Video: Selbstversuch eines jungen Redakteurs Das Trabi-Experiment
Was steckt eigentlich hinter dem Mythos Trabi?, fragte sich
Volksstimme-Redakteur Lion Grote und absolvierte eine Fahrstunde in der
rollenden Legende.
Magdeburg l Ich kann ihn schon von weitem hören. Und riechen kann ich ihn auch. Es riecht wie eine Mischung aus einem fahrenden Kohlekraftwerk und einer alten Kiste, die bei Oma auf dem Dachboden liegt. Doch was dann um die Ecke gerauscht kommt, lässt die Herzen vieler Autoliebhaber höher schlagen: Ein Trabant P601 de luxe, Baujahr 1989.
Als die Eltern von Detlef Nordt den Wagen bestellten, war ich noch nicht mal geplant. Als der Trabi dann bei Familie Nordt vor dem Haus stand, war ich immerhin schon vier - das war 1989. Zehn Jahre Wartezeit gehörten zum Trabi dazu. "Dafür war die Freude dann umso größer", sagt Nordt. Seit 1992 fährt er den panamagrünen Wagen, damals übernahm er ihn von den Eltern. Panamagrün - die weite Welt im Autolack. Zumindest hier kannte die DDR offenbar keine Grenzen: Baligelb, Alaskagrau, Persischorange oder Nilbraun, die Auswahl klingt mondän.
Es sind eben auch solche Feinheiten, die den Trabi bis heute unvergessen machen. 32.311 Exemplare sind noch auf den bundesdeutschen Straßen unterwegs. Und die Chancen stehen vor meinem Selbstversuch nicht schlecht, dass es am Ende einer weniger ist. Doch Detlef Nordt ist ganz entspannt: "Das wird schon."
Tatsächlich habe ich vorher noch nie in einem Trabi gesessen. Und wie er da nun so in seiner vollen "Größe" vor mir steht, weiß ich auch warum. "Da passe ich ja gar nicht rein", stammele ich. Detlef Nordt kann darüber nur lachen. Mit der ganzen Familie und Gepäck ist er mit dem Wagen in den Urlaub nach Ungarn gefahren. "1000 Kilometer hin und zurück. Danach war man wieder urlaubsreif!" Das glaube ich gerne.
Doch der Sitzkomfort war vermutlich das kleinste Problem, wenn man mit dem Trabi auf Reisen ging. Da wurde jede Fahrt zum Abenteuer. "Als Trabifahrer musste man immer auch ein halber Automechaniker sein", erklärt Detlef Nordt. "Zylinderkopfdichtungen oder Strumpfhosen, falls der Keilriemen reißt, gehören zur Ausrüstung einfach dazu." Selbst eine Ersatz-Windschutzscheibe hat er aufgerollt und originalverpackt im Kofferraum. Spätestens jetzt ist klar, mit meinen handwerklichen Fähigkeiten bin ich als Trabi-Fahrer ungeeignet.
Doch es kommt noch schlimmer! Bei modernen Autos reicht ein Knopfdruck und der Motor läuft. So einfach macht es einem der Trabi nicht. Immerhin, bis zum Einstecken des Zündschlüssels komme ich noch, doch dann wird es schwer. Ich drehe den Schlüssel, drücke die Kupplung - und es passiert nichts.
Doch zum Glück habe ich Detlef Nordt neben mir. Seelenruhig erklärt er, dass ich erst die "Kraftstoffhahnfernbedienung" (tolles Wort) aufdrehen, anschließend den Starterzug (unter Eingeweihten "Choke" genannt) ziehen und dabei den Zündschlüssel drehen muss. Es rauscht und ruckelt, der ganze Wagen erzittert und es klingt, als würde eine Gruppe Kinder auf Töpfe einhämmern. Aber tatsächlich, der Motor läuft.
Doch halt! Hier fehlt doch was. Reflexartig greife ich mit der rechten Hand in die Mittelkonsole und suche die Gangschaltung. "Die muss doch hier irgendwo sein?" Detlef Nordt lächelt nur wissend.
Nachdem auch dieses Trabi-Rätsel gelöst ist (die Schaltung befindet sich am Lenkrad), kann es endlich losgehen. Langsam rolle ich mit dem Trabi an. "Treten Sie mal richtig aufs Gas", fordert Detlef Nordt. "Ich will ja nichts kaputt machen", erwidere ich verzweifelt. Ich schalte hoch in den zweiten Gang und mit 40 km/h brausen wir über den Parkplatz. In den Kurven fühlt es sich an, als würde ich in einer Achterbahn sitzen. "Sie brauchen keine Angst zu haben. Der kippt nicht um", beruhigt mich Detlef Nordt.
Langsam fasse ich Vertrauen zum Trabant. Ab gehts auf die Autobahn. Ich werfe mein ganzes Körpergewicht auf das Gaspedal. "Los", ruft Detlef Nordt. Jetzt weiß ich auch, warum der Trabi auch "Rennpappe" heißt. Unter lautem Dröhnen rauscht die Landschaft an uns vorbei. Der Tacho steigt langsam aber sicher von 90 auf mehr als 100 km/h. Das hätte ich nicht erwartet. Ein Rausch der Geschwindigkeit! "In einem Trabi merkt man wenigstens auch, wie schnell man fährt", sagt Detlef Nordt. Recht hat er. Trabifahren ist eben auch ein körperliches Erlebnis.
Manchmal aber erwische ich mich doch noch, wie ich nach dem Schaltknüppel suche. "Sie hätten besser noch ein Fahrschulschild angebaut", sage ich zu meinem Fahrlehrer. "Oder einen Aufkleber: Wessi an Bord!"
Aber irgendwann endet auch die schönste Trabitour und das ganze ohne Beule oder Kratzer. Ja, der Trabi mieft und laut ist er auch. Aber er ist ein Wagen mit Charakter, ist ungemein robust und macht - wenn man die Hindernisse überwunden hat - richtig Spaß. Ein Lob von Detlef Nordt gab es am Ende auch noch: "Trabi-Test bestanden".