Nach Krisengesprächt Bürgermeister entmachtet Regierung zieht Reißleine für Oberharzstadt
Elbingerode/Magdeburg l Die Regierung hat die Reißleine gezogen. Oberharz-Bürgermeister Frank Damsch (SPD) ist außer Dienst gestellt, das Innenministerium hat am Freitag einen Beauftragten eingesetzt.
Ein Sturm erreicht damit den Oberharz, konkret: ein Hans-Dieter Sturm. So heißt der Verwaltungsexperte aus Niedersachsen und langjährige Vize-Landrat in Halberstadt, der nun als Zwangsverwalter die Geschäfte der in die Pleite geschlingerten Stadt Oberharz am Brocken führen soll. In Tangerhütte war der 66-Jährige bis diesen März in vergleichbarer Mission ein Jahr lang tätig. Allerdings als Berater der Bürgermeisterin, die weiter die Geschäfte führen durfte.
Auf einem Krisengipfel am Donnerstagabend ist die Entscheidung gefallen. Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) und sein Ressortkollege für Inneres, Holger Stahlknecht (CDU), haben den Daumen über die chronisch pleite Oberharzstadt gesenkt. Die Harzer Kreisverwaltung hatte an diesem Tag den Bericht zur Haushaltslage vorgelegt: Aktueller Schuldenstand: 24 Millionen Euro.
Finanzielle Handlungsfähigkeit verloren, Reaktion folgt prompt
Weit schwerer als diese gewaltige Summe wiegt der Umstand, dass die 11700-Einwohner-Kommune Jahr für Jahr ein Defizit von 3,2Millionen Euro anhäuft. Zu strukturschwach ist diese Region, es gibt kaum nennenswerte Industriebetriebe, der Tourismus gilt als wichtigste Einnahmequelle. Allerdings befinden sich die zehn Ortschaften zwischen Benneckenstein, Elbingerode und Hasselfelde dabei in harter Konkurrenz zu Thale, Goslar oder Wernigerode.
Innenminister Holger Stahlknecht begründet sein hartes Vorgehen: "Die Gemeinde hat erklärt, sie habe ihre finanzielle Handlungsfähigkeit verloren." An dieser Stelle, so der CDU-Politiker zur Volksstimme, habe die Kommunalaufsicht reagieren müssen. Staatssekretär Ulf Gundlach, auch er war beim Treff beider Minister dabei, hat am Freitagmorgen Hans-Dieter Sturm telefonisch die neue Aufgabe im Oberharz angetragen.
Frank Damsch, der entmachtete Bürgermeister, hat diese Nachricht von Oberharzern erfahren, die am Freitag davon im Radio gehört hatten. Erst viel später erhielt er die telefonische Bestätigung aus dem Landesverwaltungsamt in Halle.
Gleichwohl er dies als stillos empfindet, will er sich "weiter in den Dienst unserer Stadt stellen". Damsch bietet Sturm seine Unterstützung an und weist eine persönliche Verantwortung an der Finanzmisere von sich. Damsch: "Wir wollen trotz der Lage das Beste für die Menschen und die Region."
Während seit Wochen offen über die Zahlungsunfähigkeit im Oberharz spekuliert wird, gibt es intern erste Ideen für eine erneute Gebietsreform: Die Oberharzstadt solle sich auflösen, Blankenburg und Wernigerode, eventuell auch Thale, die Orte unter sich aufteilen.
Neu ist diese Idee nicht. Bereits vor der letzten Gebietsreform zum Januar 2010 hatten einzelne Politiker und Bürger einen solchen Schritt gefordert. Schon damals wissend, zumindest ahnend, dass die künstlich geschaffene Stadt nicht lebensfähig ist. Allerdings waren diese Pläne unter anderem am Widerstand des damaligen CDU-Landrats Michael Ermrich und von SPD-Politikern wie Rüdiger Erben, seinerzeit als Innen-Staatssekretär mit dem Thema befasst, und dem Harzer Landtagsabgeordneten Ronald Brachmann gescheitert. Auch im Oberharz hielt sich die Begeisterung darüber in Grenzen.
Blankenburg für Schuldenerlass vor Oberharzer Eingemeindung
Und heute? Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos): "Die strukturellen Probleme, die der Oberharz und das Land seit Jahren nicht gelöst haben, die darf man jetzt nicht so einfach Wernigerode übertragen." Die Menschen im Oberharz verdienten jedoch, dass ihnen geholfen, eine Perspektive aufgezeigt werde. Wernigerode wolle das Land dabei nach seinen Kräften unterstützen, erklärte Gaffert.
Deutlicher wird Blankenburgs Bürgermeister Hanns-Michael Noll (CDU), der sich von künftigen Oberharzer Ortsteilen verspricht, dass seine Stadt den planerischen Status eines Mittelzentrums wieder erhält. Zudem könne er sich gemeinsame auch touristische Entwicklungen entlang der Rübeland-Eisenbahnstrecke "sehr gut vorstellen". Allerdings, so Noll, das Land müsse den Oberharz-orten zunächst mindestens alle Schulden erlassen.
Wäre der Finanzminister dazu bereit? Eine offizielle Antwort gibt es darauf am Freitag nicht. Es heißt lediglich, man wolle sich erst dann äußern, wenn Anträge vorliegen.
Und was sagt der Innenminister zu den Gebietsreform-Gedanken? Er sei für vieles offen, nur müsse der Wunsch von den Menschen im Oberharz formuliert werden, betont Stahlknecht: "Wir als Land werden keine Zuordnung vornehmen."