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SPD Parteitag stärkt Budde den Rücken

Beim SPD-Landesparteitag in Leuna wurde das Regierungsprogramm beschlossen. Doch zeitweise dominierte ein ganz anderes Thema.

Von Michael Bock 19.10.2015, 01:01

Leuna l Der Austritt von Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper aus der SPD bewegte am Sonnabend die Gemüter. Der Parteitag stärkte SPD-Landes- und -Fraktionschefin Katrin Budde demonstrativ den Rücken. Unter großem Beifall der 100 Delegierten sagte die SPD-Spitzenkandidatin, sie werde sich „nicht von einem Einzelnen demontieren lassen. Und schon gar nicht, wenn ich Mittel zum Zweck sein soll, um der SPD zu schaden.“

Budde beteuerte, es habe keinen Streit mit dem Oberbürgermeister gegeben. „Es stimmt nicht, dass irgendjemand Lutz Trümper den Mund verboten hat. Ich darf aber schon darum bitten, dass man zuerst in der SPD miteinander redet.“ Trümper hatte am Mittwoch sein Parteibuch abgegeben. Zuvor hatte er die Flüchtlingspolitik von Budde als realitätsfern bezeichnet. Laut Trümper hat Budde ihm gesagt, mit solchen Äußerungen schade er ihr und der SPD.

Der Magdeburger Stadtverbandsvorsitzende Falko Grube sagte, ein Streit in der Sache sei kein Grund, aus der SPD auszutreten. „Es geht nicht darum, dass sich Einzelne profilieren.“ Trümper habe innerparteiliche Solidarität vermissen lassen und sich „parteischädigend“ verhalten. Mit Blick auf die weitere Zusammenarbeit mit Trümper im Stadtrat sagte Grube: „Wir werden nicht wilde Sau spielen.“

Finanzminister Jens Bullerjahn riet seiner Partei zu Gelassenheit. Zum Teil selbst verschuldet werde die SPD „etwas härter“ angefasst. „Aber lasst euch nicht verrückt machen“, sagte er. Trümpers Austritt sei zu respektieren. Es gebe aber keinen Grund, diese Entscheidung mit der SPD in Verbindung zu bringen. Bullerjahn kritisierte, Trümper sei Budde in den Rücken gefallen. „Das ist schade, unfair und falsch“, sagte er. Bullerjahn, der oft mit seiner Partei über Kreuz lag, fügte hinzu: „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, die SPD zu verlassen.“

Der Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka sagte, einige würden jetzt sagen, die SPD stehe mit dem Arsch an der Wand. „Wir werden in den nächsten Monaten zeigen, dass wir einen Arsch in der Hose haben.“ Der Altmärker Landtagsabgeordnete Ralf Bergmann sagte: „Es ist keine Schande, auf die Fresse zu fallen. Es ist nur eine Schande, wenn man nicht wieder aufsteht. Und die SPD steht wieder auf.“

Trümpers Austritt schadet aus Sicht eines Politpsychologen der Politik insgesamt. „Er schädigt die SPD, er schädigt den politischen Prozess und er schädigt eine offene Ausein­andersetzung über die Inte­gration von Flüchtlingen“, sagte Thomas Kliche, Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Die SPD will die Flüchtlingsproblematik nicht zum Schwerpunkt in ihrem Wahlprogramm machen. Auf einem Parteitag am Sonnabend in Leuna wies Landes­chefin Katrin Budde solche Forderungen aus den eigenen Reihen zurück. Zugleich kritisierte sie den Koalitionspartner CDU, der sich dafür entschieden habe, Flüchtlingspolitik zum Wahlkampf-thema zu machen. „Das sollten sie sich noch mal gut überlegen“, empfahl Budde. Es sei zwar allen bewusst, dass die Flüchtlingsproblematik derzeit das bestimmende Thema sei;  aber man beschließe ein Wahlprogramm für eine ganze Legislaturperiode und nicht für eine Momentaufnahme, „auch wenn diese länger andauern wird“.

Pressemitteilungen der CDU am Sonntag lassen die Differenzen zwischen den Koalitionspartnern überdeutlich werden. CDU-Fraktionschef André Schröder warf der SPD prompt „Konzeptionslosigkeit bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise“ vor.

Und er wischte postwendend einen Vorschlag von SPD-Sozialminister Norbert Bischoff vom Tisch. Der hatte am Wochenende gesagt, dass Sachsen-Anhalt plane, Flüchtlinge bis Anfang 2016 mit einer Gesundheitskarte auszustatten. Mit einer solchen Karte könnten Flüchtlinge künftig direkt zum Arzt gehen. Derzeit müssen sie erst bei den örtlichen Behörden um einen Behandlungsschein nachfragen.

CDU-Mann Schröder sagte, es müssten offene Fragen geklärt werden. Zudem wäre die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt „zum Zeitpunkt weiter wachsender Flüchtlingszahlen und in Anbetracht steigender Kassenbeiträge ein völlig falsches Signal“. Eine Ausweitung des Umfangs bei den Gesundheitsleistungen für Flüchtlinge lehne die CDU strikt ab.

Ebenfalls am Sonntag forderte CDU-Innenpolitiker Jens Kolze, Transitzonen an der deutschen Grenze einzurichten, um Asylverfahren zu beschleunigen. Kolze sagte: „Wir werden es in Europa nicht mehr hinnehmen, dass Deutschland die Flüchtlingskrise 2015 de facto allein bewältigen muss.“ Auch Magdeburgs Oberbürgermeister  Lutz Trümper meldete sich über ein Interview der Zeitung „Die Welt“ erneut zu Wort. Dort warf er der SPD vor, das Asylthema im Parteiprogramm unangemessen klein abzuhandeln.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) warb indes beim Parteitag für ein gemeinsames Vorgehen der Parteien in der Flüchtlingspolitik: „Wir können nicht erwarten, dass die Bürger mit anpacken, wenn wir uns in der Politik streiten und unsicher werden.“ Es sei wichtig, den Menschen ehrlich zu sagen, wie groß die Herausforderung der Flüchtlings-Integration sei, aber auch Zuversicht auszustrahlen.

Die Landes-SPD setzt vor allem auf die Themen Arbeit, Wirtschaft und Bildung. Budde kritisierte den Koalitionspartner: Die CDU habe der SPD im Wahlkampf 2002 die Rote Laterne umgehängt. „Die CDU trägt jetzt die Verantwortung für Nullwachstum in Sachsen-Anhalt“, sagte sie. „Das ist kein Nachweis dafür, dass die CDU gute Arbeit für Sachsen-Anhalt in allen Bereichen geleistet hat. Wir werden sie bei diesem Thema stellen.“

Die Sozialdemokraten fordern in ihrem Programm eine Abkehr vom „Billiglohnland“ Sachsen-Anhalt und wollen neben guten Löhnen auch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer stärken. Die umstrittene landeseigene Beteiligungsgesellschaft IBG will die SPD abschaffen und die Wirtschaftsförderung stärker regionalisieren. Bei der Bildung setzt die Partei auf den Ausbau der Gemeinschafts- und Ganztagsschulen.