Jeder Zweite bald in Rente / 400 Stellen in Sachsen-Anhalt frei Transportfirmen gehen die Lkw-Fahrer aus
Magdeburg. Über Deutschlands Autobahnen rollen gewaltige Lkw-Kolonnen. Der Bedarf, Güter zu transportieren, ist riesig. Firmen finden aber kaum noch Nachwuchskräfte, die sich an das Steuer eines 40-Tonners setzen wollen.
Von den gut 25 000 Berufskraftfahrern in Sachsen-Anhalt wird in den kommenden zehn Jahren fast jeder Zweite in Rente gehen. Sie zu ersetzen, stellt die Logistik-Firmen vor große Probleme, warnt der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). "Die wenigsten in der Politik haben für den drohenden Fachkräftemangel im Transportgewerbe ein offenes Ohr", klagt BGL-Vizepräsident Hans-Dieter Otto.
In Sachsen-Anhalt gibt es bereits mehr als 400 offene Stellen. Doch junge Schulabgänger scheuen davor zurück, sich zum "Fahrzeugführer im Straßenverkehr" ausbilden zu lassen. Laut dem BGL sind 91 der 128 Ausbildungsplätze in Sachsen-Anhalt frei. Selbst wenn sich für alle Plätze noch passende Bewerber fänden, könnten nicht alle offenen Stellen wieder besetzt werden.
Für viele Firmen rächt sich jetzt, dass sie in den vergangenen Jahren kaum selbst ausgebildet haben. Denn sie profitierten lange davon, dass die Bundeswehr für Nachwuchs-Nachschub sorgte. "Mittlerweile bildet diese aber aus Kostengründen 15 000 Lkw-Fahrer weniger aus", erläutert Otto.
Schlechtes Image belastet die ganze Logistik-Branche
Einen Grund für das mangelnde Interesse am Fernfahrer-Beruf sieht er im schlechten Image der Transportbranche: Niedrige Löhne, Zeitdruck, unregelmäßige und lange Arbeitszeiten. "Weil aber Firmen händeringend Fachkräfte suchen, wird die Entlohnung in den kommenden Jahren steigen", prophezeit Otto.
Der Brutto-Lohn eines Lkw-Fahrers in Sachsen-Anhalt liegt derzeit nur bei knapp 1700Euro. Zum Vergleich: Brutto-Verdienste unter 1300 Euro gelten statistisch als Niedriglöhne.
Dennoch bemängeln Unternehmen das schlechte Image. "Lkw-Fahrer transportieren nicht nur Güter von A nach B", betont Pélagie Mepin, Sprecherin der Nagel-Group. Das Logistikunternehmen liefert unter anderem Lebensmittel aus. Europaweit beschäftigt es 11000Mitarbeiter, an seinem Standort in Magdeburg 100. "Unsere Fahrer müssen besonders auf die Hygiene beim Transport achten und sind zunehmend mit moderner IT-Technik konfrontiert." Sechs Ausbildungsplätze seien derzeit in Magdeburg frei, zwei davon für Berufskraftfahrer - obwohl die Bezahlung "vernünftig" wäre und die Firma in Schulen und auf Messen für sich werbe.
An Lkw-Fahrern und Auszubildenden mangelt es auch bei der Ritter Spedition und Logistik. Die Magdeburger Firma beschäftigt 78 Mitarbeiter und verfügt über einen Fuhrpark vom Sprinter bis zum 40-Tonner. "Es gibt kaum noch qualifizierte Bewerber", klagt Speditionsleiter Burkhard Ahrendt. Acht Vorstellungsgespräche hat er in den vergangenen Tagen geführt. Die Resonanz: "Null". Ahrendt überlegt deshalb, stärker mit Fahrschulen zu kooperieren und Lkw-Fahrern Weiterbildungsangebote zu machen. Sonst zahle auch seine Firma "vernünftige" Löhne.