Erhalt kleiner Grundschulen Noch immer kein Schulfrieden
Nach der Zusage des Kultusministers zum Erhalt kleiner Grundschulen ist die Debatte neu entbrannt. Weil ein weitergehendes Konsenspapier an der SPD gescheitert ist, zeigt sich auch der Koalitionspartner CDU genervt.
Magdeburg l In vertraulichen Gesprächen hatte Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) einen Kompromiss zwischen allen Landtagsfraktionen ausgehandelt. Am Montagabend lag ein Papier mit vier Punkten vor:
Die Mindestgröße für Grundschulen im ländlichen Raum sollte nicht auf 80 erhöht werden, sondern bei 60 bleiben.
Diese und alle anderen Vorgaben für Schulen sollten bis 2023 unverändert gelten.
Die Landesregierung wird gebeten, das Instrument Schulverband zu prüfen.
Fördermittel aus dem Programm Stark III sollten grundsätzlich allen Schulen offenstehen, nicht wie bisher nur Schulen mit mindestens 100 Schülern.
Nach Volksstimme-Informationen verschickte Dorgerloh das Papier am Montagabend per E-Mail an die Fraktionen. Alle waren einverstanden - bis auf seine eigene Partei, die SPD. Im Fraktionsvorstand fiel das Papier am Dienstagvormittag durch.
"Die SPD hat eiskalt einen Schulfrieden versemmelt." - Hardy Peter Güssau, CDU
Auf keinen Fall wollte die Fraktionsspitze das CDU-Konzept Schulverband aufgreifen. Am Nachmittag tagte noch die gesamte Fraktion und entschied, dass lediglich der erste Punkt umgesetzt werden soll - auf dem Verordnungsweg durch den Kultusminister.
In den anderen Fraktionen entlädt sich seither der Frust. "Das ist ein Skandal, dass eine dringend nötige Vereinbarung am Konflikt der Koalitionspartner scheitert", schimpft Linken-Fraktionsvorsitzender Wulf Gallert. Verärgert sind auch die Grünen. Selbst vom Koalitionspartner kommen harsche Worte.
"Die SPD hat eiskalt einen Schulfrieden versemmelt", sagt der Bildungspolitiker Hardy Peter Güssau. Einen ausdrücklichen Dank richtet der CDU-Mann hingegen an den SPD-Minister, der sich für einen Kompromiss eingesetzt habe, sowie an die Oppositionsfraktionen Linke und Grüne. Die Junge Union (JU) attackiert SPD-Chefin Katrin Budde: Mit dem geplatzten Kompromiss forciere sie das Schulsterben auf dem Land. Die SPD stehe für eine "familien- und kinderfeindliche Politik im Land", sagt JU-Sprecher Marcus Weise.
"Beim Thema Schulverbände haben wir die Reißleine gezogen." - Corinna Reinecke, SPD
Die SPD versucht, den Schwarzen Peter zurückzugeben. Die CDU habe das Thema Schulverbände in allerletzter Minute in das Papier hineingedrückt, sagt die Bildungspolitikerin Corinna Reinecke. "Da haben wir die Reißleine gezogen."
Auch Dorgerloh beteuert, er habe gegenüber der CDU stets deutlich gemacht, dass es gegen Schulverbände in der SPD Vorbehalte gebe. "Die anderen müssen sich an die eigene Nase fassen, ob sie durch Abstriche nicht eine Lösung hätten möglich machen können", sagt Dorgerloh.
SPD-Chefin Katrin Budde reklamiert die Urheberschaft für die abgesenkte Mindestschülerzahl für sich. "Wir sind diejenigen gewesen, die das als erste gefordert haben." Die SPD habe ihren Kurs korrigiert, weil sie gemerkt habe, dass es eine "große Sehnsucht" nach dem Erhalt kleiner Schulen gebe: "Man muss den Leuten zuhören können." Für Schulverbände gebe es angesichts der neuen Verordnung keine Notwendigkeit mehr.
Das Aktionsbündnis "Grundschulen vor Ort" hält Dorgerlohs Ankündigung indes für Augenwischerei. Die Absenkung der Mindestgröße auf 60 Schüler verhindere ein Schulsterben nicht, sie zögere es lediglich um fünf Jahre hinaus, sagte Bündnis-Sprecher Walter Helbling. Um kleine Schulen zu erhalten, sei jahrgangsübergreifender Unterricht notwendig.
Einen positiven Aspekt sieht er dennoch: "Die politische Blockade, die alle unsere Vorschläge lahmgelegt hat, ist sturmreif geschossen."