Der Kinderbuchklassiker "Das kleine Gespenst" wird seit Wochenbeginn im Harz verfilmt. Von Oliver Schlicht Gespenstisch: Am Set rollen Kugeln um die Ecke
Es spukt im Harz - und bald auch im Kino. Der Kinderbuch-Klassiker "Das kleine Gespenst" von Otfried Preußler wird verfilmt. Hauptspielort ist das Schloss Wernigerode.
Wernigerode l Klappe, die Hose. Ein Zug am Faden, der Gürtel platzt. Kurz blitzt die Unterhose vom grantigen Burgverwalter (Aykut Kayacik) auf, dann stolpert er, die Hose in der Hand, fluchend zur Tür hinaus. Der vierte Versuch war perfekt. Das Gespenst hat wieder mit einem kleinen Streich zugeschlagen. Der dauert im Film vielleicht zehn Sekunden. Die Drehzeit für den Gürtel-Gag mit allen vor- und nachgelagerten Arbeiten betrug eine halbe Stunde. Was für ein Aufwand.
Aber diese vielen kleinen Spielereien sollen den Film "Das kleine Gespenst" am Ende zum liebenswerten Ereignis machen. Nico Nitsch ist am Set so ein Mann für gespenstische Sachen wie platzende Gürtel und wackelnde Bilder. Oben auf dem Schloss-Dachboden - hier wohnt das Gespenst - bastelt er mit Luftschläuchen gerade an einem pneumatischen Effekt. Er zeigt auf eine beleuchtete Holztruhe: "Das Gespenst stößt den Deckel auf, fliegt heraus und knallt mit dem Kopf gegen diesen Boiler." Nitsch drückt auf den Fußschalter und schon wackelt das alte Blechding, als wäre gerade jemand dagegen geknallt.
"Wir arbeiten viel mit klassischen Effekten, die dann im Studio später mit dem digital erstellten Geist verbunden werden", erzählt er. Sein Lieblingseffekt ist eine Kanonenkugel, die beim Rollen ihre Richtung per Fernbedienung ändern kann. Drei Wochen Arbeit stecken in dem kleinen Ding. Nico Nitsch schmunzelt: "Da sind Motoren drin. Aber wie das genau funktioniert, verrate ich nicht."
Seit Wochenbeginn hat die Filmcrew das Schloss in Wernigerode fest in Beschlag genommen. Bis Anfang August wird der Kinderbuchklassiker aus den 1960er Jahren "Das kleine Gespenst" im Harz verfilmt. Der Sieben-Millionen-Euro-Film ist eine deutsch-schweizerische Koproduktion. Aber auch Geld der mitteldeutschen Medienförderung ist miteingeflossen. Sachsen-Anhalt - vor allem der Harz - wird zunehmend von den Filmleuten entdeckt. So entstanden und entstehen hier Filme wie "Die Päpstin" (2009), "11/2 Ritter" (2008) und "Der Medicus" (2012). Auch die ARD produziert mit dem Vorabendkrimi "Alles Klara" seit kurzem im Harz.
"Wenn man mittelalterliches Ambiente sucht, gibt es in Deutschland nur eine Handvoll wirklich guter Drehorte. Harzstädte wie Quedlinburg und Wernigerode gehören mit Sicherheit dazu", schwärmt "Gespenster"-Regisseur Alain Gsponer. Für den Dreh sei zunächst die Wartburg in Thüringen im Gespräch gewesen. "Aber das städtische Umfeld im Harz war besser geeignet", so der Regisseur.
Gedreht werde in den nächsten 14 Tagen vor allem im Schloss und für einige Außenaufnahmen auch in Wernigerode. Die eigentlichen Stadtbilder von "Eulenberg" mit der schönen "Eulenburg" - so heißt das Gespenster-Umfeld im Film - werden im Juli in Quedlinburg aufgenommen. Vor allem für den 15. Juli bittet Filmproduzent Jakob Claussen die Harzer um Unterstützung. "Da wollen wir in Quedlinburg einen großen Schweden-Umzug mit etwa 300 Statisten aufnehmen. Wer Lust hat, kann da gern mitmachen - auch nur als Zuschauer. Wir suchen noch dringend Mitstreiter."
Doch bis dahin ist noch Zeit. Im Moment wird das Schloss in Wernigerode zur "Eulenburg". Erstaunlich: Das Schloss bleibt während der Dreharbeiten für die touristischen Besucher geöffnet. So wandern ganze Schulklassen über den Schlosshof und gucken Filmtechniker Dominik Reindl auf die Finger. Der baut im Hof gerade einen großen Brunnen. "Da verschwindet der Geist immer mal drin", erzählt er.
Nur ein paar Schritte vom Zauberbrunnen entfernt genießt Susanne Preußler-Bitsch eine Tasse Kaffee in der Mittagssonne. Die Tochter von Kinderbuch-Autor Otfried Preußler (unter anderem "Räuber Hotzenplotz", "Krabat") ist promovierte Kulturwissenschaftlerin und verwaltet im Auftrag der Familie die Autorenrechte. "Wir haben bei der ,Krabat\'-Verfilmung schon gern mit den Produzenten zusammengearbeitet und sind jetzt auch guter Dinge", sagt sie. Von den Szenenbauten im Schloss, insbesondere von dem riesigen Dachboden, ist sie schwer begeistert. "Das ist ein wundervoller Ort, dieses Buch zu verfilmen", schwärmt sie. Vater Otfried Preußler lebt mit 89 Jahren inzwischen in einer betreuten Wohnung am Chiemsee. "Aber er ist für sein Alter noch gut beieinander und freut sich schon auf den Film." Geht alles gut, wird die Premiere im Oktober mit dem 90. Geburtstag von Vater Otfried zusammenfallen.
Dazu beitragen wollen auch einige bekannte Stars. Herbert Knaup steht aktuell vor der Kamera als Uhrmacher Zifferle. Der Mann hat den Schalk nicht nur vor der Kamera im Nacken. In der Drehpause macht er mit den Damen am Set auch gern mal Scherze über "sein" kleines Gespenst. Uwe Ochsenknecht wird den Bürgermeister von Eulenberg spielen. Er greift erst im Juli ins Drehgeschehen ein.
Eine Bilderserie vom Drehort steht im Internet unter www.volksstimme.de/Gespenst