltepunktes in Jütrichau Stadt und Bürger sind vereint im Protest

Von Judith Kadow 30.03.2012, 03:12

Der Zerbster Stadtrat hat am Mittwochabend eine Willensbekundung verabschiedet, die sich nochmals deutlich gegen die Schließung des Bahn-Haltepunktes in Jütrichau ausspricht. Die Sitzung nutzten auch zahlreiche Betroffene, um ihrem Protest nochmals mit einer Stimme Ausdruck zu verleihen.

Jütrichau l Selten sind die Zuhörerplätze während eines Stadtrates so gut besetzt gewesen, wie sie es am Mittwochabend waren. Zahlreiche Bürger, die von der Wegrationalisierung des Bahn-Haltepunktes in Jütrichau betroffen wären, waren vor Ort, um im Stadtrat die weitere Diskussion zu diesem Thema zu verfolgen.

Nachdem Bürgermeister Helmut Behrendt seinen Bericht über die Ausführung gefasster Beschlüsse verlesen hatte, trug er eine Willensbekundung der Stadt Zerbst zur geplanten Auflassung des Haltepunktes vor.

Die Entscheidung des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr, den Haltepunkt aus volkswirtschaftlicher Sicht zu schließen, widerspreche dem Grundsatz 53 des Landesentwicklungsplanes, der festlegt, "dass ,Streckenstilllegungen, Freistellungen und Rückbau der bestehenden Schieneninfrastruktur sollen vermieden werden\'. Ein Flächenland - so heißt es in der Bekundung weiter - wie Sachsen-Anhalt "kann auf eine flächendeckende Infrastruktur nicht verzichten, da sie Voraussetzung für die Abwicklung eines den Anforderungen entsprechenden Nahverkehrs ist und damit Grundlage für die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum darstellt".

In der Willensbekundung macht die Stadt Zerbst auch nochmals auf die Bedeutung der Bahnlinie für die Einwohner aufmerksam. Sie ist die "einzige Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Oberzentrum Dessau-Roßlau, zur Kreisstadt Köthen und nach Bitterfeld. In diesen Städten befinden sich die Landkreisverwaltung und die regionalen Berufsschulen. Die flexible Benutzung des Anrufbusses ist keine Alternative, da das Oberzentrum Dessau-Roßlau nicht bedient wird. Die Auflassung des Haltepunktes Jütrichau ist deshalb ein erheblicher Einschnitt in die Daseinsvorsorge für besonders älterer oder nicht mit privaten Fahrzeugen ausgerüstete Personen."

Diese Argumente führte auch Patrick Rumpf an, der im Zuge der Einwohnerfragestunde für die "500 Jütrichauer, Wertlauer und Pakendorf" sprach, die nach Bekanntwerden der Auflassungsabsichten mit ihren Unterschriften gegen die Schließung protestierten.

"Wir finden die Argumente, die bisher gegen die Schließung vorgetragen wurden, richtig und gut", erklärte Rumpf. Auch habe die Stadt die Ablehnung gegen dieses Vorhaben rechtzeitig zum Ausdruck gebracht. "Für viele wäre ein Schließung eine persönliche Katastrophe", machte Rumpf deutlich - familiär wie auch wirtschaftlich. Gerade diese verkehrsgünstige Lage und Anbindung sei ein Argument für Zuwanderung in Jütrichau. "Wir haben dort steigende Einwohner- und Kinderzahlen." Studenten pendeln nach Dessau oder Magdeburg und nicht nur Ältere, "sondern auch Alte fahren mit Hilfe der Bahn zum Einkauf, Frisör und Arzt und bleiben so mobil".

Zudem zweifelte Rumpf in seinen Ausführungen die Korrektheit der Aussagen über die Kosten des noch im Planfeststellungsverfahren integrierten Neubaus zweier Außenbahnsteige. "Diese Kosten sind in den Planungen bereits enthalten gewesen und damit gedeckt."

Auch diesen Punkt beinhaltet die Willensbekundung durch die Stadt Zerbst. "In den Planungsunterlagen zum Eisenbahnbauvorhaben "Eisenbahnknoten Roßlau/Dessau, Planfeststellungsabschnitt 3, Teilabschnitt 1 - Zerbst" war der Rück - und Neubau von zwei Außenbahnsteigen am Haltepunkt Jütrichau bereits festgelegt und wird Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses. Dieser Beschluss erfolgt durch das Eisenbahnbundesamt", heißt es dort. Mehr noch. Die Stadt fordert in ihrer Bekundung nicht nur den Erhalt des Haltepunktes in Jütrichau, sondern "die Entscheidung zur Auflassung des Haltepunktes Jütrichau trotz volkswirtschaftlicher Bedenken, aber zum Wohle der Bürger zurückzunehmen und den Neubau der Bahnsteige zu veranlassen."

"Die Schließung von Haltepunkten ist der Anfang für die Entsiedlung der Dörfer", betonte Rumpf. "Daher ist unsere Bitte an Sie, weiterhin alles in ihren Möglichkeiten stehende zu tun, um eine Schließung abzuwenden. Nur gemeinsam sind wir stark."

"Es ist wichtig, dass wir eine gemeinsame Sprache sprechen", merkte auch Bürgermeister Helmut Behrendt nochmals an. Stadtratsvorsitzender Wilfried Bustro (CDU) teilte zudem mit, dass die unterzeichnete Willensbekundung am Montag dem Verkehrsminister Thomas Webel überreicht wird, der dann in Zerbst zu Besuch ist.

Zuvor merkte Stadtrat Mario Rudolf (FFZ) an, dass er die Willensbekundung gut findet, es aber schade ist, "dass die Ortschaftsräte und die Bürger erst aus der Zeitung davon erfahren" hätten. In diesem Punkt wünsche er sich eine noch bessere Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürger. "Dann hätten wir eher den Protest aufbauen können." Die anwesenden Bürger quittierten diese Aussagen mit Applaus.

Der Protest wird indes fortgeführt. Kommenden Woche wird der Jütrichauer Ortschefs Dirk Bunge mit Vertretern des Landkreises erneut das Gespräch suchen. "Wir bleiben dran", betonte er auf Nachfrage der Volksstimme.