Bis Montag kämpfen in Magdeburg Teams um Meistertitel Schach-Strategen mit Maskottchen
Den deutschen Schachklubs gehen die Mitglieder aus. Bei Kindern und
Jugendlichen wird das königliche Spiel hingegen immer beliebter - in
Magdeburg messen sich gerade die cleversten Köpfe.
Magdeburg l Fast vier Stunden hat Matthes Schaefer bereits mit seinem Gegner gerungen. Dann ist ihm klar: Hier gibt es nichts mehr zu holen, nicht einmal ein Remis. Stumm reicht er seinem Gegenüber die Hand, unterschreibt den Spielbericht und packt die Maskottchen ein, den kleinen Steiff-Hund und das gerahmte Autogramm von Garri Kasparow.
"Ich hätte aggressiver spielen müssen", analysiert der 14-Jährige wenig später in der Mittagspause. Dabei ist Matthes ein geübter Spieler: Als Sechsjähriger saß er in seiner Grundschule in Halle zum ersten Mal am Brett, brachte es später zum Sachsen-Anhalt-Meister und spielt nun für seinen Verein BSG Grün-Weiß Leipzig im Magdeburger Maritim-Hotel um die Deutsche Vereinsmeisterschaft.
Schach-Nachwuchsspieler füllen hier an diesem Wochenende jedes zweite Zimmer. Überall in der Hotellobby wuseln Kinder umher. In den Konferenzräumen hingegen herrscht konzentrierte Stille. Im großen Saal Maritim II beugen sich am Nachmittag erneut 80 Köpfe über die Figuren, neben sich die unbarmherzig laufende Schachuhr. Den Druck bewältigt jedes Kind anders. Man sieht hektisch wippende Beine, Nagen am Kugelschreiber, hilfesuchende Blicke zu den Eltern, stoische Mienen ebenso wie die blanke Verzweiflung.
Schach erlebt Renaissance bei Kindern
Es steht nicht allzu gut um den vereinsmäßig organisierten Schach. Die Zahl der Mitglieder schwindet. Der Deutsche Schachbund macht dafür das Internet verantwortlich: Wenn man zu jeder Tag- und Nachtzeit spielen kann, schwindet die Lust auf den festen Spiele-Abend. Bei Kindern erlebt das Spiel hingegen eine Renaissance. "Das ist ein europaweites Phänomen", sagt Walter Rädler von der Schulschachstiftung. In immer mehr Schulen gibt es Schach-AGs, mehr als 3000 Lehrer haben bereits ein Schulschach-Patent erworben. "Kinder sind sofort fasziniert, weil die Regeln einfach sind, das Spiel aber trotzdem unglaublich komplex", sagt Rädler.
Für den achtjährigen Tobias Morgenstern ist Schachspielen auch eine Erinnerung an den Großvater: Der ist gerade an diesem Morgen gestorben. Von ihm hat Tobias einst die Regeln gelernt, jetzt tritt der Grundschüler mit den Schachzwergen Magdeburg in der Altersklasse U 10 an. Gemeinsam spielen ist schön, findet seine Mitspielerin Elina Heutling, ebenfalls acht Jahre alt: "Auch wenn man mal verliert, kann man mit den anderen zusammen noch gewinnen." Ihre kleine Schwester schiebt sogar im Kindergarten schon die Figuren über das Spielfeld.
Mädchen sind im Schach allerdings in der Minderheit. "Die tanzen wohl lieber Ballett", vermutet Elina. Die Schulschachstiftung arbeitet bereits an einer Antwort - derzeit experimentiert sie mit Schachbrettern in den Farben Weiß und Rosa.