Landespolitik Franke: "Keine Alternative zur Koalition"
Christian Franke, Grünen-Chef in Sachsen-Anhalt, lobt die Landesregierung und teilt gegen die AfD aus.
Herr Franke, Sie sind frisch gewählter Landesvorsitzender der Grünen. Das wäre eine gute Ausgangsposition, um nächstes Jahr nach einem Bundestagsmandat zu greifen. Streben Sie das an?
Christian Franke: Nein. Als Landesvorsitzender möchte ich im Bundestagswahlkampf eine organisatorische Aufgabe übernehmen. Ich muss nicht bei jeder Wahl antreten.
Erfahrung haben Sie schon reichlich: 2013 sind Sie im Wahlkreis Altmark als 20-Jähriger zur Bundestagswahl angetreten. Im März haben Sie für den Landtag kandidiert. Nun sind Sie Landesvorsitzender. Sie wollen offensichtlich hauptberuflich in die Politik einsteigen. Sollten Politiker nicht über ein wenig mehr Berufserfahrung verfügen, ehe sie diesen Weg einschlagen?
Ich hatte das Glück, dass ich in der Politik in sehr jungen Jahren Fuß fassen konnte. Ich habe die Möglichkeiten, mich zu beteiligen, rege genutzt. Das heißt ja nicht, dass ich in einer Blase oder in einem Ufo lebe. Politik ist immer auch eine Frage der Lebensperspektive. Ich kann als Student eine spezifische Perspektive einbringen, als junger Mensch aus dem ländlichen Raum. Es ist ja nicht so, dass ich den ganzen Tag Politik mache. Ich komme aus einer Handwerkerfamilie, da habe ich immer mit angepackt. Zudem will ich mein Politikstudium bald beenden. Mir ist aber auch klar: Jemand, der jung in die Politik geht, wird das wahrscheinlich nicht sein ganzes Leben lang machen.
Ihre Partei hat bei der Landtagswahl im März viele Stimmen verloren und ist nur knapp in den Landtag eingezogen. Sie haben zuletzt ein „vergiftetes gesellschaftliches Klima“ beklagt. Warum hat Ihre Partei es nicht geschafft, das zu durchbrechen?
Das sehe ich anders. Gerade am Ende unseres Wahlkampfes haben wir das angesprochen mit unserem Motto „Grün wählen gegen Hass“. Natürlich hätten wir uns mehr als fünf Prozent gewünscht und wir werden jetzt auch dafür kämpfen, die Wähler von unserer Politik zu überzeugen, damit uns beim nächsten Mal noch mehr Menschen das Vertrauen schenken.
Für Ihre fünf Prozent übt Ihre Partei in wichtigen Fragen zum Teil sehr großen Einfluss aus: Enthaltung Sachsen-Anhalts bei der Maghreb-Entscheidung im Bundesrat, Veto beim Fracking – sind die Grünen eine Blockierer-Partei?
Das sehe ich auf gar keinen Fall so. Wir sind Teil dieser Landesregierung. Ohne uns gäbe es diese Landesregierung nicht. Ja, wir haben Einfluss. Aber den nutzen wir, um Politik zu gestalten. Wir Grüne verbiegen uns nicht. In bestimmten Bereichen wird das sichtbar. Wir lehnen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich ab. Wir haben in Deutschland ein individuelles Grundrecht auf Asyl. Jeder, der zu uns kommt, hat das Recht, einen Antrag zu stellen. Von daher ist das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten Etikettenschwindel. Da ist es nur konsequent, dass wir bei der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer nicht mitmachen.
Wie bewerten Sie den Start der schwarz-rot-grünen Landesregierung?
Wenn ich das mit den Bauernprotesten auf dem Magdeburger Domplatz vergleiche, die es während der Koalitionsverhandlungen gab, muss ich sagen, dass es jetzt erstaunlich geordnet läuft. Das ist ein gutes Zeichen für die Menschen in diesem Land. Es war nicht unser Wunsch, mit CDU und SPD in die Regierung zu gehen. Aber aufgrund des Wahlergebnisses mussten wir diese Verantwortung wahrnehmen. Mit Claudia Dalbert haben wir eine Ministerin, die sich extrem schnell eingearbeitet hat. Wir Grüne werden mit ihr zeigen, dass man die Bereiche Umwelt und Landwirtschaft wirklich versöhnen kann. Wir werden keine Politik aus dem Elfenbeinturm machen, sondern nah bei den Landwirten sein.
Eine echte Belastungsprobe steht noch aus. Die Koalition hat nur zwei Stimmen Mehrheit im Landtag. Hält sie bis zum Jahr 2021?
Ich habe da keine Bedenken. Man muss sich ja nur die Alternativen angucken: Es gibt keine in diesem Land. Auch die Rechtsaußen in der CDU werden spätestens in den ersten Landtagssitzungen gesehen haben, dass eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD nicht funktionieren würde. Die einzige tragfähige Regierung ist eine Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Sie hat einen Auftrag für fünf Jahre. Dieser Verantwortung stellen wir uns. An uns wird diese Regierung nicht scheitern. Diese Verlässlichkeit erwarte ich auch von den anderen beiden Partnern.
Die neu in den Landtag eingezogene AfD provoziert die etablierten Parteien mit unkonventionellem Verhalten. Kürzlich hat die AfD-Fraktion während einer Debatte geschlossen den Saal verlassen. Die anderen Parteien sind auf solche Manöver bisher nicht eingestellt. Was muss passieren, damit sich das ändert?
Wir haben im Parlament bestimmte Verfahren. Wenn sich eine Gruppe nicht daran hält, ist es Aufgabe der anderen Parteien, darauf hinzuweisen, dass sich die AfD saumäßig benimmt. Sie respektiert die Würde des Hauses und die anderen gewählten Abgeordneten nicht. Das müssen die etablierten Parteien darstellen und die AfD inhaltlich entlarven. Wenn ein Abgeordneter sagt, man müsse Homosexuelle wieder ins Gefängnis stecken, darf man nicht davor zurückscheuen, das zu bewerten. Die AfD will individuelle und persönliche Freiheitsrechte einschränken. Ich sehe bei Einzelnen sehr starke rechtsextreme Tendenzen. Wir werden uns unsere Freiheit aber nicht nehmen lassen.
AfD-Fraktionschef André Poggenburg soll Vize-Präsident des Landtags werden.
Das wäre ein großer Fehler. Jemand, der im Wahlkampf gegen unser politisches System und gegen die Verhältnisse im Parlament gehetzt hat, ist nicht geeignet, die Würde des hohen Hauses zu wahren.
Vor der Landtagswahl stand mehr Geld für Kitas weit oben auf der Wunschliste der Grünen. Vielerorts sind die Eltern-Beiträge für Kita-Plätze gestiegen. Ihre Partei hat das Kinderförderungsgesetz in der Opposition jahrelang massiv kritisiert. In der Regierung können Sie das nun ändern. Wie?
In diesem Jahr gibt die Landesregierung ja bereits 21 Millionen Euro mehr an die Kommunen für Tarifsteigerungen bei den Erziehern. Weitere Erhöhungen sollten damit vom Tisch sein. Im nächsten Jahr muss dann eine umfassende Reform folgen. Für uns ist klar: Wir brauchen nicht nur eine Deckelung der Eltern-Beiträge, sondern auch eine sozialverträgliche Staffelung nach Einkommen. Bisher können die Kommunen die Restkosten für einen Kita-Platz zur Hälfte auf die Eltern umlegen. Davon wollen wir weg. Mit einer Staffelung würde man diese Systematik durchbrechen.
Gerechtigkeit ist ein Thema, dass Ihre Partei und auch Sie persönlich sehr umtreibt. Sie haben kürzlich einen harten Kampf gegen Diskriminierung angekündigt. Wo wollen Sie ansetzen?
Zum einen habe ich auf diesem Feld eine persönliche Betroffenheit. Ich lebe in einem Land, in dem ich als Mann keinen Mann heiraten darf. Das ist etwas, was mich schon immer gestört hat und wo ich der Meinung bin, dass die Gesellschaft in Sachen Vielfalt noch dazulernen muss.
Aber auch bei der Integration der Flüchtlinge ist ein Kampf gegen Diskriminierung notwendig. Jeder der Geflüchteten ist bei uns willkommen. Ausgrenzung und Abwertung von Menschen, wie sie die AfD propagiert, darf es in unserer Gesellschaft nicht geben. Die Flüchtlinge sind eine Chance für unser Land, die so schnell nicht wiederkommt. In Zeiten des Fachkräftemangels müssen wir diese Menschen qualifizieren und einbinden. Nur wenn das Land diesen Prozess gut steuert, die Handwerkskammern und Unternehmen einbezieht, werden die Menschen das Gefühl haben, dass wir die Integration bewältigen können.