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Stadt und Fürstenhaus Stolberg-Wernigerode einigen sich über Ausstellung für weitere 20 Jahre. Von Tom Koch Wernigerode: Königszimmer bleiben im Land

Schloss Wernigerode behält einen seiner musealen Höhepunkte: Die
Königszimmer, eine exklusive Gästewohnung, bleiben als originales
Ensemble erhalten. Das Haus Stolberg-Wernigerode und Wernigerodes
Oberbürgermeister haben einen Leihvertrag geschlossen, der auch im
Kultusministerium große Zustimmung findet.

07.11.2013, 01:07

Wernigerode l Edle, rot bespannte Wände wechseln sich im Nachbarraum mit grünem Stoff ab. Raumfüllend präsentieren sich historische Möbel, großformatige Gemälde sind mehr als bloße Wandzier. Und über allem thront ein Leuchter. Genau so, wie sich ein jeder von uns ein gut sortiertes Museum vorstellt, präsentiert sich auch das Wernigeröder Schloss.

Was aber ist so Besonderes an diesen drei Zimmern, dass über deren Ausstattung mehr als fünf Jahre intensivst gerungen, gestritten und schließlich doch eine Vertragseinigung erzielt wurde? Es handelt sich dabei um die sogenannten Königszimmer. 1868 als exklusive Gästewohnung erschaffen, vom Architekten dabei stets darauf achtend, dass das Äußere des Schlosses sich auch in seinen Räumen wiederfindet. Die Möbel sind in diese Komposition des Baumeisters Carl Frühling ausdrücklich einbezogen worden, wurden eigens für diese Räume gebaut.

"Haben eine moderne Lösung für den Verbleib in historischen Räumen." - Peter Gaffert, Oberbürgermeister

Stühle, Bett, Spiegelschrank und etliches mehr, insgesamt 51kulturhistorisch bedeutsame Stücke in den Königszimmern, bleiben mindestens 20weitere Jahre lang den Wernigerödern und ihren Besuchern erhalten. Am Mittwoch haben der parteilose Oberbürgermeister Peter Gaffert und Philipp Konstantin Fürst zu Stolberg-Wernigerode darüber einen Vertrag geschlossen.

Zu den Vertragsdetails halten sich die Parteien bedeckt. Immerhin sickert durch, dass es eine jährliche Mietzahlung von 12000Euro aus Wernigerode für den Alteigentümer geben wird. Gaffert bezeichnet das Verhandlungsergebnis als "moderne Lösung für den Verbleib von Kulturgut in historischen Räumen". Der Harzer Rathauschef erwartet zudem, dass auch anderswo im Land dieses Modell Schule machen wird. Diese Einschätzung kommt nicht von ungefähr: Ende kommenden Jahres endet für viele der nach 1945 in Ostdeutschland enteigneten Familien die gesetzliche Frist, ihre Kunst- und Kulturgüter kostenlos den Ausstellungen zu überlassen. Spätestens ab 2014 können die Alteigentümer über ihre Schätze frei verfügen. Wollen Museen keine leeren Räume riskieren, müssen sie schnellstens und erfolgreich verhandeln.

So wie die Wernigeröder. Gaffert bekennt am Rand der Vertragsunterzeichnung, fünf lange Jahre habe es gedauert, bis die Unterschriftstinte unter die Dokumente gesetzt werden kann. Von Rückschlägen spricht er, auch von gegenseitigen Verletzungen, schließlich von neu gewachsenem Vertrauen.

Im Jahr 2004 war der Streit zwischen dem Haus Stolberg-Wernigerode und den Wernigerödern eskaliert. Das Fürstenhaus war grundsätzlich zum Vertragsschluss über rund 650wertvolle Einzelstücke aus dem Schloss bereit, verband dies jedoch mit der Forderung, im Gegenzug dafür Landeswald rings um die Harzstadt zu erhalten.

"Das Dokument kann eine Blaupause für neue Verhandlungen sein." - Philipp Konstantin zu Stolberg-Wernigerode

Dieser Deal kam nie zustande, schlimmer noch: Per Kreistagsbeschluss wurde dem jungen Stolberger das Mandat im Schloss-Aufsichtsrat entzogen. Die Retourkutsche ließ nicht lange auf sich warten: Demonstrativ wurden jene Kanonen von der Großen Schlossterrasse abtransportiert, von denen es dann hieß, jeder gute Sachsen-Anhalter sei als Kind auf diesem mittelalterlichen Kriegsgerät umhergeklettert.

Viele Jahre passierte daraufhin nichts. Zumindestens für die Öffentlichkeit. Hinter den Kulissen ließ Philipp Konstantin zu Stolberg-Wernigerode ein ums andere historische Erbstück aus dem Harz auslagern. Im Gegenzug wurde Schlossdirektor Christian Juranek zum Stammgast auf Auktionen. Sein Auftrag: Stolberger Kunstgüter zurückkaufen, mindestens aber solche Stücke, die irgendwie in sein Museumskonzept hineinpassen.

Dieses eher frostige Kapitel soll jetzt der Vergangenheit angehören. Als Akt des neuen Geistes und guten Willens wird der Chef des Hauses Stolberg-Wernigerode dem Vorstand der Schlossstiftung angehören. Peter Gaffert begründet warum. Das Schloss ist einer der Tourismusmagnete in der Harzregion - zur Freude der Wernigeröder, und daher "von herausragender Bedeutung wie kaum ein zweites Gebäude in der Stadt".

Fast 200.000 Menschen bestaunen Jahr für Jahr die historische Pracht. Stolz erklären die Wernigeröder mit Verweis auf diesen Zuspruch, das meistbesuchte Museum im Land zu sein. Doch es drohte bis zuletzt großes Ungemach: Philipp Konstantin Fürst zu Stolberg-Wernigerode ist rechtmäßiger Eigentümer vieler Kunstschätze. Nach einem bereits 2005 mit dem damaligen Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz geschlossenen Vertrag endet bereits 2013 das Recht des Wernigeröder Schlosses, Stolbergisches im Museum zu präsentieren.

Offen bekennt der 46-Jährige, zwischenzeitlich nicht mehr an eine Einigung am Verhandlungstisch geglaubt zu haben. Es sei der Hartnäckigkeit, dem Charme und Geschick des Wernigeröder Rathauschefs zu verdanken, dass der Königszimmer-Leihvertrag nun perfekt sei. Dieses Dokument könne zur Blaupause für neue Verhandlungen über weitere Kunst- und Kulturgüter werden, blickt der Stolberger voraus. Das böte beiden Partnern die Chance, "die lange Geschichte meiner Familie hier auf Schloss Wernigerode angemessen zu präsentieren".

"Mit dem Vertrag haben wir ganz herausragende Kulturgüter bewahrt." - Matthias Puhle, Kultusministerium

Angemessen, das ist das Wort, das ihm äußerst wichtig ist. Die seiner Einschätzung nach zu starke Betonung des touristischen Geschäfts bei den Angeboten im Schlossmuseum ist ihm seit Jahren ein Dorn im Auge. Ebenso die bisherige Präsentation der drei Königszimmer. Philipp Konstantin zu Stolberg-Wernigerode will nicht nur 10,15Ausstellungsstücke zurück in den Harz geben. Seinem Willen nach sollen auch Exponate, die inzwischen anderswo im Museumsrundgang zu sehen sind, wieder zum historischen Ensemble der drei Räume gehören.

Von Matthias Puhle, langjähriger Chef der Magdeburger Museen und heute Abteilungsleiter im Kultusministerium, gibt es dafür keinen Widerspruch. Mögen diese Zimmer für Touristen ganz normale Museumsräume sein, der Experte weiß: "Mit dem Vertrag über die Königszimmer haben wir für Sachsen-Anhalt ganz herausragende Kulturgüter bewahrt." Und beinahe nebenbei den Anstoß dafür gegeben, "einen der größten Posten bei den im Land noch offenen Restitutionsfragen zu lösen".