Ideologen Kein Asyl für „Reichsbürger“
Eine deutsche Familie aus der Reichsideologen-Szene beantragt Asyl in Russland - vergeblich. Jetzt lebt sie mit Kindern in einem VW-Bus.
Moskau/Halle l Seit Monaten ist eine deutsche Familie fester Bestandteil der russischen Nachrichten. Mitten in Moskau steht ein roter VW-Bus mit deutschem Kennzeichen und einer russischen Flagge auf der Motorhaube. In seinem Inneren leben die Griesbachs, vier Erwachsene und ebensoviele Kinder, darunter ein Säugling.
Ende 2015 ist die Familie nach Russland geflohen um dort Asyl zu beantragen. Der Hintergrund: Die Griesbachs gehören zur Reichsideologen-Szene. Die Fluchtgründe sind entsprechend skurril: Mutter Carola Griesbach, die nach eigener Angabe aus Halle stammt, floh vor „Impfzwang“ und angeblicher Frühsexualisierung in Kindergärten und Schulen, wie sie auf ihrer Facebook-Seite schreibt. Dort warnt sie vor der Implantierung von Mikrochips und vor „Kinderklau“ durch Behörden. Flüchtlinge hält Griesbach für getarnte Soldaten, die von feindlichen Mächten geschickt und heimlich bewaffnet werden.
Das Schicksal der Familie hat schnell im Internet die Runde gemacht. Das Magazin „Vice“ schrieb über das „deutsche Äquivalent zu den Flodders“. Andere schlachten die für Reichsideologen typischen Verschwörungstheorien aus oder machen sich über deren staatsrechtliches Halbwissen lustig.
So skurril und grotesk die Ideologie der Griesbachs für viele sein mag, für die beteiligten Kinder und vor allem den Säugling dürfte die Situation im VW-Bus katastrophal sein. Für deutsche Staatsbürger ist die Botschaft der Bundesrepublik in Russland zuständig. „Die deutsche Botschaft in Moskau ist über den Fall informiert“, heißt es lediglich aus dem Auswärtigen Amt auf eine Anfrage der Volksstimme. Weitere Angaben möchte das Ministerium nicht machen.
„Kein einziger macht sich die Mühe, persönlich zu fragen, was wahr oder falsch ist, wie armselig ist der Journalismus geworden“, schreibt Carola Griesbach bei Facebook. Eine Anfrage der Volksstimme ließ sie allerdings unbeantwortet. Tochter Stephanie Griesbach, die in Deutschland verblieben ist, beschwert sich ebenfalls via Facebook über böse und falsche Artikel in den Medien und verspricht „Informationen aus erster Hand und einen sauber recherchierten Artikel“. Darauf angesprochen herrscht aber wieder Schweigen, Anfragen werden gelöscht.
Die russischen Behörden haben die Familie nach Ablehnung des Asylgesuchs zum Verlassen des Landes aufgefordert. Kommen sie dem nicht nach, droht ihr die Abschiebung. Carola Griesbach scheint überzeugt, dass die Ablehnung des Asylgesuchs ein Formfehler war. Ihre Erklärung: „Eine Genehmigung unseres Antrags würde einer Bestätigung der Zustände in der Bundesrepublik Deutschland gleichkommen [...] und somit einen Handlungszwang hervorrufen.“ Russland müsste weitere außenpolitische Schritte unternehmen, die zu Konflikten führen könnten, heißt es auf der Facebook-Seite der Familie.
Inzwischen behauptet die Familie, ihr Fall sei noch nicht abgeschlossen, es gebe „Verhandlungen“. Ein verwackeltes Video zeigt die Griesbachs im Gespräch mit dem Duma-Abgeordneten Aleksandr Potapov. Der Politiker der nationalistischen Kommunistischen Partei der Russischen Föderation verspricht den Reichs-ideologen, sich für sie einzusetzen. In dem Video ist auch Ehemann André Griesbach zu sehen: „1500 Kinder pro Tag werden aus den Familien herausgenommen“, behauptet er. Seit Anfang Juli läuft nun eine Online-Petition, gestartet von einer nationalistischen und homophoben Organisation aus Russland, die das Bleiberecht für die Familie fordert. Über 8000 Personen haben bereits unterzeichnet.
Eine Rückkehr nach Deutschland lehnt die Familie ab. In ihrer Chronik der Ereignisse behauptet sie, dass derzeit in Deutschland „politische Gegner aus dem Weg geräumt“ würden. Um ihren Lebensunterhalt in Moskau zu sichern, bittet die Familie um Spenden, schließlich habe sich die Familie mit ihrer Aktion für die „deutschen Völker“ eingesetzt. Den Facebook-Einträgen zufolge hält sich deren Dankbarkeit allerdings in engen Grenzen.