Ärzte informierten in einem Telefonforum über Therapien für Patienten mit Multipler Sklerose Besser Leben trotz chronischer Krankheit
Volksstimme-Leser erkundigten sich bei drei zum Volksstimme-Telefonforum eingeladenen Magdeburger Neurologen. Eine Auswahl der Fragen und Antworten stellte Uwe Seidenfaden zusammen.
Frage: Was bedeutet Multiple Sklerose und welche Ursache hat sie?
Antwort: Die Multiple Sklerose ist eine neurologische Erkrankung, die meist erstmals im jungen Erwachsenenalter auftritt. Bei der MS treten Entzündungen im Zentralnervensystem auf. Auslöser sind Angriffe des Immunsystems auf bestimmte Zellen, die die Nervenbahnen umhüllen und für die Übertragung der elektrischen Signale von einer zur nächsten Nervenzelle sorgen. Die Entzündungen treten zumeist in individuell sehr unterschiedlich langen zeitlichen Abständen wiederkehrend (d.h. schubförmig) und in verschiedenen Regionen von Gehirn und Rückenmark auf. Langfristig kann das zu dauerhaften Nervenschäden (Sklerosen) verbunden mit symptomatischen Folgen wie beispielsweise Einschränkungen der Beweglichkeit führen. Die eigentliche Ursache dieses Geschehens ist unbekannt.
Frage: Können auch Kinder eine MS bekommen?
Antwort: Ja, aber eher selten. In den meisten Fällen beginnt diese Erkrankung im frühen Erwachsenenalter etwa zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.
Frage: Ich bin 81 Jahre alt und spüre seit einigen Wochen hin und wieder einmal ein leichtes Kribbeln in der linken Hand. Manchmal habe ich auch kein Gefühl in der Hand. Mehrmals sind mir deshalb schon Gegenstände plötzlich aus der Hand gefallen, weil die Kraft unwillkürlich versagte. Was kann die Ursache sein?
Antwort: Die von Ihnen beschriebenen Symptome können sehr verschiedene Ursachen haben. Die Palette der Möglichkeiten reicht von Durchblutungsstörungen bis zu rheumatischen oder neuromuskulären Erkrankungen. Die Ursache ist nur durch eine ärztliche Diagnostik zu ermitteln. Es ist sehr selten, dass eine MS erstmals im Seniorenalter auftritt.
Frage: Ist die MS vererbbar oder ansteckend?
Antwort: Das Risiko, an einer MS zu erkranken, ist weder direkt vererbbar noch im Sinne einer Infektion auf andere Menschen übertragbar.
Frage: Mit 22 Jahren hatte ich meinen ersten Krankheitsschub. Er äußerte sich in Schwierigkeiten, meinen rechten Arm zu bewegen. Nach einigen Tagen ging es mir wieder besser. Ähnliche Probleme hatte ich noch dreimal. Erst dann stellten Ärzte die Krankheit fest. Warum kann man eine MS nicht schon viel früher diagnostizieren?
Antwort: Die verschiedenen Symptome, die bei der MS auftreten können, sind unspezifisch. Das heißt, sie können beispielsweise auch durch eine Borrelien-Infektion nach einem Zeckenbiss, einer vorübergehenden leichten Durchblutungsstörung im Gehirn (Schlaganfall) oder diversen anderen Erkrankungen ausgelöst worden sein. Die Ärzte müssen durch Patientenbefragungen, körperliche Untersuchungen, Analysen der Rückenmarksflüssigkeit sowie mit der sogenannten Magnet-resonanztomographie (MRT) die Diagnose absichern. Ziel ist es, die MS-Diagnose bereits mit dem ersten Krankheitsschub zu stellen.
Frage: Ich hatte unlängst einen erneuten Krankheitsschub mit Einschränkungen meiner Beweglichkeit. Im MRT sahen die Ärzte aber keine Auffälligkeiten. Ist das nicht ungewöhnlich?
Antwort: Nein. Das kann durchaus passieren, wenn der Entzündungsherd so klein ist, dass er zwischen den Bildebenen liegt. Wichtig für die MS-Behandlung des Schubes ist jedoch das von Ihnen beschriebene Symptom und ein Ausschluss einer anderen Ursache.
Frage: In jüngster Zeit ist in MS-Internetforen von neuen Therapien zu lesen. Werden sie die Interferon-Therapie ersetzen?
Antwort: Nein. Sie kommen zu der in den Leitlinien zur Basistherapie der schubförmigen MS empfohlenen Therapie hinzu. In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl neuer Therapien entwickelt. Dazu zählen auch Medikamente , die als Tablette eingenommen werden können. Zwei stehen kurz vor der Zulassung. Somit werden die Therapiemöglichkeiten erweitert. Patienten können sich darüber in neurologischen MS-Schwerpunktpraxen bzw. in MS-Zentren (z.B. am Uniklinikum oder NRZ Magdeburg) beraten lassen.
Frage: Wie lange kann ein MS-Krankheitsschub dauern und wann muss man davon ausgehen, dass die MS in einen schleichenden Verlauf übergegangenen ist? Ich habe jetzt schon über einen Monat lang anhaltende Beschwerden.
Antwort: Die Länge der Erkrankungsschübe sagt allein noch nichts darüber aus, ob eine schubförmige MS in einen schleichenden (sekundär progredienten) Verlauf übergeht. Beim Übergang zwischen beiden Erkrankungsphasen spielt vielmehr eine Rolle, dass zwischen den Schüben eine Symptomverschlechterung auftritt.
Frage: In meinem Fall sind die Krankheitsschübe in einen andauernden Zustand übergegangen (sekundär progrediente MS). Versuche mit Mitoxantron haben nicht den erhofften Erfolg gebracht. Was kann ich tun?
Antwort: Wenn unter Mitoxantron die Krankheitsaktivität fortbesteht, können in Abständen Therapieversuche mit hochdosierten Cortison-Infusionsbehandlungen (Stoßtherapie) gemacht werden.
Frage: Meine Frau hat MS seit sieben Jahren. Sie hat wenig Freude am Leben und ermüdet sehr schnell. Wie kann man ihr helfen?
Antwort: Es gibt eine Vielzahl von begleitenden Therapien, die das Leben von MS-Patienten verbessern. Das nennen wir symptomatische Therapien. Dazu zählen u.a. medikamentöse, physiotherapeutische und ergotherapeutische Verfahren. Sprechen Sie mit dem behandelnden Neurologen.
Frage: Seit vier Jahren leidet meine Frau an einer MS ohne Entzündungsschübe (sogenannter primär progredienter Verlauf). Welche neuen Behandlungen gibt es?
Antwort: Leider gibt es derzeit keine zugelassenen Medikamente für die primär progrediente MS. Ob eine Cortisonbehandlung im Intervall sinnvoll ist, muss im Einzelfall entschieden werden.
Besondere Vorsicht geboten ist insbesondere bei Patienten mit Herzrhytmusstörungen, mit schweren Nierenerkrankungen sowie bei Epileptikern. Durchaus zu empfehlen sind symptomatische Therapien einschließlich der Physio- und Ergotherapie.