Unglück auf dem Niegripper See / Leitung hängt tief über dem Wasser / Keine Warnschilder Segelboot streift Hochspannungsleitung Vater stirbt an Stromschlag, Sohn überlebt
Tragischer Unfalltod im beliebten Wassersportrevier Niegripper See: Ein 5-jähriger Junge musste am Sonnabend beim Segeln mit ansehen, wie sein 42-jähriger Vater einen tödlichen Stromschlag erlitt, als das Boot eine 110 000-Volt-Freileitung streifte. Ein Lichtbogen schlug in den Mast ein.
Niegripp l Die Polizei geht inzwischen von einer "Verkettung unglücklicher Umstände" aus. Das haben die ersten Ermittlungen ergeben, sagte gestern Polizeisprecher Andreas von Koß der Volksstimme.
Die Rekonstruktion eines besonders tragischen Falls:
Es soll eine schöne Wochenendausfahrt mit dem neu erworbenen Segelboot werden. Zu einer seiner ersten Ausfahrten mit der kleinen Yacht nimmt der 42-jährige Bootsführer aus der Nähe von Colbitz (Landkreis Börde) seinen fünfjährigen Sohn und zwei Bekannte vom Niegripper See (Jerichower Land) mit. Die Männer im Alter von 40 und 41 Jahren haben an dem ehemaligen Kiesloch mit rund 120 Hektar Gewässerfläche ein kleines Grundstück.
"Mit dem Abstand liegen wir über den gesetzlichen Mindesthöhen."
Corinna Hinkel, EON Avacon
Genug Platz ist für alle Passagiere auf dem etwa sieben Meter langen Boot vorhanden. Das Wetter spricht für einen prächtigen Tag: 22 Grad Celsius, die Sonne scheint. Lebhafter Wind bringt das Boot in Fahrt. Die "Albatros" ist dabei nicht allein auf dem See. Motorbootfahrer und Segler kreuzen hin und her. Einschränkungen für eine Fahrrinne gibt es keine. Auch nicht für Segler. Schilder, die vor einer Hochspannungsleitung warnen, gibt es nicht.
Polizeisprecher Andreas von Koß sagt später: "Dennoch gibt es eine nautische Sorgfaltspflicht eines jeden Sportbootführers. Er muss sich über alle Gegebenheiten vor Ort erkundigen." Die Durchfahrtshöhe beträgt an der tiefsten Stelle der Freileitung 10 bis 11 Meter. Ob dem Schiffsführer das aber bekannt war - und ob er dass wegen der fehlenden Schilder hätte exakt wissen müssen, ist unklar. Dass sein Aluminiummast neun Meter hoch ist, mit dem Rumpf und dem Windmessgerät sogar etwas höher, dürfte hingegen klar gewesen sein. Er warnt wohl auch deshalb kurz vor Durchquerung der Leitung die Crew, nicht zu nah an den Mast zu gehen.
Was dann kurz nach 14 Uhr passiert, ist noch Gegenstand weiterer Ermittlungen. Möglicherweise ein Windstoß oder der noch nicht ganz routinierte Umgang mit dem neuen Boot führen dazu, dass sich der Mast immer weiter der Stelle nähert, an der die Freileitung am tiefsten hängt.
Dann, so sagen mehrere Zeugen aus, gibt es einen Lichtbogen. Der Strom schlägt als Blitz in den Mast ein, das Windmessgerät zerschmilzt. Der 42-jährige Schiffsführer wird durch den Stromschlag getroffen. Herzstillstand. Alle anderen bleiben unverletzt. Die anwesenden unverletzten Männer beginnen sofort mit der Herzdruckmassage.
Ein Arzt, der vom Ufer alles beobachtet, ordert sofort den Rettungshubschrauber, während Zeugen und andere Sportbootführer die Yacht auf dem schnellsten Weg zum Badestrand steuern. Fast zeitgleich trifft dort der Notarzt ein. "Es gab lückenlos Wiederbelebungsversuche bis ins Krankenhaus, doch die Bemühungen waren leider ohne Erfolg", so der Polizeisprecher weiter.
Bei den weiteren Ermittlungen haben Polizei und Mitarbeiter des Energieversorgers EON Avacon die Durchfahrtshöhe an der Unfallstelle vermessen. Sie betrug 10,50 Meter. EON-Sprecherin Corinna Hinkel: "Mit diesem Abstand liegen wir über den gesetzlichen Mindesthöhen." Dennoch: Die Leitung soll verlegt werden und künftig um den See herum führen. Pläne gebe es schon, der Baustart sei aber noch offen, sagte Hinkel. Seite 3