CDU und SPD geben sich "bewusst gelassen" und sprechen von "politischem Theaterdonner" Zoff um Polizeigesetz landet vor Gericht
Linke und Grüne halten Handyblockaden, zwangsweise Bluttests und Videoüberwachung im neuen Polizeigesetz (SOG) für verfassungswidrig und wollen dagegen klagen. CDU und SPD tun die Drohung als Stimmungsmache ab.
Magdeburg l Koalition und Opposition liegen beim neuen Polizeigesetz völlig über Kreuz: Für CDU und SPD ist die Novelle eine sinnvolle Weiterentwicklung, die Handlungsfähigkeit und Rechtssicherheit für Polizei und Sicherheitsbehörden sicherstellt - wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Linke und Grüne sehen Sachsen-Anhalt bereits auf dem Weg in den Überwachungsstaat. Die Polizei erhalte zu weit reichende Befugnisse, Bürgerrechte würden entkernt und der erwartete Sicherheitsgewinn nicht eintreten, ist sich die Opposition einig.
Wenn das Gesetz voraussichtlich im Sommer vom Landtag beschlossen wird, wollen beide Fraktionen deshalb gemeinsam eine Normenkontrollklage vor dem Landesverfassungsgericht einreichen (siehe Infokasten).
"Wir würden den Gang nach Dessau gerne vermeiden und die Koalition lieber jetzt schon zur Vernunft zu bringen", sagte Linke-Fraktionsvorsitzender Wulf Gallert auf einer gestern anberaumten Pressekonferenz. "Mit der Verfassung spielt man nicht", betonte Grünen-Chefin Claudia Dalbert. Konkret kritisieren die Fraktionen vier Bestimmungen. Eine Videoüberwachung bei Personen- und Fahrzeugkontrollen bereite im Rahmen des Personalabbaus bei der Polizei die Ein-Mann-Streife vor, verstoße gegen das Recht auf informelle Selbstbestimmung sowie Rechte Dritter und berühre auch das Recht auf Versammlungsfreiheit, wenn z.B. bei Demo-Anreisenden Aufnahmen gemacht würden, warnte Henriette Quade, innenpolitische Sprecherin der Linken. Die geplanten Blutzwangstests seien laut Robert-Koch-Institut medizinischer Unsinn, der Vorbehalt eines Richters umgangen und ein Sicherheitsgewinn nicht zu erwarten, so Quade.
"Juristen in Innenministerium und Landtag teilen Bedenken nicht"
Die vorsorgliche Abschaltung von Mobilfunknetzen öffne dem Missbrauch Tür und Tor, warnte Sebastian Striegel, Grünen-Innenpolitiker. "Wenn Handyblockade, dann in einem engeren Rahmen." Auch die Datenerhebung durch Einsatz technischer Mittel, konkret sogenannte "Staatstrojaner", lehnte er ab. In Gerichtsverfahren könne nicht mehr festgestellt werden, was von außen auf den Computer eines Angeklagten kam und was er selbst getan hat.
Die Reaktion der Koalition auf die Vorwürfe kam prompt, jedoch "bewusst gelassen", versicherte CDU-Fraktionsvorsitzender André Schröder. Mit "bewusster Provokation" und "Stimmungsmache" wolle die Opposition offenbar juristisch verhindern, was ihr politisch bislang nicht gelungen sei, sagte Schröder. Es werde das Schreckgespenst eines Überwachungsstaates an die Wand gemalt. Juristen von Innenministerium und Landtag teilten die Bedenken nicht.
SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben sprach von "politischem Theaterdonner". Es gebe für alle kritisierten Vorschriften auch Vorbilder in anderen Bundesländern, die Masse sei dort auch verfassungsrechtlich geprüft. Erben: "Die Autoren sind doch keine Vollpfosten, die haben jahrelange Erfahrung."