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Ein Kostenvergleich auf 87 Jahre bringt die Haltepunktfrage in Jütrichau in der Politik neu auf den Plan Neue Rechnung soll Bahn und Bus vergleichen

Von Arlette Krickau 07.05.2012, 05:31

Eine neue Rechnung ist das Resultat der Gesprächsrunde der Bürgerinitiative Pro Haltepunkt Jütrichau und der NASA. In ihr sollen die Kosten eines neuen Haltepunktes einem 87 Jahre langem Busverkehr gegenübergestellt werden.

Jütrichau l Eine Mischung aus Emotionalität, aber auch ruhiger Sachlichkeit hat die Atmosphäre in der Raststätte Jütrichau beherrscht, als die Bürgerinitiative Pro Haltepunkt Jütrichau zum Gespräch gebeten hatte.

Der Einladung waren unter anderem gefolgt: Klaus Rüdiger Malter, Geschäftsführer der Nahverkehrsservicegesellschaft Sachsen-Anhalt (NASA), Michael Mühe von der Deutschen Bahn, aber auch einige Vertreter der Politik: Holger Hövelmann (SPD), Landrat Uwe Schulze, Dietmar Kraus (CDU) und Andreas Dittmann, Bürgermeister von Zerbst. Außerdem natürlich engagierte Jütrichauer, die genaue Gründe für die Schließung ihres Haltepunktes hinterfragten und einen Weg finden wollten, diese zu verhindern.

Klaus Rüdiger Malter, Geschäftsführer der NASA, legte ruhig dar, warum sich die Nahverkehrsgesellschaft gegen eine weitere Betreibung des Haltepunktes ausgesprochen hat. "Zunächst einmal reden wir hier nicht davon, dass der Haltepunkt geschlossen wird, sondern darüber, ob er neu gebaut und wieder eröffnet wird. Denn, wenn wir hier baulich nichts verändern müssten, würde der Haltepunkt zunächst einmal weiterhin angefahren werden, da er Bestandsschutz hätte. Jetzt ist es aber so, dass wir bei der Neuanlegung des Haltepunktes über eine Investition von 800000 Euro reden", erklärte er und wies gleich danach darauf hin, dass die NASA noch einige andere Bahnhöfe in Sachsen-Anhalt unter sich hat und pro Jahr fünf Millionen Euro zur Verfügung, um diese instand zu halten und zu betreiben. "Wir können das Geld auch nur einmal ausgeben. Das wären 800 000 Euro, die dann woanders vielleicht fehlen." Das ist aus Malters Sicht dem Land gegenüber nicht vertretbar, bei zehn bis 30 Ein- und Aussteigern von Montag bis Freitag und zehn am Wochenende. "Wir können uns dem demografischen Wandel nicht verschließen. Wir müssen vorrausschauend planen", so Malter.

"Auch ich erkenne die ersten Zeichen des demografischen Wandels. Aber ein Ort, der noch mit einem Haltepunkt an das öffentliche Bahnnetz angeschlossen ist, hat doch einen eindeutigen Vorteil, dem demografischen Wandel zu trotzen", brachte Landrat Uwe Schulze entgegen.

Auf den Hinweis von Holger Hövelmann, dass andere Bahnhöfe auch nicht so gut frequentiert wären und trotzdem noch angefahren werden, ging Michael Mühe ein. "32 Prozent aller Bahnhöfe haben zehn Ein- und Aussteiger oder weniger", erklärte er, aber sie würden noch betrieben, weil ein Bahnhof eine Bestandszeit von durchschnittlich 87 Jahren hat.

Im Fall Jütrichau steht aber ein Neubau zur Debatte. Und wenn man den Mittelwert von 87 Jahren nimmt, müsse man auf diese lange Sicht rechnen, ob sich eine Investition lohnt, so Mühe.

Außerdem "stehe aber natürlich die Einzelfall-Betrachtung ganz oben. Die Gegebenheiten und Besonderheiten jedes Haltepunktes würden in die Betrachtung und Einschätzung mit einfließen", ergänzte Malter. Bahnhöfe, die mit Jütrichau vergleichbar wären, würden auch geschlossen.

Der Einzelfall Jütrichau mache einen Neubau notwendig, weil eine Verbreiterung des Gleisbettes auf Grund der Bebauung der Ortschaft nicht möglich ist. So müssten neue Schienen verlegt werden, die eine Nutzung pro Schiene in beide Richtungen ermögliche, um den Güterverkehr abzuwickeln. In diesem Zuge müssten dann auch neue Bahnsteige gebaut werden.

Die Vertreter der Bahn wie auch der NASA versuchten, den Blick auf "adäquate Alternativen" und "intelligente Lösungen" zu lenken. Von einem Verkehrsmittel-Mix und dem Einsatz eines landesbedeutenden Busses war dann die Rede. Gut abgestimmte, ineinander verzahnte Fahrpläne von Bussen und Bahnen sollen eine gute Alternative bieten, pries Fritz Rössig, Nasa-Förderfachmann an. Ein landesbedeutender Bus hätte den Vorteil, dass er bestimmte Bahnkomforte ebenfalls mitbringe, wie die Mitnahme von Fahrrädern, Rollstühlen, Niederflooren, Fahrten Montag bis Sonntag, auch in den Ferien, nach einem festen Plan.

"Ich bin mir sicher, dass wenn der Haltepunkt tatsächlich schwinden sollte, wir ein tolles Angebot vom Landkreis bekommen werden. Das wird im ersten Jahr sehr schmackhaft sein, auch vielleicht noch im zweiten und dann aber aus wirtschaftlichen Gründen im dritten Jahr dicht gemacht werden. Ich möchte eine Lösung, die der Langfristigkeit und Stabilität der Bestandsdauer von 87 Jahren eines Bahnhaltepunktes entspricht", forderte Bürgermeister Andreas Dittmann.

"Wenn wir tatsächlich eine Buslinie etablieren wollen, muss man zusehen, dass die Gelder kommen. Ich sehe da eine Gefahr bei den stetigen Mittelkürzungen", gab Landrat Uwe Schulze mit zu bedenken.

Nach zwei Stunden diskutieren, erklären und fragen, sollte sich zum Schluss noch eine Frage stellen: Sind bei der Rentabilitätsrechnung auch die Kosten für 87 Jahre Buslinienverkehr mit einbezogen und gegenübergestellt worden? Das musste klar verneint werden. Die Anwesenden forderten deshalb die NASA auf, mit Unterstützung des Kreises eine Rechnung aufzumachen, in der die Kosten für 87 Jahre Busverkehr festgestellt werden. Die NASA stimmte dem zu. "Aber auch wenn sich bei der Rechnung die Straße als teurer herausstellen sollte, möchte ich darauf hinweisen, dass das nicht die Schließung ausschließt", merkte Malter noch an.

Aber das ging am Ende fast unter. "Diese zugesagte Rechnung und Gegenüberstellung der Kosten ist mehr als wir erwartet hatten. Wir als Bürgerinitiative sind damit mehr als zufrieden mit dem Verlauf des Gespräches", konstatierte Patrick Rumpf, Kopf der Bürgerinitiative.