Sachsen-Anhalt schneidet im bundesweiten Dienstwagen-Vergleich schlecht ab. Von Winfried Borchert CO2-Ausstoß: Zwei Klimasünder in der Regierung
Deutschlands Politiker reden von Klimaschutz, doch die wenigsten halten sich beim Dienstauto daran. Kein Wunder, denn was ein Politiker für ein Auto fährt, bestimmt praktisch die Autoindustrie - über traumhafte Rabatte für PS-starke CO2-Schleudern.
Magdeburg l Die alten Franzosenkönige verstanden sich bekanntlich gut darauf, mit Prunk und Pomp Staat zu machen. So erfanden sie auch die Carosse, eine oft reich verzierte vierrädrige Kutsche, wobei die Zahl der vorgespannten Pferde auf den Status des Insassen schließen ließ.
Würden diese Maßstäbe heute noch gelten, wären in Sachsen-Anhalt Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) und Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) die eigentlichen Herrscher. Denn unter den Ministern und Staatssekretären der Landesregierung fahren sie mit Abstand die leistungsstärksten Staatskarossen - leider aber auch die klimafeindlichsten. Dies ergab eine aktuelle Volksstimme-Umfrage zum Kohlendioxid-Ausstoß der Dienstwagen von Spitzenpolitikern im Land.
198 beziehungsweise 204 Gramm des die Erderwärmung beschleunigenden Gases blasen die Wagen der beiden Minister im Durchschnitt pro Kilometer in die Luft - im Stadtverkehr und bei Autobahnfahrt noch deutlich mehr.
Den aktuellen 130-Gramm-Richtwert der Europäischen Union (EU) überbieten beide Fahrzeuge um mehr als 50 Prozent. Ihre Nutzer bekamen dafür gestern von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die symbolische Rote Karte in Sachen Klimaschutz. Zum sechsten Mal ermittelte die Umweltorganisation die Klimafreundlichkeit von Dienstwagen der deutschen Bundes- und Landesregierungen und verteilte Grüne Karten für Vorbilder, Gelbe für Politiker mit Ansätzen zur Besserung und Rote Karten für Klimasünder.
Im Bundesländer-Vergleich kommt Sachsen-Anhalts Regierung nur auf Platz 11, hat sich obendrein als einzige neben Berlin gegenüber dem Vorjahr verschlechtert: von im Schnitt 180 auf 182 Gramm CO2 je Kilometer. Hamburgs Senat erreicht 136 Gramm, Bayerns Regierung "sündigt" mit 205 Gramm.
"Politiker haben eine enorme Vorbildwirkung, nicht nur für Bürger, auch für Manager. "
Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe
Dass ein sparsamer Ministerwagen allein das Weltklima nicht rettet, weiß man auch bei der DUH. "Doch Politiker haben eine enorme Vorbildwirkung nicht nur für Bürger, auch für Personen des öffentlichen Lebens. Wenn sich alle Bundes- und Landesminister heute für sparsame Wagen entschieden, würden die Autofirmen binnen Kurzem ihre großen Limousinen mit kleineren Motoren anbieten, auf die bald sogar Manager umsteigen würden", sagte Gerd Rosenkranz, Politik-Chef der DUH. Erfahrungsgemäß würde sich die Zurückhaltung in den Hierarchien nach unten durchsetzen.
Als Klimasünder entlarvte Politiker argumentieren gern, sie nutzten ihren Wagen als "rollendes Büro", brauchten während der Fahrt Platz zum Arbeiten. Rosenkranz: "Kein Problem, wir wollen niemanden in einen Smart sperren. Aber man muss ja nicht die stärkste Motorversion beanspruchen."
Mäßigung allerdings ist gar nicht so einfach. Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) beteuerte, er habe ja versucht, einen sparsameren Motor für seinen Audi A8 zu bekommen. Doch die Autofirma habe nicht mitgespielt.
Denn die größten Rabatte gewähren die Hersteller zumeist auf die Wagen mit den stärksten Motoren. Ohne diese Rabatte aber müsste die gesamte Landesregierung auf ihre Staatskarossen verzichten. Denn die vom Finanzministerium erlassene Haushaltsrichtlinie für den aktuellen Etat 2012/2013, die der Volksstimme vorliegt, begrenzt den Wert eines Ministerwagens auf 27 500 Euro. Tatsächlich aber kostet zum Beispiel der Wagen des Finanzministers allein in der Grundausstattung stolze 97 700 Euro.
"Die Autoindustrie sponsert mit Rabatten die Politiker, macht sie zu Werbeträgern."
Jochen Bäumel, Transparency Deutschland
"Mit derart großen Rabatten sponsert die deutsche Autoindustrie Spitzenpolitiker, die auf diese Weise als Werbeträger fungieren", sagte Jochen Bäumel von der Korruptionsschutz-Organsiation Transparency Deutschland. Und: "Das ist nicht anrüchig, solange die Regierung dies in einem Sponsoring-Bericht veröffentlicht und sich bei politischen Entscheidungen davon nicht beeinflussen lässt."
Nur ganz wenige können der Verlockung eines schnellen, großen Wagens widerstehen. Zum Beispiel Jens Bullerjahns brandenburgischer Amtskollege Helmut Markov. Der Linke-Politiker kommt mit einem Audi A4 2.0 TDI aus (CO2: 127 g/km) und gehört damit zu jenen fünf Ministern in den 16 Bundesländern, die von der DUH eine grüne Karte erhielten. Bullerjahn könnte auch seinen Staatssekretär Jörg Felgner (SPD) um Rat fragen, der mit seinem Auto als einer von zwei Staatssekretären der hiesigen Landesregierung den EU-Richtwert einhält.
Von den Fraktionschefs im Landtag schafft das lediglich Grünen-Chefin Claudia Dalbert - sie fährt nach eigenem Bekunden meist Bus und Bahn und leiht sich über das sogenannte Car-Sharing "gelegentlich" einmal einen Kleinwagen - immerhin "mit einer studentischen Hilfskraft als Fahrer".
im Internet unter duh.de