Zinserlass Die Erinnerungslücken des Jens Bullerjahn
Der Untersuchungsausschuss befasst sich mit umstrittenem 270.000-Euro-Zinserlass für Firmen der Schlossgruppe Neugattersleben.
Magdeburg l Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) ist am Mittwoch als Zeuge vor dem IBG-Untersuchungsausschuss geladen. Schon zum zweiten Mal. Der 53-Jährige wirkt genervt. Wieder Fragen zu einem Thema, das seit Monaten Wellen schlägt – dem Zinserlass für Unternehmen der Firmengruppe des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Klaas Hübner. Hat sich der Finanzminister in diese Entscheidung eingemischt? Kam Druck von oben? „Es gab keine Einflussnahme von mir“, wiederholt Bullerjahn im Ausschuss. Er spricht von Unterstellungen, für die bis heute kein „Kronzeuge“ gefunden worden sei. Der Zinserlass ist umstritten. Der Rechnungshof sagt, der Erlass sei „mit geltendem Steuerrecht nicht zu begründen“. Bullerjahn hält das Vorgehen für rechtmäßig.
Die inzwischen aufgelöste Oberfinanzdirektion (OFD) hatte im Juni 2013 die Finanzämter in Magdeburg, Staßfurt und Bitterfeld-Wolfen angewiesen, Nachzahlungszinsen auf fällige Steuern von Unternehmen der „Schlossgruppe Neugattersleben“ zu erlassen. In der Ausschusssitzung gestern wird deutlich, dass die Spitze des Finanzministerium in einer Art und Weise in die Sache involviert, die viele Parlamentarier für sehr ungewöhnlich halten – zumindest das. Der Reihe nach: Bekannt ist inzwischen, dass der Unternehmer Klaas Hübner und dessen Vater bereits 2011 wegen einer sich über drei Jahre hinziehenden Betriebsprüfung auf Bullerjahn zukommen. Hübner und Bullerjahn sind gut befreundet.
Nach Darstellung des Ministers geht es bei dem Gespräch mit den Hübners um mehr als 700 strittige Bescheide. Er, Bullerjahn, habe seine Fachleute gebeten, die Sache zu prüfen. Und so schickt der Minister seine Staatssekretäre in die Spur. Bis Oktober 2012 Heiko Geue, nach dessen Weggang nach Berlin dann Jörg Felgner (beide SPD). Geue berichtet im Ausschuss, dass er Bullerjahns Bitte nachgekommen sei. 2011 habe er in der Steuerangelegenheit Klaas Hübner getroffen – zu einem „Orientierungsgespräch“. Ein Jahr später sei es zu zwei weiteren Treffen gekommen – diesmal ist von „Informationsgesprächen“ die Rede. Zugegen sind neben Geue auch Vertreter der OFD sowie Klaas Hübner und dessen Vater.
Die Dauer der Betriebsprüfung (seit 2008) sei „ungewöhnlich lang“ gewesen, sagt Geue „Wir wollten alle gemeinsam an den Tisch holen, damit es vorangeht.“ Er, Geue, habe Bullerjahn über die Gespräche informiert: „Aber wir haben nicht mal im Ansatz über irgendwelche Details gesprochen.“Nach Geues Ausscheiden übernimmt Staatssekretär Felgner die Sache. Im Dezember 2012 gibt es erneut ein Treffen zwischen OFD-Vertretern und den Hübners. Felgner ist dabei, im Auftrag des Ministers, als „Moderator“, wie er beteuert. „Ich sollte ein Auge auf das Verfahren werfen“, sagt er. Es sei darum gegangen, die Prüfung abzuschließen. Die Hausleitung habe ein Interesse daran gehabt, wie der Stand der Dinge sei. „Ich wollte, dass der OFD-Präsident tätig wird – aber nicht in eine bestimmte Richtung.“
Im Ausschuss wird das Agieren skeptisch gesehen. So meint etwa Thomas Leimbach (CDU), dies müsse die Oberfinanzdirektion als Weisung verstanden haben. Nach Auffassung des Rechnungshofs hat die Mitwirkung des Finanzministeriums „maßgeblich zu der Entscheidung der OFD beigetragen, Nachzahlungszinsen auf umstrittene Steuern zu erlassen“. Beide Staatssekretäre, die sich übrigens mit Hübner duzen, weisen das zurück.
Bullerjahn und Felgner weisen indes erstaunliche Erinnerungslücken auf. Beide können nicht sagen, wer den Zinserlass angewiesen hat. Das war OFD-Finanzpräsident Martin Meyer. Er soll jetzt Abteilungsleiter werden – im Finanzministerium.