Abwasseranschluss Für 50.000 Hauseigentümer kommt das dicke Ende
Hauseigentümer, deren Gebäude vor 1991 ans Abwassernetz angeschlossen wurden, sollen 2015 zur Kasse gebeten werden. Dabei ist es egal, ob der Kanal aus DDR- oder aus Kaiserzeiten stammt. So will es die Landesregierung. Der Gesetzentwurf kommt nächste Woche in den Landtag.
Magdeburg l Arnold Gey aus Gardelegen staunte nicht schlecht, als eine Rechnung vom Abwasserverband in sein Haus flatterte. 2000 Euro soll er zahlen. "Besonderer Herstellungsbeitrag" heißt die Kostennote und bedeutet, dass er wie Tausende andere Eigentümer älterer Häuser in der Stadt an den Baukosten des Abwassernetzes beteiligt werden soll. "Unser Haus ist 1938 ans Kanalnetz angeschlossen worden", sagt Gey.
Doch das zählt nicht. In Sachsen-Anhalt werden alle Eigentümer zur Kasse gebeten, um das zumeist in den 90er Jahren modernisierte Klärwerk mitzufinanzieren, egal, wann ihr Haus an den Kanal kam. Jene, die bislang noch keine Rechnung erhalten haben, müssen sich bald auf Post gefasst machen.
Die Regierung hat mit einer Gesetzesnovelle die Gemeinden ermuntert, ausstehende Beiträge im nächsten Jahr einzutreiben. Der Hauseigentümerverband Haus und Grund rechnet mit 50.000 Bescheiden. Betroffen sind Eigenheimbesitzer, Betriebe, Wohnungsgesellschaften. "Wir wollen ein Aktionsbündnis mit möglichst vielen Bürgerinitiativen gründen, um das zu stoppen", sagt Landesgeschäftsführer Holger Neumann.
Dabei klingt der Gesetzentwurf zunächst gut für die Eigentümer: Altfälle sollen künftig verjähren. Zehn Jahre nach Bau eines Klärwerks oder Modernisierung des Rohrnetzes dürfen Gemeinden keine Rechnungen mehr verschicken. Jedoch soll die Regel erst ab 2016 gelten. Die Regierung will den Gemeinden 2015 eine einjährige Frist einräumen, damit diese doch noch für Altfälle kassieren können. Die Gemeinden haben Druck gemacht, sie rechnen mit 100 Millionen Euro Einnahmen.
Viele Gemeinden und Abwasserverbände haben teilweise über Jahrzehnte keine Rechnungen verschickt, weil sie juristisch unsicher waren, wie die Alt-Angeschlossenen denn nun zu beteiligen sind.
"Das ist irre", sagt Hoger Neumann. Er verweist auf das Bundesverfassungsgericht. Das hatte 2013 geurteilt, dass Bürger nicht für lange zurückliegende Vorgänge belastet werden dürfen. In dem konkreten Fall aus Bayern ging es um zwölf Jahre. "Das Urteil gilt - und zwar jetzt und sofort", sagt Neumann. Daher müsse die Verjährungsfrist auch sofort wirken - ohne Übergang.
So sehen das auch Linke und Grüne - sowie die Regierungsfraktion SPD. Doch Koalitonspartner CDU drängt darauf, auch die finanziellen Interessen der Kommunen zu berücksichtigen. Außerdem müsse ein Ausgleich geschaffen werden zwischen jenen die zahlen mussten, und jenen, die drumherumkamen, sagt Innenpolitiker Jens Kolze. SPD-Fraktionsvize Rüdiger Erben: "Ich hoffe, dass die Kollegen der CDU sich noch umstimmen lassen." Nächste Woche startet im Landtag das Gesetzgebungsverfahren.