Verdeckte Werbung Rundfunk-Affäre weitet sich aus
Radio SAW ließ sich auch für Sendungen mit den SPD-Ministern Angela Kolb und Norbert Bischoff bezahlen.
Magdeburg l In allen Fällen geht es um zweistündige Sondersendungen, die wie redaktionelle Beiträge wirkten. Tatsächlich aber wurden sie auf Wunsch des Landes produziert und auch vom Land finanziert – ohne dass Radio SAW das seinen Hörern deutlich mitgeteilt hatte.
Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) stellte im Juli 2012 ein Programm seines Hauses zur beruflichen Weiterbildung vor. Die Sendung begann mit einem ausführlichen Minister-Interview. Genauso lief es, als Justizministerin Angela Kolb (SPD) im Oktober 2014 über die Gleichberechtigung von Mann und Frau sprach sowie Ende Juni dieses Jahres über Opferschutz. Für alle drei Sendungen floss Steuergeld. Bereits am Sonnabend hatte die Volksstimme aufgedeckt, dass das Land für eine Sendung mit Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) 10 000 Euro zahlt.
Der Linken-Abgeordnete Stefan Gebhardt spricht empört von „verdecktem Staatsrundfunk“. Die Praxis bei Radio SAW gehe über verdeckte Werbung weit hinaus. „Das muss Konsequenzen nach sich ziehen“, fordert der medienpolitische Sprecher der Linken. Seine Fraktion setzt das Thema noch in dieser Woche auf die Tagesordnung des Landtages: „Wir wollen wissen, wer noch alles mitgemacht hat.“
Die Sprecherin von Justizministerin Kolb bestätigte Zahlungen mit dem Ziel, Sendungen zu gewünschten Themen zu initiieren. In einem Fall zahlte das Ministerium 9000 Euro. Im anderen übernahm die Investitionsbank des Landes die Rechnung, ebenso wie für die Sendung mit Bischoff. „Wir haben auf diesem Weg eine Öffentlichkeit erreicht, die wir sonst nicht erreicht hätten“, begründete Kolbs Sprecherin.
Dass die Ministerin selbst interviewt wurde, sei allerdings keine Vorgabe gewesen. „Bezahlt haben wir auch nur Werbespots für die Sendung, nicht die Sendung selbst“, betonte die Sprecherin.
Unterdessen hat sich die Landesmedienanstalt als Aufsichtsorgan für den privaten Rundfunk eingeschaltet. Bereits am Sonnabend habe er den Vorstand über die Vorwürfe informiert, sagte Direktor Martin Heine. „Wir fordern jetzt Sende-Mitschnitte an. Uns interessieren aber auch die Vereinbarungen, die da möglicherweise getroffen wurden.“ In der kommenden Woche tagt turnusmäßig die 25-köpfige Versammlung, das oberste Gremium der Medienanstalt. „Ob wir unsere Vorprüfung bis dahin abschließen können, ist aber noch offen“, sagte Heine.
Am Montagnachmittag teilte Radio SAW mit, der Sender habe die Medienanstalt auch selbst um eine Einschätzung gebeten. „Wir gehen davon aus, dass hier keine Beanstandungen zu erwarten sind“, sagte SAW-Sprecher Jens Kerner. Der Sender stelle sicher, dass niemand Einfluss auf die redaktionelle Unabhängigkeit gewinne, weder Wirtschaftsvertreter noch Politiker.
Im Fall der Sendung mit Finanzminister Bullerjahn hatte Kerner noch am Freitag darauf beharrt, Radio SAW habe sämtliche Gesprächspartner selbst ausgewählt. Die Investitionsbank hingegen räumt ein, dass sie das Interview mit Bullerjahn selbst zur Vorgabe gemacht habe.