Verwaltung legt ein offenes Bekenntnis zur Ahnungslosigkeit ab Ein Stadtrat fragt und geht ohne Antwort aus: Stehen Leiharbeiter im Dienst der Stadt?
Magdeburg l Oliver Müller, Vizefraktionschef der Linken im Stadtrat, hat im September eine Anfrage an den Oberbürgermeister gestellt. Müller wollte wissen, ob und in welchem Maß kommunale Unternehmen bzw. Unternehmen mit kommunaler Beteiligung Leiharbeiter beschäftigen. Und weiter, sinngemäß: Welche Tätigkeiten verrichten Leiharbeiter im Dienst der Stadt? Wie viel Geld bekommen sie dafür? Sind Leiharbeiter möglicherweise in die Stammbelegschaft gewechselt?
Und schlussendlich: "Wie beurteilen Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, dieses Instrument der kurzfristigen Arbeitskräfterekrutierung im Kontext kommunaler Personalentwicklungskonzepte und aktueller Mindestlohndebatten?"
Jetzt, zwei Monate nach Müllers Fragestellung, liegt eine Antwort in Schriftform vor. Sie passierte in dieser Woche die Magistratsrunde beim Oberbürgermeister und ist damit amt- und öffentlich. Nicht minder ist sie inhaltsleer.
Der Finanzbeigeordnete Klaus Zimmermann (CDU), auch für die Verwaltung der kommunalen Unternehmensbeteiligungen zuständig, bezieht namens der Verwaltung zunächst mit Allgemeinplätzen Stellung: "Die Beschäftigung von Leiharbeitern erfolgt gemäß dem Arbeitnehmer-überlassungsgesetz und gehört zu den normalen Regularien der Wirtschaft. Die kommunalen Unternehmen der Landeshauptstadt Magdeburg nehmen am allgemeinen Geschäftsverkehr teil."
Will heißen: Kommunale Unternehmen sind Unternehmen wie jedes andere auch. Punkt.
Zimmermann fährt fort: "Der Stadtverwaltung ist nicht bekannt, ob in den kommunalen Unternehmen Leiharbeitnehmer beschäftigt werden." Keine Daten, keine Antworten auf Müllers Fragen, nur der Verweis: "Sollten Sie weitergehende Informationen benötigen, möchte ich Sie bitten, über die entsprechenden Gremien (Aufsichtsräte, Beiräte) in den einzelnen Unternehmen nachzufragen."
Kurz: Die Stadtverwaltung ist nicht gewillt, auf die Frage von Stadtrat Müller zu antworten. Sie lässt vielmehr schriftlich ausrichten, dass er sich seine Antwort doch selbst besorgen solle. Müller darf das als Affront verstehen.
Dabei wäre es durchaus auch für die Stadtverwaltung höchst interessant zu wissen, zu welchen Konditionen städtische Unternehmen ihre Mitarbeiter beschäftigen - im Sinne der eigenen Sozialkasse, aus der jährlich etwa 70 Millionen Euro in den Unterhalt von Magdeburger Hartz-IV-Beziehern oder sogenannten Aufstockern fließen, die zwar arbeiten gehen, aber von ihrem Lohn einfach nicht anständig leben können. Auch für ihre Unterkunftskosten kommt ganz oder anteilig die Stadt auf.
Aufsicht im Museum für 4,40 Euro die Stunde
Erst unlängst hatte eine Stellungnahme des Kulturbeigeordneten Rüdiger Koch (SPD) aufhorchen lassen.
Im Zusammenhang mit der Forderung nach abendlichen Öffnungszeiten am Museum hatte Koch konstatiert, dass "eine Verlängerung der Öffnungszeiten nach der Einführung der Mindestlöhne auch im Aufsichtsbereich erhebliche Mehrkosten" verursachen würde (Volksstimme berichtete). Die Bemerkung warf die Frage nach den Konditionen auf, zu denen das Aufsichtspersonal in den städtischen Museen (aber auch zum Beispiel an den Theatern) vor Einführung des Mindestlohns für Sicherheitsdienstleistungen im Juni 2011 seinen Dienst tat.
Auf Nachfrage recherchierte Koch, dass die Angestellten des für das Museum bestellten Sicherheitsunternehmens bis Juni für 4,40 bis 4,70 Euro Stundenlohn arbeiteten. Koch: "Das entsprach dem sachsen-anhaltischen Tarifvertrag für das Wach- und Schließgewerbe." Immerhin auf dessen Einhaltung sei bei der Vergabe der Dienstleistung geachtet worden. Seit der Mindestlohn-Einführung wird im Museum für 6,53 Euro die Stunde Aufsicht "geschoben". Im Angesicht solcher Löhne ist es offenbar nicht ganz ausgeschlossen, dass sich einzelne Menschen, die in städtischen Firmen oder Einrichtungen arbeiten gehen, nach Dienstschluss in die Schlange der Bedürftigen beim Jobcenter stellen müssen. Für ihren Unterhalt käme die Stadt dann sozusagen aus doppelter Kasse auf.
Das wiederum würde die Wirtschaftspläne und Jahresabschlüsse städtischer Betriebe ad absurdum führen, die sich auf Kosten von Geringverdienern gesund schrumpfen, aber damit für den Stadthaushalt neue Lasten produzieren würden.