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Spitzensport Die unbekannten Meister

Hochklassiger Sport ist nebenan: Neben Beruf, Studium oder Schule jagen zahlreiche Menschen aus Sachsen-Anhalt nach Bundesliga-Punkten.

23.10.2015, 11:08

Magdeburg l Einmal in der Bundesliga für Furore sorgen, den entscheidenden Punkt machen oder am besten gleich mit der deutschen Nationalmannschaft Titel gewinnen – davon träumen viele Sportler. Was sich viele Kinder erträumen, ist für viele Sportler wahr geworden. Jedoch nicht in der schillernden und glänzenden Welt des Mainstream-Sports. Vier Beispiele aus Sachsen-Anhalt:

Markus Schönhoff reist seit wenigen Wochen regelmäßig zu Lehrgängen der deutschen Nationalmannschaft. Jedoch warten dann nicht Joachim Löw oder Oliver Bierhoff auf ihn, sondern sein Bundestrainer heißt Wolfgang Zenkner und wurde 2010 Weltmeister.

Markus Schönhoff ist einer der besten Dreiband-Billard-Spieler in Deutschland. Der gebürtige Bernburger startet für den 1. BC Magdeburg in der Bundesliga. Dort spielt er mit zwei der Besten zusammen, die der Billard-Sport bisher hervorgebracht hat: Dick Jaspers und Dion Nelin. Vergleichbar wäre es wohl, wenn Lionel Messi und Cristiano Ronaldo auf einmal zusammen beim Drittligisten 1. FC Magdeburg spielen würden. „Jaspers spielt seit 25 Jahren an der absoluten Weltspitze“, lobt Schönhoff seinen Teamkollegen.

Jaspers ist auch einer der wenigen Profis im Billardsport. Das gelingt dem Niederländer aber nur, weil man im Billard in mehreren Ländern spielen darf. „Er tritt in der Liga in seiner Heimat an, aber auch in Frankreich und Portugal“, weiß Schönhoff. „Dabei spielt er sogar beim FC Porto im Stadion.“ Der Verein, der für seine Fußballabteilung und die Erfolge unter José Mourinho bekannt ist, hat auch eine bestens ausgestattete Schachabteilung. Die Räume sind perfekt klimatisiert. „Es darf nicht zu feucht sein, das ist nicht gut für die Tische“, weiß Schönhoff.

Damit Jaspers und die anderen drei Spitzenspieler – neben Nelin stehen auch noch die Tschechen Radek Novak und Stepan Kohout in Magdeburg unter Vertrag – finanziert werden können, braucht der Verein in jeder Saison zwischen 25 000 und 30 000 Euro.

In der aktuellen Tabelle stehen die Bundesliga-Spieler aus der Elbestadt auf dem zweiten Rang. Ihr erstes Ziel ist es, nach dem Aufstieg die Klasse zu halten. Dafür trainieren sie donnerstags zusammen. „Aber ich kann jederzeit in den Club und an den Tisch“, erklärt Bundesliga-Spieler Schönhoff. Schließlich ist er kein Profi und muss nebenbei noch arbeiten. Er hat erst vor wenigen Wochen einen neuen Job angetreten.

Nun steht er vor der Herausforderung auch dort seine Spielerkarriere und den Beruf unter einen Hut zu bekommen. „Ich würde sehr ungern meine noch junge Karriere als Nationalspieler aufgeben müssen“, sagt der 46-Jährige, um dann mit nachdenklicher Stimme anzumerken: „Am Ende würde sicher die Vernunft siegen.“

Von ihrem Sport leben können die Spieler der SG Aufbau Elbe Magdeburg ebenso wenig. Sie sitzen Woche für Woche am Schachbrett. Aktuell spielt die erste Mannschaft in der 2. Bundesliga. Dabei sind pro Saison immer 16 Spieler und Spielerinnen gemeldet, wobei neun den Stamm bilden, von denen wiederum acht immer ans Brett treten.

In der Magdeburger Mannschaft spielt mit Evgeny Degtiarev ein internationaler Meister und damit eine Stufe unter dem Titel „Großmeister“. „Er kommt immer aus Basel zu den Spielen angereist“, erklärt sein Teamkollege Gordon Andre. Der gebürtige Moskauer ist in der Elbestadt aufgewachsen, aus beruflichen Gründen aber inzwischen in der Schweiz angekommen.

Andre spielt seit 25 Jahren mit den schwarzen und weißen Figuren. „Ich habe als Zehnjähriger angefangen“, erinnert er sich zurück. „Das ist wohl auch das beste Alter, um mit Schach zu beginnen.“ Neben dem Spielen in der zweiten Liga trainiert er auch den Nachwuchs. „Wir haben eine Mannschaft in der Junioren-Bundesliga, und Josefine Heinemann ist unter anderem deutsche Meisterin in ihrer Altersklasse.“ Die jungen Spieler stehen auch schon im Bundesliga-Team und kommen regelmäßig in der zweiten Mannschaft zum Einsatz. So sammeln sie wertvolle Turniererfahrung.

Die Vorbereitung auf ein Turnier ist sehr detailliert, sagt der Magdeburger: „Es gibt so viele Daten über die Gegner, sodass wir uns bestens auf sie einstellen können.“ Gemeinsam mit Teamkollegen oder allein werden dann die Partien analysiert. „Man kann sich zum Beispiel gut auf die Angriffstaktik vorbereiten“, klärt Andre auf.

Das „normale“ Training besteht neben Schachspielen auch aus dem Lösen von Denksportaufgaben. „Aber wir lesen auch Taktikbücher, um uns zu verbessern“, fügt die Nummer 3 im Magdeburger Bundesliga-Team an.

Von klein auf werden die Kinder und Jugendlichen von Landestrainerin Tetyana Melamed geschult. Die gebürtige Ukrainerin ist diplomierte Sportlehrerin und lizenzierte Schach-Trainerin. Sie ist mit den Jugendlichen derzeit in der Landessportschule Osterburg zu Gast. „Wir haben dort unser Trainingslager und üben intensiv“, erzählt sie. Neben den spezifischen Aufgaben gehört auch Ausgleichssport dazu. „Viele Kinder gehen zum Fußball, um sich körperlich komplett auszupowern“, sagt die seit 2007 amtierende Landestrainerin.

Auch die Volleyballspieler des USC Magdeburg müssen ihre Fähigkeiten selbstständig verbessern. Die Herren sind in der 2. Bundesliga aktiv. Aber nur nebenberuflich, wie Anja Bechmann verdeutlicht: „Seinen Lebensunterhalt verdienen kann man in Deutschland mit dem Sport nicht“, erklärt die Pressesprecherin des Universitätssportclubs Magdeburg. Vielmehr seien die Spieler berufstätig oder noch Studenten. „Wir haben einen Medizinstudenten in unseren Reihen, da ist die Zeit knapp bemessen“, sagt Bechmann.

Dennoch wird mehrmals die Woche trainiert. An drei Abenden schuften alle 14 Spieler gemeinsam. „Vormittags geht es dann wiederum darum, die Individualtaktik zu verbessern“, weiß Bechmann. Also beispielsweise das Zuspiel, Blocken oder das eigene Aufschlagspiel auszubauen.

Auch wenn die Spieler keine Profis sind, so sind die Strukturen um das Team herum professionalisiert worden. „Wir haben jetzt ein Management, das sich um Sponsorenwerbung, aber auch die Organisation im Allgemeinen kümmert“, erklärt Bechmann. So muss niemand mehr aus der Mannschaft die Auswärtsfahrten vorbereiten oder sich um neue Geldgeber kümmern. Die Volleyballer können sich nun komplett auf die eigene Spielweise und Karriere konzentrieren. Vielleicht führt diese sie auch bis nach Italien oder Polen, wo man seinen Lebensunterhalt mit Volleyball verdienen kann.

Als Profi sein Geld verdienen, das bleibt für die Floorballer der Red Devils Wernigerode wohl für immer ein Traum. „Es gibt nur einige Spieler, die vom Sport leben können“, sagt Mario Vordank. Er ist Jugendtrainer der Harzer. Die finanzielle Ausstattung des Unihockey ist sogar so schlecht, dass manch hoffnungsvolles Talent nicht zur Nationalmannschaft reisen kann. „Die Lehrgänge und Turniere sind teuer“, sagt Vordank, der auch mangelnde Unterstützung des Deutschen Olympischen Sportbundes beklagt.

„Beispielsweise musste für die WM 2014 ein Eigenanteil von 1200 Euro gezahlt werden.“ Eine Herausforderung, nicht nur für Studenten oder Schüler. „Es könnte etwas mehr Geld fließen“, ergänzt der leidenschaftliche Hockeyspieler. Er selbst ist ausgebildeter Sportwissenschaftler, arbeitet derzeit in einem Krankenhaus. Nach der Arbeit heißt es dann, alles für das Bundesliga-Team zu organisieren oder die Jugend der Harzer zu trainieren. „Der Verein lebt vom Ehrenamt, wir sind einfach mit Feuer und Flamme dabei“, sagt Vordank.

Diese Leidenschaft, dieses Engagement trägt satte Früchte. Nicht nur in der Bundesliga stehen sie mit Platz 2 aus der vergangenen Saison und der Pokalfinalteilnahme gut da, auch die Nachwuchsarbeit ist ein voller Erfolg. „Wir haben derzeit acht Nationalspieler im Verein“, sagt Vordank mit stolzer Stimme.

Die U-19-WM findet allerdings im kommenden Jahr in Kanada statt. Eine lange Reise, verbunden mit sehr hohen Kosten für den Flug und die Übernachtung. „Wir wollen es aber unseren Jugendspielern ermöglichen, an den Turnieren teilzunehmen“, erklärt Vordank. „Es ist ja auch ein tolles Erlebnis, und es wäre schade, wenn sie es durch fehlende finanzielle Mittel verpassen würden.“