Erster Bericht des Bundesverkehrsministeriums [Aktualisiert] Lokführer des Unglückszuges überfuhr zwei Signale
Magdeburg/Berlin (vs). Ein Fehler des Güterzug-Lokführers ist möglicherweise Ursache des schweren Bahnunglücks in Sachsen-Anhalt gewesen. Wie aus einem Bericht des Bundesverkehrsministeriums an den Verkehrsausschuss des Bundestages hervorgeht, überfuhr der Mann zwei Signale. Wenig später stieß der mit Kalk beladene Güterzug auf der eingleisigen Strecke bei Hordorf mit einem Personenzug zusammen. Dessen Lokführer leitete noch eine Schnellbremsung ein und verhinderte damit offenbar eine noch größere Katastrophe. Bei dem Unfall kamen am Samstagabend zehn Menschen ums Leben. Sie konnten inzwischen alle identifiziert werden.
Der Güterzug habe die Durchfahrt des Harz-Elbe-Expresses (HEX) abwarten sollen, heißt es in dem Bericht. Er "passierte aber sowohl das Einfahrvorsignal in der Stellung \'Halt erwarten\' sowie das anschließende Halt zeigende Hauptsignal B, ohne diese zu beachten, und hat die für die Zugfahrt des HEX80876 eingesetllte Weiche aufgefahren." Der Fahrdienstleiter im Stellwerk Hordorf habe nach eigener Aussage daraufhin noch über Zugbahnfunk einen Nothaltauftrag abgegeben.
Der HEX-Lokführer habe noch eine Schnellbremsung eingeleitet, heißt es weiter. Diese habe den Personenzug von rund 98 Kilometer pro Stunde auf etwa 66 Kilometer beim Zusammenstoß abgebremst. Ob und wie der Güterzug gebremst habe, müsse sich noch ergeben. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ermittelt gegen den 41-jährigen Lokführer des Güterzuges. Es bestehe ein Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und der Gefährdung des Bahnverkehrs, hieß es.
Aus dem Bundesverkehrsministerium war am Dienstag keine Stellungnahme zu erhalten. Das Eisenbahnbundesamt betonte, dass die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien. Der Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt, Karl-Heinz Daehre (CDU), erklärte, bei so einem schweren Unglück solle man sich mit Spekulationen zurückhalten und "abwarten, bis die Unfallursache eindeutig von der Staatsanwaltschaft bekanntgegeben wird".
Bei dem Zusammenprall war der Personenzug von den Gleisen geschleudert worden. Unter den zehn Toten sind der HEX-Lokführer sowie eine Zugbegleiterin. 18 Reisende wurden dem Ministeriumsbericht zufolge schwer verletzt, 25 leicht. Bei den Todesopfern handelt es sich um vier Mädchen und Frauen im Alter von 12 bis 61 Jahren und sechs Männer im Alter von 33 bis 74 Jahren, wie die Identifizierung ergab.
Die Strecke war nicht mit einem PZB-Sicherheitssystem ausgestattet, das die Züge automatisch stoppt, wenn sie ein Haltesignal überfahren. Dieses System war für die Bahnlinie Magdeburg-Halberstadt erst ab März geplant. Die Unglücksstrecke ist nach Angaben der Bundespolizei seit Montagabend für den Bahnverkehr wieder freigegeben worden.
Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube kündigte die Ausrüstung aller eingleisigen Strecken in Deutschland mit PZB an. Zu diesem Schritt habe sich die Bahn am Montag entschieden und bereits eine Untersuchung aller kritischen Bahnstrecken in Auftrag gegeben, sagte Grube. Insbesondere im Osten Deutschlands gebe es noch viele eingleisige Strecken.
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann (Grüne), moniert derweil Versäumnisse beim Netzbetreiber Bahn: "Es ist ein unerträglicher Zustand, dass in den neuen Bundesländern notwendige Sicherheitssysteme nicht nur auf Neben-, sondern auch auf Hauptstrecken fehlen", sagte er. Nach seinen Informationen fehlt es an PZB-Systemen unter anderem auf Teilabschnitten der Bahnstrecken Erfurt-Nordhausen, Dresden-Cottbus, Halle-Eilenburg, Gera-Leipzig und Lübeck-Stettin.
Auch Frank Schmidt, Chef der Lokführergewerkschaft GDL in Nordrhein-Westfalen, kritisierte das fehlende Sicherheitssystem auf der Unglücksstrecke: "Wir reden über Prestigeobjekte wie \'Stuttgart 21\' und haben noch Strecken, die an Dampflokzeiten erinnern."